Pressemitteilung | Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

BME: Der Einkauf steht vor gewaltigen Herausforderungen

(Frankfurt am Main) - "Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung richtet sich der Einkauf in vielen Unternehmen neu aus. Von den Veränderungen betroffen sind unter anderem die globale Organisation, das Warengruppenmanagement und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Das sind aber nur einige Herausforderungen, vor denen die Procurement-Abteilungen deutscher Industrieunternehmen derzeit stehen", sagte Dr. Christoph Feldmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Dort stellte er anlässlich des 50. BME-Symposiums die aktuellen Trends im Einkauf vor:

Risk Management: Stresstest für den Einkauf
Finanzkrise, Naturkatastrophen, Währungsschwankungen: In den vergangenen Jahren hat der Einkauf die Auswirkungen vieler Krisen abfedern müssen und aus den zahlreichen Bewährungsproben gelernt. Es ist heute Aufgabe des Einkaufs, mögliche Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen und zu bewerten. Nur dann ist eine schnelle Reaktion sowohl in der Planung als auch in der Steuerung möglich. Dazu gehören ein Kataster der Risiken und der Risikoanfälligkeit sowie ein Frühwarnsystem über Entwicklungen und Ereignisse, die eine Krise auslösen können. Da der Unternehmenserfolg immer stärker von externen Faktoren abhängt, die selbst nicht beeinflusst werden können, braucht es neue Ansätze im Risikomanagement. Nur gegen Kosten- und Qualitätsrisiken gewappnet zu sein, reicht nicht mehr aus. Viele Unternehmen überarbeiten ihr Risk Management und führen hocheffiziente Notfallpläne ein. So greift beispielsweise beim Automobilzulieferer Mann+Hummel im Krisenfall ein exakt definierter Emergency-Prozess. Seit der Finanzkrise kümmert sich im Einkauf zudem eine Vollzeitkraft einzig um die Themen Bottleneck und Risk Management. Beim Hersteller von Antriebstechnik, SEW-Eurodrive, hilft eine Critical-Supplier-Watch-List, Risiken frühzeitig zu erkennen und nach Eintrittswahrscheinlichkeiten zu priorisieren.

Marktdaten allein reichen nicht
Die Volatilität der internationalen Märkte wächst stetig. Marktbeobachtung hat deshalb für den Einkauf einen hohen Stellenwert. Das allein reicht aber nicht. Die Herausforderung besteht darin, aus der Vielzahl der Daten unternehmensrelevante Informationen zu generieren. Diese müssen so gut sein, dass sie Einkauf, Produktion und Vertrieb gleichermaßen als verlässliche Entscheidungshilfe dienen können. Das ist allerdings eine immer schwerer zu lösende Aufgabe und kein Alleinstellungsmerkmal einer einzelnen Branche.

Nächste Rohstoffpreisrally nur eine Frage der Zeit
Das zu Ende gehende Rohstoffjahr 2015 steht ganz im Zeichen sinkender Preise. Egal, welches Marktsegment betrachtet wird, überall fallen die Notierungen - und das zum Teil drastisch. Börse und Industrie fragen sich nun, ob und wenn ja, wie lange die Baisse an den internationalen Rohstoffmärkten anhält. Industrielle Einkäufer sind deshalb gut beraten, ihre aktuelle Beschaffungsstrategie so auszurichten, dass sie einer möglichen Kurs-Rally standhält. Es kommt jetzt vor allem darauf an, die Unternehmen für die Bedeutung dieses Themas noch stärker zu sensibilisieren. Der BME stellt in Gesprächen mit der Wirtschaft immer wieder fest, dass noch nicht jeder Rohstoffeinkäufer über das notwendige Know-how verfügt. Nur dann kann er optimal auf aktuelle Marktentwicklungen reagieren. Zwar beherrscht die große Mehrheit das "Standard-Handwerk" und besitzt Rohstoff- und Rohstoffmarktkenntnisse. Allerdings gewinnen Rohstoffrecycling, Substitution und der Einsatz von Hedging-Instrumenten zur Preisabsicherung immer mehr an Bedeutung und fordern deshalb den Einkauf massiv heraus.

Ohne den Einkauf findet Industrie 4.0 nicht statt
Nach Ansicht des BME wird die Digitalisierung der Lieferkette die Geschäftsmodelle revolutionieren. Die Digitalisierung des Einkaufs und seine enge Vernetzung nach innen und außen bieten die Möglichkeit, innovative Erfolgsstrategien für das gesamte Unternehmen zu entwickeln. Einkauf der Zukunft bedeutet Mehrwert durch Digitalisierung und Automation der Supply Chain. Einkauf 4.0 geht damit weit über E-Procurement und E-Sourcing hinaus. Produktionsentscheidungen können sich schneller an der Nachfrage orientieren, wenn der Einkauf entsprechend mitziehen kann, zum Beispiel durch den 3D-Druck. Damit werden auch Zulieferer enger an den Einkauf angebunden. Im Idealfall lassen sich Warenbestände automatisiert und in Echtzeit abfragen und anfordern.
Industrie 4.0 fordert zudem noch stärker die strategische Beschaffung: Neue, durch Verträge abgesicherte, Allianzen und Partnerschaften werden zur Realisierung kundenspezifischer Lösungen nötig sein. Herkömmliche Erzeugnisse und Produkte werden "intelligent" und damit zu Kernkomponenten von Industrie 4.0. Die Prozesskompetenz und Marktexpertise des Einkaufs ist damit unverzichtbar zur Umsetzung des "Internets der Dinge und Dienste". Ziel ist die vollintegrierte Steuerung der Lieferkette über viele Unternehmen hinweg - je nachdem, in welche Richtung sich der Markt entwickelt, wo beste Gewinnaussichten bestehen oder die niedrigsten Kosten anfallen.
Klar ist: Einkauf und Logistik unterstützen die Digitalisierung der Wirtschaft und treiben sie voran. Denn ohne Einkauf und Supply Chain kann das Internet der Dinge nicht stattfinden. Vor diesem Hintergrund hat der BME mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML eine strategische Kooperation beschlossen. Sie sieht unter anderem eine gemeinsame Studie zum Thema "Digitalisierung des Einkaufs - Einkauf 4.0" vor. Darin werden ca. 25 CPO aus der Industrie befragt. Die Studie erscheint im 1. Quartal 2016.

Neuer Einkäufertyp gefragt
Der wachsende internationale Wettbewerbsdruck zwingt auch den Einkauf, einen konkreten Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten. Um erfolgreich zu sein, muss er aber sein Rollenverständnis kritisch überdenken und dem Unternehmen seine Beschaffungsstrategie überzeugend darlegen. Das heißt für die Mitarbeiter der Procurement-Bereiche, über den Tag hinauszudenken, die Herausforderungen für die gesamten innerbetrieblichen Prozessabläufe zu sehen sowie selbst Prozessverbesserungen anzustoßen und sich dafür einzusetzen.

Local und Global Sourcing zwei Seiten einer Medaille
Beide Beschaffungsstrategien müssen sich nicht ausschließen. Local Sourcing wird von deutschen Einkäufern zur Stärkung regionaler Netzwerke genutzt. Dort schlummert allerdings noch viel Potenzial. Kurze Wege zwischen Einkäufern und Lieferanten sorgen für enge persönliche Kontakte, schnelle Kommunikationswege, ein hohes Maß an Transparenz und geringe Transportkosten. Die sonst üblichen langwierigen und aufwendigen Lieferantenqualifikationen im Ausland entfallen. Komplizierte Lieferwege, undurchsichtige Ein- und Ausfuhrbestimmungen sowie weitere Transportrisiken gibt es beim Local Sourcing ebenfalls nicht.
Andererseits stellt auch das Global Sourcing einen enormen Hebel dar, um Geschäftspotenziale zu heben. So haben die hohen Besuchszahlen der BME-Länderveranstaltungen dieses Jahres klar gezeigt, dass der deutsche Einkauf die Standortvorteile in den attraktiven globalen Beschaffungsmärkten weiter intensiv nutzt. Dabei steht bei ihm nicht nur Asien hoch im Kurs. Vielmehr empfehlen sich auch leistungsfähige Lieferanten in Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Der BME hat auf diesen Trend mit der Gründung verschiedener Expertenkreise reagiert. Diese Fachgremien treffen sich regelmäßig zu Informationsgesprächen. Dabei loten sie die Chancen und Risiken in den internationalen Beschaffungsmärkten aus.
Im globalen Einkauf zeichnet sich mit "Go local" ein weiterer Trend ab: weg vom Low Cost Country Sourcing hin zum Best Cost Country Sourcing. Die Umwandlung des standortbezogen agierenden Einkaufs in eine globale Einkaufsorganisation ist vielerorts in vollem Gange. Und wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, wird lokal beschafft, entweder mit Lieferanten vor Ort oder mit globalen Suppliern, die ihre Fertigung in unmittelbarer Nähe zum eigenen Werk aufbauen.

Internationalisierung des BME
Der BME hat die im Verband organisierten Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager auch 2015 im Rahmen von Delegationsreisen bei ihren Auslandsaktivitäten unterstützt. In China wird der BME seine Serviceangebote deutlich ausbauen. So soll die Zahl der BME-Veranstaltungen weiter zunehmen. Neben Asien richtet der BME seinen Blick verstärkt auf die Länder Südeuropas. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Westbalkan. In Zusammenarbeit mit Bundeswirtschaftsministerium, Auswärtigem Amt und dem DIHK wird der BME im nächsten Jahr erneut eine eintägige Sourcing-Konferenz in Deutschland durchführen. Dort können Einkäufer ihre Bedarfe direkt mit leistungsfähigen Firmen aus der Balkan-Region besprechen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) Frank Rösch, Leiter, Presse und Kommunikation Bolongarostr. 82, 65929 Frankfurt am Main Telefon: (069) 30838-100, Fax: (069) 30838-199

(dw)

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