Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

BVMed-Innovationsforum Medizintechnologie: „Innovationsförderung ist gemeinsame Aufgabe von Kassen, Ärzten und Unternehmen“

(Berlin) - Die bessere Förderung und schnellere Einführung von Innovationen der Medizintechnologie in das Gesundheitssystem sind eine gemeinsame Aufgabe von Krankenkassen, Ärzteschaft und Unternehmen. Das war der Tenor des BVMed-Innovationsforums Medizintechnologie zu dem Thema „Prozess- und Produktinnovationen im Spannungsfeld zwischen Patientennutzen und Ökonomie“ am 6. September 2005 in Berlin. Voraussetzung für die Anerkennung von Innovationen seien aber Wirksamkeits- und Nutzennachweise neuer Medizintechnologien sowie eine verstärkte Versorgungsforschung.

Dr. Johannes Bruns, Abteilungsleiter beim Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), machte deutlich, dass sich die Krankenkassen verstärkt dem Thema Innovationen widmen. Er sprach sich für ein System der frühzeitigen Innovationsbegleitung gemeinsam mit der Ärzteschaft, den Kliniken und den Unternehmen aus. Das Fazit der Konferenz: „Alte Mechanismen zur Einführung von Innovationen gelten nicht mehr. Es sind neue Abläufe erforderlich, um Innovationen schnell den Patienten zur Verfügung zu stellen. Diese neuen Abläufe erfordern ein partnerschaftliches Miteinander aller Beteiligten.

Das Innovations- und Wachstumspotential der Medizintechnologie betonte der BVMed-Vorstandsvorsitzende Anton J. Schmidt in einem Grußwort. Wichtig sei es, den regulierten Markt zu entfesseln, um die Potentiale für Arbeitsplätze und Innovationsfähigkeit freizusetzen. Erforderlich sei ein intensiver Dialog mit allen Beteiligten, beispielsweise den Krankenkassen. Diesem Ziel diene das jährliche BVMed-Innovationsforum.

BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt ging auf das Delta-Finanzierungsmodell zur Finanzierung von Innovationen als optionales, zeitbefristetes Modell für bestimmte Bereiche der Medizintechnologie ein. Bei dem BVMed-Modell werden die Kosten des Basisnutzens der Innovation in Höhe der Kosten des anerkannten, herkömmlichen Verfahrens von der Krankenkasse übernommen. Der Mehrnutzen wird als „Differenzzahlung“ über eine Eigenleistung des Patienten bezahlt. „Dieser Vorschlag zur rascheren Einführung von Innovationen erhält immer mehr Unterstützung und er ist rechtlich auch umsetzbar“, so Schmitt. Er verwies dabei auf ein Informationspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu „Wahlleistungen“. Wahlleistungen seien sämtliche Leistungen von Krankenhäusern, die nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen zählen und auf die der Patient keinen Leistungsanspruch gegenüber seiner Krankenversicherung hat. Dazu gehören Unterkunft und Wahlarztbehandlung, aber auch Alternativleistungen, bei denen die Kosten höher sind als beim herkömmlichen Verfahren. Bei diesen Alternativleistungen, zu denen auch Medizintechnologien gehören können, kann das Krankenhaus gegenüber dem Patienten ein angemessenes Entgelt für die Mehrleistung erheben. „Das ist eine klassische Delta-Finanzierung, die zu unserer Zukunftsvision passt.“

Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rode vom Kompetenzzentrum Medizintechnik des Uniklinikums Aachen stellte die Studie zur Situation der Medizintechnik in Deutschland im internationalen Vergleich, ein Konsortiumsprojekt im Auftrag des Bundesforschungsministeriums, vor. Er betonte die große Bedeutung der Branche mit einem Produktionsvolumen von 14 Milliarden Euro und knapp 110.000 Beschäftigten, darunter über 6.000 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung. Die Ausgaben für Medizintechnologien in Deutschland wachsen allerdings unterdurchschnittlich. Die Prognose des jährlichen Wachstums bis 2010 ergebe für Deutschland ein Wachstum von 4,1 Prozent. Die EU-Kernländer liegen bei 5,4 Prozent, die USA bei 6,6 Prozent. Da die Erstattung der Innovationen entscheidend für den Markterfolg ist, plädierte Schmitz-Rode bei seinen Handlungsempfehlungen für „kleinere Barrieren für den Markt¬eintritt und schnellere Aktualisierung der Erstattungskataloge“. Dabei sei künftig der Nachweis von Wirksamkeit und Kosteneffizienz erforderlich. Als weitere Handlungsempfehlungen nannte die Medizintechnikstudie eine verstärkte Gründungs- und Forschungsförderung für kleinere und mittlere Unternehmen, mehr Rechtssicherheit bei der Kooperation von Ärzten mit der Industrie sowie die bessere Vernetzung von Schlüsseltechnologien und Gesundheitsforschung.

Peter Heldt, Director Public Policy der GUIDANT GmbH, präsentierte die Einführung eines High-Tech-Verfahrens am Beispiel der Kardialen Resynchronisation (CRT) zur Therapie der Herzschwäche und – in Kombination mit einem Defibrillator – zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes. Der Erfolg einer neuen Methode stelle hohe Anforderungen an die Industrie: von der Grundlagenforschung über die Produktentwicklung bis hin zu klinischer Forschung und der CE-Zertifizierung. Wichtig sei es, in Zusammenarbeit mit den Ärzten Erfahrungen aus den ersten Implantationen zu sammeln, um diese den neuen Zentren zu vermitteln. Die Markteinführung könne daher bei technisch komplexen Therapien zunächst nicht flächendeckend erfolgen. In Deutschland gebe es aber Jahre nach der kontrollierten Einführung der neuen Technologie noch immer eine große Diskrepanz zwischen dem Versorgungsanspruch und der Wirklichkeit. Knapp 90 Prozent der Patienten, die geschützt werden könnten, werden nicht versorgt.

Dr. Bernd Brüggenjürgen vom Epidemiologischen Institut der Berliner Charité stellte ein Beispiel aus der Versorgungsforschung vor: eine klinische und ökonomische Analyse einer kontrollierten Studie am Beispiel der Vermeidung von Koronar-Restenosen durch Medikament-freisetzende Stents. Die Versorgungsforschung untersucht dabei, ob die unter kontrollierten „experimentellen“ Bedingungen erhobenen Ergebnisse in der medizinischen Routine erreicht werden. Bei der kontrollierten Studie habe es eine enge Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Kliniken, Ärzten, Wissenschaft und Industrie gegeben. Das Modellprojekt, das auf 18 Monate angelegt ist, zeigte bereits nach sechs Monaten, dass die Gesamtkosten der innovativen Methode mit dem herkömmlichen Verfahren vergleichbar sind, obwohl die neue Stent¬generation höhere Initialkosten durch einen höheren Produktpreis hat. Es habe durch das innovative Produkt weniger Ereignisse bei den Patienten, eine verbesserte Lebensqualität und geringere Folgekosten gegeben. Brüggenjürgen bezeichnete die kontrollierte Langzeitstudie in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Institutionen als ein „exemplarisches Modellprojekt für Evaluation im Gesundheitssystem“. Es müsse eine realitätsnahe Kosten-Nutzen-Bewertung neuer und etablierter Technologien geben – inklusive der Patientenperspektive.

Die Nutzenbewertung von Medizintechnologien thematisierte Prof. Dr. Franz Porzsolt von der Abteilung Klinische Ökonomik des Universitätsklinikums Ulm. Ziel sei es, Medizin und Ökonomie zu verbinden. Die Übertragung der ökonomischen Theorie auf die Medizin sei dabei sehr komplex, da Mediziner, Ökonomen und die betroffenen Patienten aus völlig unterschiedlichen Perspektiven urteilen. Ein wichtiger Aspekt bei der Transparenz und Praktikabilität von ökonomischen Studien ist die gefühlte Sicherheit der Patienten, die zwar nicht unabhängig von aber bedeutender als die gemessene Sicherheit sei. Hierzu entwickelte das Ulmer Institut eine transparente Matrix zur Bewertung von Patientennutzen. Diese Bewertungsmatrix unterstütze das Vertrauen in neue Technologien. Sein Fazit: „Wir müssen Register erstellen und valide Daten sammeln. Nur so können wir Vertrauen gewinnen, damit innovative Leistungen bezahlt werden.“

Nutzenbewertung aus Patientensicht thematisierte Dr. Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Der Patientennutzen entscheidet mit über den medizinischen und wirtschaftlichen Erfolg einer Behandlung. Der Patientennutzen sei dabei zweigeteilt. Der medizinische Nutzen liege in der Beseitigung von Symptom und Ursache einer Erkrankung oder der Minderung krankheitsbedingter Schmerzen und Beeinträchtigungen. Es gebe aber auch einen ökonomischen Nutzen aus Sicht des Patienten, „denn Patienten sind immer auch Versicherte und zahlen einen Beitrag. Unnötige Ausgaben müssen daher vermieden werden“, so Etgeton. Zur Nutzenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), an dem der vzbv ohne Stimmrecht mitwirkt, gehört nicht nur die Überprüfung, was notwendig und zweckmäßig ist, sondern auch der Anspruch der Patienten auf Sicherheit der medizinischen Versorgung. Etgeton sprach in diesem Zusammenhang von einer „Kosten-Nutzen-Risiko-Bewertung“. Bei der Nutzenbewertung im GBA sollte man nach Ansicht des Patientenvertreters allerdings wegkommen von den „absoluten Ja-Nein-Entscheidungen“. Edgeton: „Wir brauchen mehr Wege der Erprobung für Innovationen, die dann aber auch nicht gleich flächendeckend eingeführt werden können.“ Eine Innovation müsste umfassend - inklusive Lebensqualität - und transparent - inklusive Studienregister – bewertet werden.

Dr. Johannes Bruns, Abteilungsleiter beim Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), stellte Anforderungen an neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizintechnologien aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar. Die Anforderungen an die GKV seien dabei vom Gesetzgeber vorgegeben: Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Die Entscheidung darüber treffen in den verschiedenen Versorgungsbereichen der GBA, das DIMDI und das InEK beim DRG-Katalog im Krankenhausbereich, der EBM-Bewertungsausschuss im niedergelassenen Bereich oder die Krankenkassen bei den Hilfsmitteln. Nach Ansicht des Kassenvertreters hat ein System dabei nur seine Berechtigung, wenn es innovativ ist. „Wenn es Belege gibt, dass Innovationen, die nachweislich wichtig sind um den Behandlungserfolg begründet zu verbessern und einem Versicherten in der GKV nicht zur Verfügung gestellt werden können, muss das System eine Lösungsmöglichkeit anbieten. Dies gilt jedoch nur für echte Innovationen.“ Bruns Fazit: „Wir brauchen ein System der frühzeitigen Innovationsbegleitung.“

Die wissenschaftliche Bewertung von nichtmedikamentösen Verfahren stellte Dr. Stefan Lange, Stellvertretender Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), vor. Wichtig für das IQWiG seien „Unabhängigkeit und Transparenz“. Die wissenschaftliche Bewertung sei von der Entscheidungsebene getrennt. Diese fachliche Unabhängigkeit sei der Garant für nicht-interessensgesteuerte Identifikation und Bewertung der Evidenz eines Verfahrens. Zu den IQWiG-Prinzipien gehöre auch eine große Transparenz. Dies koste aber auch Zeit. Dennoch werde das Institut versuchen, die Prozesse zu beschleunigen. Das Credo für gute Studien sei die Patientensicherheit. Die Ergebnissicherheit der Empfehlungen des IQWiG würde von der verfügbaren Evidenz, der Qualität der Evidenz sowie der spezifischen Indikation abhängen. Das IQWiG ist bei Medizinprodukten aufgrund der Besonderheit der Therapiemöglichkeiten in der Anwendung der Bewertungsmethoden noch ergebnisoffen. Lange machte außerdem deutlich, dass für ihn Versorgungsforschung mehr sei als unkontrollierte Beobachtungsstudien.

Hinweis an die Medien:
Digitale Bilder zur Veranstaltung können im Internet unter www.bvmed.de (Bilder - Veranstaltungen) abgerufen werden. 300-dpi-Bilder können bei der BVMed-Pressestelle (Mail an beeres@bvmed.de) angefordert werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Manfred Beeres M.A., Leiter Kommunikation/Presse Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: 030/246255-0, Telefax: 030/246255-99

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