Pressemitteilung | ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

Das Wettbewerbsrätsel

(München) - Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, und dennoch ist von diesem Boom in Deutschland nicht viel zu spüren. Das Wachstum liegt in diesem Jahr bei mageren 1,8 Prozent, und im nächsten Jahr werden nur 1,5 Prozent erwartet. Der Konsum und insbesondere die Investitionen bleiben schwach. Dem Konjunkturaufschwung fehlt die Dynamik der früheren Aufschwünge.

Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Wettbewerbsrätsel, denn trotz starker Exporte bleibt das Wachstum gering, und der Arbeitsmarkt erholt sich nicht. Die Lösung dieses Rätsels liegt in der These von der Basar-Ökonomie. Der in allen entwickelten Ländern zu beobachtende Prozess der Verlagerung industrieller Wertschöpfung in Niedriglohnländer verläuft in Deutschland ungewöhnlich schnell, ja aus volkswirtschaftlicher Sicht sogar zu schnell. Die Industriebeschäftigung geht nämlich zurück, ohne dass im Dienstleistungsgewerbe genügend Arbeitsplätze zur Aufnahme der freigesetzten Menschen entstehen. Ein Prozess, der im Prinzip als Kennzeichen einer Verbesserung der internationalen Arbeitsteilung begrüßt werden kann, ist in Deutschland maßlos überzogen. So gingen zwischen 1995 und 2003 nicht weniger als 1,9 Mrd. Arbeitsstunden im verarbeitenden Gewerbe (ohne Bau) verloren, doch lediglich 290 Mio. Stunden entstanden in diesem Zeitraum im Dienstleistungssektor. Netto lag der Verlust also bei 1,61 Mrd. Stunden. Arbeit wanderte nicht von der Industrie in den Dienstleistungssektor, sondern zum Sozialstaat. Verantwortlich hierfür ist im Wesentlichen die Starrheit der Löhne für einfache Arbeit, die selbst wiederum auf das Tarifrecht und die Lohnkonkurrenz des Sozialstaates zurückzuführen ist.

Konjunkturell zeigt sich diese Entwicklung darin, dass der Konsum von der Exportkonjunktur entkoppelt wird, und ebenso die Investitionen. Wenn investiert wird, so wird zunehmend eine Investition in den Niedriglohnländern vor der deutschen Haustür erwogen. Der hohe deutsche Exportüberschuss ist zugleich ein hoher Kapitalexport und damit ein hoher Export von Arbeitsplätzen in andere Länder.

Die deutschen Unternehmen bleiben durch Outsourcing und Offshoring stark. Dank der Mischkalkulation der Lohnkosten mit ihren ausländischen Standorten können sie überleben und Exporterfolge feiern, doch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer wird immer mehr beeinträchtigt. Nur weitere mutige Reformen am Arbeitsmarkt, die vom Tarifrecht über den Kündigungsschutz bis zum Lohnersatzsystem des Sozialstaates reichen und vom ifo Institut an anderer Stelle beschrieben wurden, bieten die Lösung für diese Probleme.

Quelle und Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Poschingerstr. 5, 81679 München Telefon: 089/92240, Telefax: 089/985369

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