Pressemitteilung | Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Bericht über den Lehrerarbeitsmarkt für das Schuljahr 2004/5

(Frankfurt am Main) – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Bundesländer für ihre Lehrer-Einstellungspolitik scharf kritisiert. „Die Länder haben über 8.000 Lehrkräfte weniger eingestellt, als von der Kultusministerkonferenz (KMK) errechnet, um allein den Status quo der Unterrichtsversorgung zu halten. Diese ‚Einsparung’ haben sich die Landesregierungen mit Arbeitszeitverlängerungen für alle Lehrkräfte und der Erhöhung der Klassengrößen erkauft“, erklärte GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange am Montag in Berlin. Sie warnte vor einem drohenden Lehrermangel trotz derzeitiger Lehrerarbeitslosigkeit. Die GEW-Chefin stellte den Bericht über den Lehrerarbeitsmarkt für das Schuljahr 2004/5 vor. Die AG Bildungsforschung/Bildungsplanung an der Uni Duisburg-Essen unter der Leitung des Bildungsforschers Klaus Klemm hat die Untersuchung erstellt.

Die KMK hatte bis 2015 einen Einstellungsbedarf von 371.000 Lehrkräften verkündet und mit ihrer Kampagne „Bildung – unser Ticket in die Zukunft“ für den Lehrerberuf geworben. Grund für die hohen Einstellungszahlen ist die bereits angelaufene Pensionierungswelle, in deren Verlauf etwa die Hälfte aller derzeit im Dienst befindlichen Lehrkräfte die Schulen verlassen wird. 31.000 Einstellungen wären allein in 2004/5 notwendig gewesen, um die in den Ruhestand gehenden Lehrkräfte zu ersetzen. „Die Einstellungszahlen bleiben schon im zweiten Jahr um mehrere tausend Stellen hinter der KMK-Prognose zurück. So verspielen die Länder bei zurückgehenden Schülerzahlen die Chance, zusätzliche personelle Ressourcen für qualitative Verbesserungen an den Schulen zu gewinnen. Diese brauchen wir dringend, beispielsweise für die Ganztagsschulen oder die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler “, unterstrich Stange. Sie warnte die Länder mit Blick auf den Vorstoß Berlins bei der Sprachförderung von Kindern durch Ein-Euro-Job-Lehrer davor, aufs falsche Pferd zu setzen: „Qualitätsverbesserungen an den Schulen lassen sich nicht über befristete Ein-Euro-Job-Stellen herbeiführen.“

„Die Länder steuern mit ihrer Einstellungspolitik wieder in den berühmten ‚Schweinezyklus’“, sagte die GEW-Chefin. Zurzeit stiegen die Zahlen der Lehramtsstudierenden, nicht zuletzt wegen der Werbeaktivitäten der KMK. Wenn diese Lehrkräfte ausgebildet seien, bekommen viele bei Fortschreibung der bisherigen Einstellungspraxis keine Stelle und werden sich auf dem Arbeitsmarkt umorientieren.

„Rund 35.000 Lehrkräfte, die sich für dieses Schuljahr um eine Stelle beworben haben, sind leer ausgegangen“, sagte Stange. Besonders krass sei die Bewerbersituation in Berlin: In der Hauptstadt hätten sich knapp 3.300 ausgebildete Lehrkräfte auf 250 Stellen beworben. Die GEW-Chefin machte deutlich, dass die Einstellungssituation für die Lehrkräfte nicht für alle Schularten gleich schlecht sei. An Grundschulen und Gymnasien gebe es zu viele Bewerber, an beruflichen und Hauptschulen fehlten bereits jetzt Lehrkräfte.

Bildungsforscher Klemm wies darauf hin, dass diese problematischen Signale vom Teilarbeitsmarkt Schule noch dadurch verschärft würden, dass in einigen Ländern - z.B. in Niedersachsen und im Saarland - erfolgreiche Absolventen des Lehramtsstudiums keinen Platz im Vorbereitungsdienst finden. Auf diese Weise konterkarierten die Länder ihre eigenen Prognosen und produzierten neue Unsicherheiten bei den jungen Leuten, die nach dem Abitur eine Studienwahl treffen müssen.

Klemm und Stange machten ausdrücklich auf die katastrophale Situation in den östlichen Bundesländern aufmerksam. Trotz eines durch Teilzeitstellenprogramme von den Lehrkräften selbst erwirtschafteten Einstellungskorridors hätten in allen fünf Bundesländern zusammen nur 1.050 Lehrkräfte eine Stelle bekommen. Es drohe eine ähnliche Überalterung der Lehrerkollegien wie in den westlichen Bundesländern und künftiger Lehrermangel, weil junge Menschen sich bei diesen Zukunftsaussichten gegen den Lehrerberuf entscheiden.

Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt Telefon: 069/78973-0, Telefax: 069/78973-201

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