Pressemitteilung | VhU - Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V. - Hauptgeschäftsstelle

3. Fraport / VhU-Da-Vinci-Gespräch: „Total gesund?“ / Gesundheitswirtschaft ist Wachstumsmarkt für Hessen / Gesundheitspolitik der Bundesregierung gefährdet Investitionen / Ausgabeneffizienz durch mehr Wettbewerb im Krankenhausbereich / Medizinische Grund- und Zusatzversorgung trennen

(Frankfurt am Main) - In der Gesundheitswirtschaft steckt ein enormes Wachstumspotential, das für Wirtschaft und Beschäftigung am Standort Hessen stärker genutzt werden sollte. Dies war der einhellige Tenor des dritten Da-Vinci-Gesprächs von Fraport und VhU, das Abend des 13. März am Frankfurter Flughafen 50 Vertreter der hessischen Wirtschaft und ein hochkarätiges Podium zusammenführte. „Wir wollen mehr Wachstum in einer Branche, die schon stark ist, die aber auch im internationalen Vergleich dynamischer werden muss. Denn nur gesunde Menschen sind auch mobile Menschen“, erläuterte Dr. Wilhelm Bender, Fraport-Chef und Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain. „Wir brauchen mehr Markt im Gesundheitsmarkt und die Beschränkung der solidarischen Finanzierung auf eine medizinische Grundversorgung – statt eines Draufsattelns der Kopfprämie auf Solidarbeiträge zur Krankenversicherung“, kommentierte der Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), Prof. Dieter Weidemann, das Ziel und den neuesten Vorschlag aus dem Bundesgesundheitsministerium. Die Veranstaltung unter dem Titel „Total gesund? Gesundheitsmarkt zwischen Wachstumsmarkt und Kostenbremse“ bildete den dritten Teil der Reihe „Da-Vinci-Gespräche“ von Fraport und VhU. Im Jahr 2004 hatte man die Reihe mit dem Thema „Die Polyzentrik der Region FrankfurtRheinMain“ begonnen und vergangenes Jahr die IT-Branche in den Mittelpunkt gestellt. Die Veranstalter wollen so gemeinsam mit den größten Arbeitgebern im Ballungsraum Wachstumspotentiale für Wirtschaft und Beschäftigung erörtern.

Nach der Informationstechnik, die in den 90ern ihren Höhepunkt erreicht habe, liege das Wachstumspotential heute vor allem in der Gesundheitswirtschaft, erläuterte Prof. Dr. med. Dietrich H. W. Grönemeyer vom Institut für Mikrotherapie Bochum und skizzierte seine Vision von Deutschland als dem führenden Gesundheitsland der Welt. Dafür sei es aber nötig, die Medizin nicht über eine Kostendiskussion zu Tode zu reden, sondern sie wieder über eine Nutzendiskussion an die Spitze führen zu wollen. Gerade die Hochtechnologie mit der Mikrosystemtechnologie als der Fortschrittsdisziplin schlechthin und neue Bild gebende Verfahren ermöglichten es, schon sehr früh Krankheiten zu entdecken und deshalb auch schonend und oft ohne größere operative Eingriffe zu heilen – und dadurch wiederum nicht selten Kosten zu sparen. Deshalb forderte Grönemeyer eine Allianz der Gesundheitswirtschaft, der Krankenversicherungen und der politischen Entscheider zur Eroberung der globalen Führungsposition in diesem Wachstumsmarkt. Dr. Nikolaus Schulze-Solce, Geschäftsführungsmitglied beim forschenden Pharma-Unternehmen Lilly Deutschland hob die Bedeutung der Innovationen hervor und forderte, dass die notwendige Vielfalt politisch nicht behindert werden dürfe. Hätte man sich vor Jahren z. B. vorschnell und kurzsichtig nur auf Human- oder Tierinsulin beschränkt, könnte man den heutigen Bedarf gar nicht decken.

Dr. Heinz-Werner Meier von Sanofi-Aventis zeigte sich mit dem Ergebnis des jüngsten Zusammenschlusses zu Sanofi-Aventis sehr zufrieden. Pharmaforschung und –produktion seien allen Unkenrufen zum Trotz gestärkt aus der Übernahme hervorgegangen und kein einziger Arbeitsplatz sei abgebaut worden. Das Gegenteil sei der Fall. Nachdem das Unternehmen am Standort Frankfurt in den letzten Jahren bereits 1,2 Milliarden Euro in Forschungs- und Produktionseinrichtungen investiert habe, seien 2006 weitere Investitionen in Höhe von 200 Millionen Euro und 500 neue Arbeitsplätze geplant. Anlass zur Sorge bereite jedoch die Gesundheitspolitik, die Investitionen der deutschen Pharmaindustrie gefährde. „Wie wollen wir denn auf Dauer glaubwürdig die Erforschung, Entwicklung und Produktion moderner Medikamente am Standort Deutschland vertreten, wenn ausgerechnet deutschen Kassen-Patienten diese Medikamente verweigert werden?“, so Dr. Meier. Er kritisierte insbesondere das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das empfehle, die kurzwirksamen Insulinanaloga von der Liste der Arzneimittel für Kassenpatienten zu streichen. Dies schränke die Versorgungsqualität für deutsche Diabetiker ein und bedrohe unmittelbar die Diabetes-Forschung und –produktion in Deutschland und somit zahlreiche Arbeitsplätze. Auch das vom Bundestag verabschiedete neue Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) würde innovative patentgeschützte Präparate noch stärker als bisher auf das Preisniveau von Nachahmerpräparaten drücken. Auch VhU-Präsident Prof. Dieter Weidemann kritisierte die Gesundheitspolitik der Bundesregierung als „standortpolitisch kontraproduktiv“. Statt durch falsche Maßnahmen Investitionen zu verhindern, solle sich der Staat lieber weiter aus dem Gesundheitsmarkt zurückziehen.

Von einem erfolgreichen Ansatz, Staat zu reduzieren, konnte Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, Staatssekretär im hessischen Wissenschaftsministerium berichten. So habe die Landesregierung die Universitätskliniken Gießen und Marburg erfolgreich zusammengelegt und privatisiert. Wer im Innovations-Wettbewerb der medizinischen Großkliniken bestehen wolle, brauche eine Mindestgröße, die beide Kliniken nur zusammengeführt erreichten. Außerdem habe man gelernt, dass es in der modernen Medizin immer weniger darauf ankomme, wer wo sitze, sondern wer mit wem zusammenarbeite. Deshalb gelte es, solche Netzwerke zu stärken. Dies sei durch Privatisierung und Zusammenlegung der Kliniken erreicht worden, was Dietmar Pawlik, stellvertretender Vorstand der übernehmenden Rhön-Klinikum AG bestätigte. Das Interesse seines in der Prozessorientierung erfahrenen Unternehmens an der Übernahme der fusionierten Universitätskliniken und ihrer 10.000 Mitarbeiter konzentriere sich vor allem auf den Ausbau zu einem Exzellenzentrum Onkologie.

„Nur, wenn auch in Zukunft Junge für Alte, Gesunde für Kranke und Reiche für Arme einstehen, werden wir es schaffen, unser gutes Gesundheitswesen zu stabilisieren“, ergänzte Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK Bundesverbands. Die Bevölkerung werde immer älter – und immer mehr Menschen litten unter chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck. Deshalb sei es auch ganz besonders wichtig, dass die Programme für chronisch Kranke – die DMP – fortgeführt und weiterentwickelt würden. Immer wichtiger würden auch Prävention, Rehabilitation und die Stärkung der Patientensouveränität. Gerade weil auch die Erwerbsbevölkerung immer älter werde, sei es unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen möglichst lange möglichst gesund bleiben. Um die Zukunft von Hessens Chemie- und Pharma-Industrie mit 62.500 Beschäftigten zu sichern, müsse sich die deutsche Gesundheitspolitik grundlegend verändern, um langfristig allen Beteiligten Planungssicherheit zu geben. „Die jetzt anzupackende Aufgabe der Gesundheitspolitik ist die richtige Balance aus staatlich abgesicherter Grundversorgung und privater Zusatzleistungen“, erläuterte VhU-Präsident Weidemann abschließend das Interesse der Arbeitgeber.

Quelle und Kontaktadresse:
Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V. (VhU) Dr. Ulrich Kirch, Leitung, Presse, Kommunikation Emil-von-Behring-Str. 4, 60439 Frankfurt am Main Telefon: (069) 95808-0, Telefax: (069) 95808-126

(tr)

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