Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

BLLV: Situation der Flüchtlingskinder dramatisch / Schulen können mit dem Ansturm kaum fertig werden / Es mangelt an allem / BLLV-Präsident Klaus Wenzel richtet Forderungskatalog an Staatsregierung

(München) - Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat sich mit einem eindringlichen Appell an die Staatsregierung gewandt: Viele Schulen in Bayern können den Ansturm von Flüchtlingskindern im schulfähigen Alter nicht bewältigen. Weil die Übergangsklassen vielerorts voll sind, werden Kinder und Jugendliche auf Regelschulen verteilt. An manchen Schulen müssen "über Nacht" 20 Flüchtlingskinder untergebracht und intensiv betreut werden. Die Betroffenen sind zum Teil schwer traumatisiert, depressiv, manche sind Selbstmord gefährdet - und sie sprechen kein Deutsch. "Die Lehrerinnen und Lehrer sind auf diese Krisensituation nicht vorbereitet. Die meisten wollen helfen, stoßen aber angesichts des unsagbaren Leids und der fehlenden Unterstützung an ihre Grenzen", sagte BLLV-Präsident Wenzel. Um die Situation in den Griff bekommen zu können und um allen Beteiligten zu helfen, hat der BLLV vor wenigen Tagen ein Notprogramm von zehn Millionen Euro verlangt, das schnell und unbürokratisch bereit gestellt werden muss, um die schlimmste Not zu lindern. Heute präsentierte Wenzel einen Forderungskatalog, den Lehrerinnen und Lehrer erarbeitet haben. In ihm sind konkrete Handlungsanweisungen formuliert. "Wir hoffen, dass die Staatsregierung schnell reagiert und dazu beiträgt, die Situation zu verbessern", sagte Wenzel, der heute zu einer Pressekonferenz nach München eingeladen hat.


Der Forderungskatalog basiert im Wesentlichen auf einer Petition, die der BLLV bereits vor zwei Jahren an den Bayerischen Landtag gerichtet hat. Darin wurde u.a. gefordert, ein Dolmetschernetz aufzubauen. "Passiert ist leider zu wenig", bemängelte Wenzel - "das führt heute dazu, dass es an den Schulen keine oder viel zu wenig Dolmetscher gibt."

Eine zentrale Forderung des BLLV lautete damals wie heute, ab sofort alle Schulen, die Flüchtlingskinder aufnehmen, besser auszustatten. Wenzel: "Die Schulen brauchen dringend wesentlich mehr Schulsozialarbeiter. Die Mobile Reserve muss aufgestockt, die Möglichkeiten für Team-Teaching verbessert werden." In jeder Übergangsklasse sollte immer auch eine zweite pädagogische Fachkraft zur Verfügung stehen - das gleiche gelte für Regelklassen, die von Flüchtlingskindern besucht werden.

Übergangsklassen sollten von nicht mehr als 16 Schülern besucht werden. "Zwar beläuft sich die Klassenstärkte rein rechnerisch auf 15,5 Schüler pro Übergangsklasse. Das ist aber Augenwischerei", erklärte der BLLV-Präsident. Die Erfahrung zeige, dass im Laufe eines Schuljahres in der Regel weitere Schülerinnen und Schüler in die Übergangsklassen kommen. Die Arbeit werde zudem deutlich erschwert durch die große Heterogenität: Analphabeten und gymnasialgeeignete Schüler/innen, begleitete und unbegleitete Kinder, Kinder aus Kriegsgebieten und Kinder aus Nachbarländern, Kinder, die über einen deutschen Grundwortschatz verfügen und Kinder, die kein Wort verstehen, Kinder, die ab dem ersten Schultag eines Schuljahres in der Klasse sind, und Kinder, die erst Monate später dazu kommen.

Die Lehrerinnen und Lehrer in Regelklassen stünden zudem vor einem unlösbaren Dilemma: "Sie wollen einerseits ihr Bestes tun, müssen aber gleichzeitig den Regelunterricht aufrecht erhalten - der Schulalltag geht schließlich normal weiter." Dies zu bewerkstelligen, ohne die Schüler zu vernachlässigen, sei nicht möglich, sagte Wenzel.

Viele Lehrkräfte berichteten von jungen Menschen, die unvorstellbaren Terror erlebt hätten und unter schweren Traumata leiden würden, Depressionen hätten oder vollkommen eingeschüchtert, hilflos und apathisch seien. "Die Lehrerinnen und Lehrer können angesichts dieses Leids nur begrenzt helfen. Hier müssen professionelle Kriseninterventionsteams eingesetzt und therapeutische Hilfen angeboten werden", verlangte Wenzel.

Auch die Lehrerinnen und Lehrer brauchen Unterstützung - am Beispiel der Schulmaterialien werde dies deutlich: "Die derzeit zur Verfügung stehenden Materialien werden in keiner Weise den Ansprüchen gerecht - sie müssen - und auch das wurde bereits vor zwei Jahren in der BLLV-Petition eingefordert - überarbeitet und den Erfordernissen angepasst werden", verlangte Wenzel.

Der BLLV fordert darüber hinaus die Bereitstellung zusätzlicher Budgets durch den Schulaufwandsträger zur Anschaffung erforderlicher Materialien wie Beamer, Freiarbeitsmaterial, Bildwörterbücher im Klassensatz und auch die Erhöhung des Kopier-Etats.

Wenzel zollte allen Lehrerinnen und Lehrer höchsten Respekt und Anerkennung für ihren engagierten Einsatz und versprach vollen Einsatz, um schnell konkrete Verbesserungen zu erreichen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Pressestelle Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Fax: (089) 72100155

(sy)

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