Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

DIW Berlin stellt Sommer-Grundlinien 2002/2003 vor

(Berlin) - Die weltweite Konjunkturbelebung hat nun auch auf Deutschland übergegriffen. Der Aufschwung dürfte sich jedoch erst in den nächsten Monaten entfalten. Wegen der schwachen ersten Quartale wird das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr nur um 0,6 Prozent steigen. Für die Konjunkturaussichten im kommenden Jahr ist Skepsis angebracht. Wesentlich ausgeprägter als für den Euroraum insgesamt zeigen sich in Deutschland Hindernisse für eine ungebrochene Fortsetzung des Aufschwungs.

Das DIW Berlin geht in seiner aktuellen Konjunkturprognose, den Sommer-Grundlinien 2002/2003, davon aus, dass sich das Expansionstempo bereits in der ersten Jahreshälfte 2003 verlangsamt und das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt um 2,0 Prozent wachsen wird. Die ostdeutsche Wirtschaft wächst nur um 0,5 Prozent in diesem und um 1¾ Prozent im kommenden Jahr. Die Wachstumsrate wird erneut niedriger als in Westdeutschland sein.

Ausgelöst wurden die konjunkturellen Impulse durch den massiven Expansionskurs der Wirtschaftspolitik in den USA, deren positive Effekte sich angesichts der außergewöhnlichen Belastungen des 11. September bemerkenswert zügig einstellten. Bei der engen Verflechtung übertragen sich diese Anstöße weltweit rasch. Die Chancen für einen nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung in den USA stehen gut, denn im späteren Jahresverlauf werden auch die Investitionen wieder zulegen. Im Zuge des Aufschwungs dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen, nachdem sie binnen kurzer Zeit um 2 Prozentpunkte gestiegen war. Die gesamtwirtschaftliche Expansion wird in den USA 2,8 Prozent in diesem und 3,3 Prozent im nächsten Jahr betragen.

In Deutschland sollten sich die Auftriebskräfte im weiteren Verlauf dieses Jahres verstärkt durchsetzen. Vom Sommer an dürfte sich die Lockerung der Geldpolitik im Vorjahr sowohl bei den Investitionen als auch bei den Exporten in die übrigen EWU-Länder positiv bemerkbar machen. Der private Konsum wird wohl, bei höheren Tarifabschlüssen und geringem Preisanstieg, etwas stärker expandieren. Wegen des niedrigen Niveaus zu Jahresbeginn errechnet sich im Jahresdurchschnitt allerdings nur ein Zuwachs von 0,1 Prozent. Nach dem Abklingen des Ölpreisschocks ist die Inflationsentwicklung - wie erwartet - ausgesprochen moderat gewesen. Hieran ändern auch die jüngsten Tarifabschlüsse nichts.

Das DIW Berlin betont in seinen Sommer-Grundlinien, dass sich ein „Teuro-Effekt“ statistisch nicht nachweisen lässt. Die Arbeitslosigkeit dürfte zunächst auf hohem Niveau verharren und zum Jahresende hin sinken. Im Jahresdurchschnitt ist mit einem Anstieg um 150 000 auf etwa 4,2 Mill. Personen zu rechnen. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im weiteren Verlauf diesen Jahres im Gefolge der konjunkturellen Aufwärtsentwicklung steigen. Im Jahresdurchschnitt werden allerdings rund 100 000 Personen weniger erwerbstätig sein als noch 2001 (- 0,3 Prozent).

Im kommenden Jahr ist der Aufschwung schon wieder zu Ende. Die Dynamik wird schwach, da der Euro aufwertet und es deshalb zu keinem Exportboom für deutsche Waren und Dienstleistungen kommen dürfte. Nach einem Anstieg von 3 Prozent in diesem Jahr, werden sie im Jahre 2003 um 7,2 Prozent zunehmen. Wohl ebenso bedeutsam ist der angekündigte finanzpolitische Konsolidierungskurs der Bundesregierung. Werden die Zusagen an die EU-Kommission – wovon hier ausgegangen wird – eingehalten, dann ist mit erheblichen Restriktionswirkungen in Höhe von etwa einem halben Prozentpunkt zu rechnen, die zusammen mit den übrigen Belastungen zu einer merklichen Verlangsamung des Expansionstempos führen dürften. Damit bleiben nicht nur die Arbeitsmarktprobleme ungelöst; unter den gegebenen Umständen dürfte sich damit auch die Hoffnung auf einen kräftigen Konjunkturaufschwung im Jahre 2004, der für die Erreichung der Konsolidierungsziele bei den öffentlichen Haushalten unerlässlich ist, als trügerisch erweisen.

Die Erwerbstätigkeit wird im nächsten Jahr im Jahresdurchschnitt um etwa 150 000 Personen (0,4 Prozent) zunehmen. Im späteren Jahresverlauf 2003 wird die Beschäftigungsausweitung nahezu zum Stillstand kommen. Die Arbeitslosigkeit wird im Durchschnitt des kommenden Jahres spürbar, um knapp 100 000 Personen, sinken.

Das deutsche Staatsdefizit dürfte in diesem Jahr mit 53 Mrd. Euro nur wenig niedriger ausfallen als im Vorjahr; bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt beträgt es 2,5 Prozent. Die Einnahmen des Staates werden in diesem Jahr um 3,2 Prozent expandieren. Dabei dürften die Steuereinnahmen - nach dem kräftigen Rückgang im Jahre 2001 - um 3,6 Prozent zulegen. Bei den Staatsausgaben wird für 2002 ein Plus von 2,6 Prozent erwartet, wobei die Ausgaben der Sozialversicherung wohl etwas stärker als die der Gebietskörperschaften steigen dürften. Dies liegt vor allem daran, dass die öffentlichen Investitionsausgaben neuerlich stark gedrosselt werden (-6 Prozent). Im kommenden Jahr ist - auf ohnehin flachem Ausgabenpfad - mit einer weiteren Abschwächung des Ausgabenanstiegs zu rechnen; in der vorliegenden Prognose ergibt sich ein Zuwachs von 1,4 Prozent. Diese Entwicklung liegt noch über dem Durchschnittswert, auf den sich der Bund (einschließlich Sozialversicherungen) auf der einen sowie die Länder (einschließlich Gemeinden) auf der anderen Seite im Finanzplanungsrat geeinigt haben. Die Staatseinnahmen dürften 2003 beschleunigt zunehmen (3,6 Prozent), vor allem weil das Steueraufkommen um 4,3 Prozent höher ausfallen wird. Mit der konjunkturellen Erholung werden insbesondere die Einkommen- und Gewinnsteuern wieder kräftiger sprudeln. Alles in allem kann für 2003 mit einem erheblichen Rückgang der öffentlichen Defizite von 53 Mrd. Euro auf 32 Mrd. Euro gerechnet werden. Die Defizitquote dürfte - folgt man den Annahmen der Prognose - auf 1,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts sinken.

Das DIW Berlin begrüßt den geldpolitischen Expansionskurs der Europäischen Zentralbank (EZB). Gleichzeitig warnt es vor einer geldpolitische Straffung zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Dies wäre fatal, würde der Aufschwung doch viel zu rasch gebremst. Ohnehin werden die monetären Rahmenbedingungen restriktiver, da eine merkliche Aufwertung des Euro eingesetzt hat.

Die jüngsten Lohnabschlüsse sind nach Ansicht des DIW Berlin angemessen. In diesem wie im kommenden Jahr ist mit einem gesamtwirtschaftlichen Anstieg der Effektivlöhne von gut 2½ Prozent zu rechnen. Dabei ist berücksichtigt, dass die Lohnnebenkosten um etwa 0,5 Prozentpunkte steigen und daher die Lohnerhöhungen entsprechend geringer ausfallen müssen. Die im Vergleich zu den Vorjahren etwas höheren Abschlüsse werden die Binnennachfrage etwas stärken. Hinzu kommt, dass die lange Laufzeit den Unternehmen eine relativ hohe Planungssicherheit ermöglicht und die Lohnentwicklung verstetigt; auch dies sollte sich positiv auswirken.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5 14195 Berlin Telefon: 030/897890 Telefax: 030/89789200

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