Pressemitteilung | ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

Bildung und die Rolle des Staates / Erstes Buch der CESifo Book Series bei MIT Press erschienen

(München) - Warum finanziert der Staat nahezu überall auf der Welt die allgemeinbildenden Schulen? Warum schreibt er den Schulen die Lehrpläne vor? Beeinträchtigt oder befördert die staatliche Organisation des Schulwesens das Wirtschaftswachstum? Nützt das flächendeckende staatliche Schulangebot talentierten Kindern aus ärmeren Familien im Hinblick auf ihre gesellschaftlichen Aufstiegschancen?

Diesen, vor dem Hintergrund der PISA-Studien erneut aktuell gewordenen Fragen gehen Mark Gradstein, Moshe Justman und Volker Meier aus dem CESifo-Netzwerk in ihrem Buch "The Political Eco-nomy of Education" nach. Sie erklären die Wahl der Schulorganisation als Ergebnis einer demokratischen Willensbildung und diskutieren Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsorganisation und der Bereitstellung von Bildung.

Geht es nach dem Willen der Wählermehrheit, wird die Schulausbildung staatlich und nicht privat finanziert. Im Rahmen der Steuerfinanzierung wird dann eine Mehrheit ärmerer Familien durch eine Minderheit reicherer Familien subventioniert. Staatlich bereitgestellte Bildung verringert die Einkommensungleichheit, und talentierten Kindern aus armen Familien wird der gesellschaftliche Aufstieg erleichtert. Dieser Mechanismus kann besonders in Entwicklungsländern ein wichtiger Motor für ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum sein.

Beobachtungen in den USA zeigen indes, dass ein öffentliches Schulsystem Einkommensungleichheiten durchaus verfestigen kann. Dort werden staatliche Schulen auf kommunaler Ebene finanziert mit der Folge, dass Schulen in bevorzugten Wohnlagen ein deutlich besseres Angebot bieten als Schulen in ärmeren Gemeinden. Die Unterschiede in der Schulqualität werden verstärkt durch die Unterschiede in der Zusammensetzung der Schulklassen. Reichere Eltern fördern ihre Kinder stärker, was wiederum deren Mitschülern beim Lernen hilft. Kinder aus ärmeren Familien können davon nicht profitieren, da sich ihre Eltern keine Wohnung in der Umgebung einer von wohlhabenden Eltern bevorzugten Schule leisten können. Neben staatlichen Transfers an ärmere Kommunen versucht man diesem Problem durch die Ausgabe von Bildungsgutscheinen zu begegnen, die zur Bezahlung des Schulgelds in Privatschulen verwendet werden können. Hier ist es gerade die Förderung der Privatschulen, die ärmeren Familien bessere Chancen für ihre Kinder eröffnet. Durch die Sammlung der talentiertesten Kinder aus ärmeren Familien in einer geförderten Privatschule kann der Qualitätsnachteil gegenüber den besten staatlichen Schulen ausgeglichen werden.

Die wichtigste Funktion der staatlichen Kontrolle des Lehrangebots sehen die CESifo-Forscher in der Formung einer nationalen Identität und der Integration von Einwanderern. Ein national einheitlicher Lehrplan ermöglicht den Erhalt einer kulturellen Homogenität in einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft. Auf diese Weise wird politischen Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen in einem größeren staatlichen Gebilde vorgebeugt und ein stärkeres Wirtschaftswachstum ermöglicht. Dabei wird die kulturelle Entfremdung der Einwandererkinder von ihren Eltern in Kauf genommen. Diese im Hinblick auf den Zusammenhalt des Landes historisch sehr erfolgreiche Politik der europäischen Nationalstaaten und der USA findet heute ihre Nachahmer in vielen Entwicklungsländern.

Mark Gradstein, Moshe Justman (beide von der Ben Gurion Universität) und Volker Meier (ifo Institut) haben diese Themen in ihrem Buch "The Political Economy of Education" einer eingehenden Analyse unterzogen. "The Political Economy of Education" ist das erste Buch der CESifo Book Series, die bei MIT Press erscheint. Die Reihe hat zum Ziel, aktuelle Themen umfassend und theoretisch fundiert zu diskutieren. Dazu arbeiten Mitarbeiter des ifo Instituts mit international ausgewiesenen Wissenschaftlern des CESifo Netzwerks in sogenannten Tandem-Buchprojekten zusammen. Die Tandem-Projekte werden nach mehreren Workshops am ifo Institut und einem anonymen Gutachterverfahren bei MIT Press veröffentlicht.

Im Rahmen der CESifo Book Series werden 2005 weitere Bücher folgen, die sich u.a. mit dem Wohlfahrtsstaat und speziell den Alterssicherungssystemen, der Europäischen Zentralbank und Finanzkrisen beschäftigen.

Experte: Dr. Volker Meier, Tel.: 089 9224-1371, mailto:meier@ifo.de
Weitere Informationen unter http://www.cesifo.de/~cesifo/mit_book_series.htm

Quelle und Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Annette Marquardt, Dr. Marga Jennewein, Pressestelle Poschingerstr. 5, 81679 München Telefon: 089/92240, Telefax: 089/985369

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