Pressemitteilung | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA)

Arbeitgeberpräsident Hundt: Regierungserklärung mit Schritten in die richtige Richtung / Reformpläne aber insgesamt unzureichend

(Berlin) - "Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers enthält einige zukunftsweisende Vorschläge, um die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen und die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu reduzieren. Ich begrüße die Ankündigung des Bundeskanzlers zur Reduzierung des Bezugszeitraums beim Arbeitslosengeld, zur Senkung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und zu einigen geringfügigen Veränderungen im Kündigungsschutz. Wenn das jedoch zur Reduzierung von Lohnzusatzkosten und zur Flexibilisierung des Arbeitsrechtes alles ist, wird dies nicht ausreichen, um einen nachhaltigen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Dazu sind weitergehende Strukturreformen in den Sozialversicherungen und eine wirkliche Reform des Kündigungsschutzrechtes erforderlich. Für eine „Agenda 2010“ sind wesentliche Ergänzungen und mutigere Schritte notwendig. Die Regierungserklärung bleibt in vielen Punkten hinter meinen Erwartungen zurück", erklärte Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt am 14. März in Berlin.

Die Vorschläge des Bundeskanzlers zur Reform der Arbeitslosenversicherung, zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und zur Arbeitsmarktpolitik sind trotz einer Reihe positiver Ansätze unzureichend. Mit der Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monate ist eine wesentliche Forderung der Arbeitgeber erfüllt. Damit wird mittelfristig Raum für die dringend notwendige Beitragssatzsenkung geschaffen. Mit der vorgesehenen verlängerten Bezugsdauer für Arbeitslose über 55 Jahre auf 18 Monate bleiben jedoch zumindest teilweise die verfehlten Frühverrentungsanreize bestehen.

Positiv zu bewerten ist die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, wenn sie entgegen den bisherigen Plänen der Bundesregierung auf dem Niveau der Sozialhilfe erfolgt. Abzulehnen ist jedoch die Übertragung der Verantwortung für rund eine Million Sozialhilfeempfänger von den Kommunen auf die Bundesanstalt für Arbeit. Statt einer Konzentration auf die Kernaufgaben der Arbeitslosenversicherung erfolgt eine Ausweitung der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit. Die Folge sind wieder mehr Zentralismus und die Gefahr der Belastung der Beitragszahler.

Die Ankündigung des Bundeskanzlers, den durchschnittlichen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von derzeit 14,3 Prozent auf unter 13 Prozent zu senken, ist ein erstes positives Zeichen, reicht aber bei weitem nicht aus. Das vorhandene Entlastungspotential wird nicht ausgeschöpft. Dies liegt nach dem neuesten Gutachten des Sachverständigenrates bei 40 Mrd. Euro bzw. 4 Prozentpunkten. Dies muss der Orientierungsmaßstab für eine echte Reform des Gesundheitswesens sein. Hierzu fehlt der Bundesregierung aber offensichtlich immer noch der Mut. Richtig ist, versicherungsfremde Leistungen aus dem Katalog der Krankenkassen zu streichen, sowie die Ankündigung, das Krankengeld in die Eigenverantwortung des Versicherten zu übertragen. Das muss aber auch für private Unfälle, Zahnbehandlung und Zahnersatz gelten. Unverständlich ist, dass in der Regierungserklärung mit keinem Wort die Pflegeversicherung angesprochen wird, die bereits in wenigen Jahren vor dem finanziellen Kollaps steht.

Insgesamt fehlt in der Regierungserklärung eine Vorgabe, die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung kurzfristig auf unter 40 Prozent und damit die gesetzlichen Personalzusatzkosten spürbar zu senken. Das ist angesichts der im nächsten Jahr drohenden weiteren Beitragssatzanhebung in der Rentenversicherung auf 19,9 Prozent unverantwortlich. Hinweise, die Rentenformel anzupassen und auf die Ergebnisse der Rürup-Kommission zu warten, sind zwar nachvollziehbar, dürfen aber nicht über den akuten Handlungsbedarf hinweg täuschen.

Die Vorschläge des Bundeskanzlers zur Veränderung des Kündigungsschutzes enthalten teilweise richtige Schritte, sind jedoch insgesamt unzureichend und zum Teil kontraproduktiv. Es ist durchaus zu begrüßen, dass Kleinbetriebe mit 5 Arbeitnehmern künftig unbegrenzt befristete Arbeitsverhältnisse abschließen können, ohne dass der Betrieb dadurch über die Kündigungsschutzgesetzschwelle „rutscht“. Auch der Vorschlag für Existenzgründer ist zu begrüßen, wonach die maximale Befristung von Arbeitsverhältnissen auf vier Jahre erweitert werden soll. Das gilt auch für die vorgeschlagene Neuregelung bei den Kriterien zur Sozialauswahl.

Kontraproduktiv ist jedoch die Ankündigung, bei betriebsbedingten Kündigungen ein Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen Kündigungsschutz und Abfindung einzuführen. So, wie der Vorschlag vom Bundeskanzler formuliert wurde, wird das Kündigungsschutzrecht noch komplizierter und teurer. Der Vorschlag liefe darauf hinaus, einem Arbeitnehmer auch dann einen gesetzlich festgelegten Abfindungsanspruch zu geben, wenn ein Betrieb z. B. mangels Beschäftigung keinen Arbeitnehmer mehr beschäftigen kann. Ein solcher Abfindungszwang verteuert Kündigungen und macht das geltende Recht noch undurchdringlicher, als es heute schon ist.

Auch die Vorschläge des Bundeskanzlers zu tariflichen Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse für Arbeit sind fragwürdig. Es ist schwer verständlich, wenn der Bundeskanzler ausdrücklich fordert, dass Betriebsvereinbarungen dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien unterliegen sollen. Dieser Vorschlag bleibt zum Teil hinter der tarifpolitischen Praxis zurück. Es gibt schon heute Öffnungsklauseln für betriebliche Vereinbarungen, die nicht mehr der Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien bedürfen. Insofern würde der Vorschlag des Bundeskanzlers sogar einen Schritt zurück bedeuten.

Kontraproduktiv ist die Drohung des Bundeskanzlers mit einer Ausbildungsplatzabgabe. Allein die öffentliche Diskussion droht die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen zu beeinträchtigen. Die deutsche Wirtschaft steht unverändert zu ihrer Verantwortung für die Ausbildung der jungen Menschen. Voraussetzung für ein ausreichendes Lehrstellenangebot ist jedoch eine kräftige Wachstumsoffensive, für die die Ankündigungen in der Regierungserklärung aber nicht ausreichen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist dagegen, die angestrebte Erweiterung der Zulassung von Betrieben zur Ausbildung.

"Skeptisch beurteile ich das von der Bundesregierung vorgesehene Investitionsprogramm mit 15 Mrd. Euro. Solche Programme zur Ankurbelung der Konjunktur erzeugen nur einen Strohfeuereffekt ohne nachhaltige Wirkung. Das beste Investitionsförderprogramm sind Steuersenkungen auf breiter Basis", sagte Hundt.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) Breite Str. 29 10178 Berlin Telefon: 030/20330 Telefax: 030/30331055

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