Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Beschäftigungsschwellen: Der Jobmotor zündet erst bei 2 Prozent

(Köln) - In Deutschland müsste die Wirtschaft schon um mehr als 2 Prozent im Jahr wachsen, damit der Beschäftigungsmotor endlich anspringt. In anderen Ländern werden dagegen bei dieser Wachstumsrate schon reichlich neue Jobs geschaffen – nicht zuletzt dank niedrigerer Arbeitskosten und weniger Regelungswut.

Um den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung empirisch auszuleuchten, wird gerne auf das Konzept der Beschäftigungsschwellen zurückgegriffen. Dabei berechnen Experten, ab welchem Wirtschaftswachstum der Funke in der Vergangenheit auf die Beschäftigung übersprang:

Im Schnitt der Jahre 1995 bis 2001 wurden in Deutschland neue Arbeitsplätze erst dann geschaffen, wenn das Wirtschaftswachstum die kritische Marke von 2 Prozent übertraf.

Die Beschäftigungsschwelle liegt damit hierzulande deutlich höher als anderswo. Selbst Länder, die wie die Bundesrepublik zu den beschäftigungspolitischen Blindgängern gehören, Italien und Frankreich etwa, bringen mit weniger Wachstum zusätzliche Leute in Lohn und Brot. So steigt bei einem Wirtschaftswachstum von 2 Prozent die Beschäftigung in Frankreich immerhin um 0,5 Prozent, in den USA um 0,7 Prozent und in den Niederlanden um 1,9 Prozent.

Von Wachstumsraten, die den Jobmotor in Gang bringen, kann Deutschland ohnehin nur träumen. In den neunziger Jahren erreichte die Republik durchschnittlich 1,6 Prozent Wachstum, die Niederlande dagegen kamen auf ein Plus von 2,9 Prozent und die USA auf 3,2 Prozent.

Warum hierzulande die Latte für mehr Stellen höher liegt als anderswo, ist schnell erklärt: Der deutsche Arbeitsmarkt ist zu verkrustet – angefangen vom rigiden Kündigungsschutz bis hin zur mangelnden Flexibilität der Tarifverträge. In Deutschland werden deshalb erst dann Leute eingestellt, wenn die Konjunktur richtig in Fahrt kommt.

Noch etwas kommt hinzu: Deutsche Arbeitskräfte sind teuer. Fast 27 Euro kostet ein westdeutscher Industriearbeiter seinen Arbeitgeber pro Stunde – ähnlich hohe Löhne und Personalzusatzkosten sind nur in Norwegen und in der Schweiz anzusetzen. Bevor ein neuer Mitarbeiter die Belegschaft verstärkt, werden deshalb zunächst einmal alle Produktivitätsreserven ausgeschöpft.

Wenn der Knoten allerdings geplatzt ist, läuft es auch in Deutschland so wie bei den Nachbarn. Denn ist die Schwelle einmal überschritten, bringt jeder weitere Prozentpunkt Wachstum einen Beschäftigungsanstieg um 0,5 Punkte. Auch die USA und die Niederlande schaffen in diesem Fall kaum mehr Tempo beim Jobzuwachs (0,6 Punkte).

So jedenfalls war es in den vergangenen Jahren. Das Konzept der Beschäftigungsschwellen schreibt diesen Trend einfach fort – und behauptet, so wird es auch in Zukunft laufen. Eine solche Sicht der Dinge ist jedoch zu einfach. Aus der Vergangenheit darf nicht ohne weiteres auf zukünftige Trends geschlossen werden.

Letztlich ist es eine starke Vereinfachung, die Beschäftigungsentwicklung allein auf die aktuelle Konjunktur zurückzuführen. Das macht auch die Gegenprobe deutlich: Wachstumsraten unter den besagten 2 Prozent müssen nicht bedeuten, dass Arbeitsplätze sofort abgebaut werden. So ist das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2001 zwar nur noch um 0,6 Prozent gewachsen – trotzdem legte die Beschäftigung ein wenig zu.

Wenn es nach dem Konzept der Beschäftigungsschwellen gegangen wäre, hätte unter 2 Prozent aber ein massiver Stellenabbau einsetzen müssen. Das ist jedoch erst 2002 passiert. Für Deutschland von entscheidender Bedeutung ist nämlich, ob eine konjunkturelle Schwächephase über längere Zeit anhält: Erst bei zwei flauen Jahren nacheinander kommt es zu einem deutlichen Abbau der Beschäftigung. Das ist gut nachvollziehbar. Denn viele Betriebe arbeiten inzwischen mit Arbeitszeitkonten. Diese werden in guten Zeiten mit Überstunden gefüllt, die in schlechten Zeiten, wenn die Aufträge wegbrechen, abgebaut werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln Telefon: 0221/49811, Telefax: 0221/4981592

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