Pressemitteilung | (BDI) Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

BDI und MEDEF: Ein Aufruf für Wachstum und Beschäftigung in Europa

(Berlin) - Deutsch-französische Industrieallianz: Ein Aufruf für Wachstum und Beschäftigung in Europa gemeinsame Vorschläge von BDI und MEDEF.
Die Welt befindet sich im Umbruch. In einer globalisierten Weltwirtschaft kann kein europäisches Land allein Antworten auf die globalen Herausforderungen geben. Europa hat die Wahl: Wir werden gemeinsam erfolgreich sein oder getrennt in der Bedeutungslosigkeit versinken.

BDI und MEDEF sind überzeugt: Europa muss weitaus mehr auf seine einzigartige Stärke bei der grenzüberschreitenden Produktion in wettbewerbsfähigen Wertschöpfungsketten aufbauen. Die starke wirtschaftliche Verflechtung zwischen der deutschen und französischen Industrie führt zu global wettbewerbsfähigen Produkten und schafft Wachstum und Beschäftigung in unseren beiden Ländern und darüber hinaus. Wir werden bilateral und in Europa nur erfolgreich sein, wenn wir den aktuellen Trend der wirtschaftlichen und politischen Divergenz stoppen: zugunsten eines Prozesses für Wachstum und Beschäftigung.

Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass unsere beiden Regierungen Strukturreformen umsetzen und die öffentlichen Haushalte konsolidieren.

Der Europäische Rat vom 26. - 27. Juni und die Studie des Europäischen Parlaments "Mapping the Cost of Non-Europe, 2014-2019" haben Schlüsselbereiche für Wachstum und Beschäftigung in den nächsten fünf Jahren identifiziert: eine gemeinsame europäische Energiepolitik, ein vollständig integrierter Binnenmarkt, eine ambitionierte Handelspolitik und stärkere Integration im Euroraum und im Bereich der Finanzmärkte.

Eine Woche vor der Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat am 15. bzw. 16. Juli rufen wir die EU-Institutionen auf, zusammenzukommen und gemeinsam an einem wachstumsorientierten Programm und einer Governance-Struktur für die nächste EU-Kommission zu arbeiten.

Wir, die deutsche und die französische Industrie, sind überzeugt, dass eine positive Wachstumsagenda für Europa eine neue Arbeitsstruktur für die Kommission und eine begrenzte Anzahl an Schlüsselprioritäten umfassen sollte:

I-Ein tief greifender Wandel der Governance der EU-Kommission Wir unterstützen den Vorschlag, innerhalb der Kommission für mehr Kohärenz zu sorgen. Fachzuständigkeiten sollten künftig bei einer begrenzten Zahl von Vizepräsidenten gebündelt werden. Ihnen würden die übrigen Kommissare fachlich unterstellt. Priorität sollte dabei die Bildung eines starken wirtschaftspolitischen Clusters haben, das nicht zuletzt die Industrie- und Energiepolitik umfasst. Innerhalb der EU-Kommission muss sichergestellt werden, dass alle neuen politischen Initiativen und Gesetzesvorschläge systematisch und transparent auf ihre Wettbewerbsfähigkeitswirkungen geprüft werden. Dabei sollten alle relevanten Stakeholder frühzeitig einbezogen werden.

II-Ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm für Wachstum und Beschäftigung Um Wachstum und Jobs in den 28 EU-Mitgliedstaaten zu schaffen, sollte die EU bei fünf Schlüsselprioritäten ansetzen:

1-Konvergenz zwischen Industrie-, Energie- und Klimapolitik stärken!

20 Prozent Industrieanteil am BIP zu erreichen, wie es die Kommissionsmitteilung "Eine stärkere europäische Industrie bringt Wachstum und wirtschaftliche Erholung" vom Oktober 2012 fordert, sollte eines der Hauptziele der Europäischen Union werden.

Europa braucht eine gemeinsame europäische Energiepolitik, die es den Energieversorgern und der Industrie ermöglicht, zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen industriellen Wertschöpfungskette beizutragen, den Anstieg der Energiepreise begrenzt und Wettbewerbsverzerrungen in der EU vermeidet. Die langfristige Stabilisierung der Elektrizitäts- und Gaspreise für die energieintensiven Industrien ist dabei besonders wichtig.

Energieeffizienz ist ein wesentlicher Pfeiler, um die Energiewende zu meistern und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Effizienzgewinne müssen in den Sektoren mit dem höchsten Potenzial realisiert werden - wie z.B. dem Bau- und dem Transportsektor. Neue Maßnahmen müssen eine Doppelregulierung für die Industrien vermeiden, die bereits vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Der Fokus sollte auf einzelnen Sektoren und der bereits bestehenden Gesetzgebung liegen.

Erneuerbare Energien müssen entwickelt und schrittweise in die regulären Märkte integriert werden.

Politikansätze und Finanzierungsinstrumente in den Bereichen Forschung & Entwicklung sollten weniger weit entwickelte Technologien (upstream) und wettbewerbsfähige industrielle Lösungen (downstream) unterstützen - insbesondere im Bereich der Energieeffizienz, in dem die kosteneffektivsten Lösungen gefördert werden müssen.

Die Vollendung des Energiebinnenmarktes mit der Umsetzung des Dritten Energiebinnenmarktpakets und der Entwicklung entsprechender Infrastrukturen sollte eine absolute Priorität darstellen, um eine zuverlässige und ununterbrochene Elektrizitäts- und Gasversorgung zu gewährleisten.

Wir fordern eine neue Konvergenz der Industrie-, Energie- und Klimapolitik für den Zeit-raum 2020 bis 2030. Um eine ausgewogene EU-Energie- und Klimapolitik zu erreichen, müssen drei Prioritäten gesetzt werden: Nachhaltigkeit, interne und externe Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und Versorgungssicherheit. Die EU sollte sich ein Ziel zur Reduktion von CO2-Emissionen setzen. Das von der Kommission vorgeschlagene 40 Prozent-Reduktionsziel sollte nur verfolgt werden, wenn beim Klimagipfel 2015 in Paris ein zufriedenstellendes internationales Abkommen geschlossen wird. Die Energie- und Klimapolitik muss mit dem Appel "Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie", der parallel zu den Vorschlägen für das Energie- und Klimapaket 2030 lanciert wurde, und dem 20 Prozent-Industrieanteilsziel in Einklang gebracht werden.

2-Einen vollständig integrierten Binnenmarkt schaffen!

Der Ausbau der transeuropäischen Infrastruktur ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Unternehmen und Regionen das Potenzial des Binnenmarktes voll ausschöpfen können.

EU-Finanzmittel sollten öffentliche Investitionen der Mitgliedstaaten ergänzen und sich auf die Netzabschnitte fokussieren, die der Privatsektor nicht bereitstellt.

Europäische Finanzierung für transeuropäische Transportnetzwerke (TEN-T) sollte auf Projekte zielen, die Engpässe beseitigen und zur Entwicklung des einheitlichen europäischen Wirtschafts- und Verkehrsraumes beitragen.

Die Connecting Europe Facility sollte insbesondere der Finanzierung von Netzwerken der neuen Generation dienen. Dies ist für die Umsetzung des digitalen Binnenmarktes zentral. Europa braucht einheitliche Datenschutzvorschriften. Eine Datenschutzverordnung, die die richtige Balance zwischen dem Bedarf an einem freien Datenfluss und der Stärkung des Verbrauchervertrauens schafft, ist wesentlich für den digitalen Binnenmarkt.

Die Kommission muss mit Hilfe des Wettbewerbsrechts entschieden gegen wettbewerbs-widrige Praktiken vorgehen, wo immer diese Innovation behindern oder die Verbraucher schädigen und somit Vertrauen untergraben.

Die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen u.a. in den Bereichen Telekommunikation, Energie und Transport ist wesentlich.

Die EU sollte ihre Anstrengungen verstärken, damit bereits beschlossene Maßnahmen besser implementiert und durchgesetzt werden und eine regelmäßige Evaluierung erfolgt.

3-Die Marktöffnung weltweit vorantreiben!

Die Kommission sollte eine ambitionierte Handelspolitik verfolgen, die auf die Öffnung von Märkten weltweit für Handel und Investitionen zielt.

Auf multilateraler Ebene sollte das Bali-Paket über Handelserleichterungen schnell und effizient umgesetzt werden. Zusätzlich sollte sich die Welthandelsorganisation (WTO) mit anderen offenen Themen der Doha-Runde auseinandersetzen, etwa mit der Liberalisierung von Dienstleistungen und dem Marktzugang für Industriegüter.

Weitere Schlüsselbereiche sind der Zugang zu öffentlichen Beschaffungsmärkten und der Kampf gegen illegale und unfaire Subventions- und Dumpingpraktiken (z.B. Exportsubventionen). Zudem müssen neue Investitionsvorschriften, klare Wettbewerbsregeln und Regeln für Handelserleichterungen ausgearbeitet werden.

Die EU sollte eine kohärente Strategie für bilaterale Freihandelsabkommen beschließen, die sich an ihren langfristigen wirtschaftlichen und politischen Interessen ausrichtet. Freihandelsabkommen zum Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen sollten prioritär mit den wichtigsten Partnern und Wachstumsregionen abgeschlossen werden.

Der Abschluss der Verhandlungen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sollte eine klare Priorität der nächsten Kommission sein. Um das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial voll auszuschöpfen, sollte TTIP zu einer umfassenden gegenseitigen Marktöffnung genutzt werden - inklusive der öffentlichen Beschaffungsmärkte auf allen Ebenen und der Finanzdienstleistungen. Regulatorische Konvergenz ist zentral und kann durch den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse erreicht werden. Das ist insbesondere für KMUs dringend erforderlich, für die die aktuelle regulatorische Divergenz im transatlantischen Markt in vielen Sektoren ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Zollverfahren sollten harmonisiert werden und die EU und die USA sollten die Gelegenheit ergreifen, um globale Regeln und Prinzipien in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu entwickeln.

4-Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung im Euroraum vorantreiben!

Um Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung im Euroraum voranzutreiben, ist ein entschlossenes Vorgehen der Kommission in folgenden Bereichen notwendig:

Die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters sollte streng überwacht werden.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte konsequent angewandt werden. Die in den geltenden Regeln enthaltene Flexibilität sollte genutzt werden, um Wachstumspolitiken und Haushaltskonsolidierung zu unterstützen.

Der Beschluss des Europäischen Rates für eine deutliche Vertiefung der Integration im Euroraum durch stärkere Steuerung des Euro-Währungsgebiets und stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung sowie Konvergenz und Solidarität sollte unterstützt werden. Gleichzeitig sollten wir europäische Entscheidungsfindung dezentralisieren, wo immer es möglich ist, um den Mitgliedstaaten - und insbesondere den Nicht-Euro-Staaten - zu erlauben, unterschiedliche Integrationswege zu gehen.

Es sollten Vorschläge für eine stärkere Steuerharmonisierung vorgelegt werden. Es gilt, eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu schaffen. Weitere Schritte in Richtung Steuerharmonisierung, insbesondere im Euroraum, könnten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit erfolgen.

5-Finanzmarktregulierung überprüfen, um Unternehmen Zugang zu Finanzierung zu gewährleisten!

Der Zugang zu Finanzierung - insbesondere zu langfristiger Finanzierung - muss für Unter-nehmen und v.a. für KMUs erleichtert werden.

Der finanzpolitische Regelungsrahmen muss systemische Risiken adäquat adressieren.

Eine umfassende Folgenabschätzung der kumulativen Auswirkungen von unterschiedlichen Regulierungsmaßnahmen sollte durchgeführt werden.

Die Schaffung einer effektiven Bankenunion ist von entscheidender Bedeutung, um Vertrauen zurückzugewinnen und das Bankensystem zu stabilisieren und widerstandsfähig zu gestalten.

Die Anstrengungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in elf Mitgliedstaaten sollten schnellstmöglich eingestellt werden. Eine solche Steuer hätte verheerende Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Bedingungen zur Finanzierung und für Risikomanagement von Unternehmen in diesen Ländern. Dies wäre eine ernstzunehmende Gefahr für die betroffenen Volkswirtschaften.

Die Darlehenstätigkeit der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollte sich auf die Unterstützung langfristiger Investitionen fokussieren, die den wirtschaftlichen Aufschwung und die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken.

Quelle und Kontaktadresse:
BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Pressestelle Breite Str. 29, 10178 Berlin Telefon: (030) 2028-0, Fax: (030) 2028-2566

(sy)

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