Pressemitteilung | Germanwatch e.V.

Debatte um Emissionshandel: Deutsche Wirtschaft will sich von selbstgesteckten Klimaschutz-Zielen verabschieden

(Berlin) - Die deutsche Industrie steht nicht mehr zu ihren Klimaschutzzielen, die sie in freiwilligen Selbstverpflichtungen der deutschen Gesellschaft gemacht hat. Am 29. januar waren die Verhandlungsführer der Industrie nicht bereit, in dem hochrangigen Staatssekretärs-Treffen über die Pläne des Umweltministeriums zum Emissionshandel zu reden. Das BMU erwartet, dass die Industrie im Rahmen des Emissionshandels leistet, was sie in ihrer Klima-Selbstverpflichtung versprochen hat: Für die Jahre bis 2012 steht demnach noch eine Treibhausgas-Reduktion von 7 bis 7,9 Prozent aus. Die Industrie will dagegen jetzt das Recht ertrotzen, ihre Emissionen bis 2012 sogar wieder zu steigern (Siehe auch Hintergrundinfos unten).

"Jeder weiß, dass ein Emissionshandel nur funktionieren kann, wenn es zu einer Begrenzung der zugestandenen Menge und nicht zu einem "business as usual" kommt. Mit solch einer Position erneuert die deutsche Wirtschaft ihre gerade überwundene Fundamentalopposition gegen das Instrument Emissionshandel," kommentiert Germanwatch-Klimaexperte Bals. "Was die Industrie an Klimaschutz nicht leistet, müssten dann vor allem die Verbraucher - beim Heizen und Autofahren - einsparen. Klimaschutz für die Kleinen, Klimafreibrief für die Großen scheint zum Slogan der Industrie zu werden. Das ist unakzetabel."

Jahrelang hat die deutsche Industrie und Energiewirtschaft beteuert, zu ihren Klimaschutzzielen zu stehen. Dafür hatte sie von der Politik sowohl Ausnahmeregelungen von der Ökosteuer sowie den Verzicht auf eine Wärmenutzungsverordnung zugestanden bekommen. Doch jetzt wollen die Verhandlungsführer der deutschen Wirtschaft von diesen Zielen nichts mehr wissen. "Dies ist eine Nicht-Verlässlichkeitserklärung der deutschen Wirtschaft. Wer verhandelt noch mit der Wirtschaft Konzepte, wenn diese sich nach Belieben davon verabschiedet?", so Bals. In der Arbeitsgemeinschaft Emissionshandel hatten in den vergangenen zwei Jahren die meisten Vertreter der Industrie der Position zugestimmt, die Reduktionszusage der Selbstverpflichtungserklärung zur Grundlage des Allokationsplans zu machen.

Wie bei der Debatte um die EU-Direktive zum Emissionshandel im Jahr 2002 wollen auch jetzt einige Unternehmen den BDI wieder auf den Kurs einer Fundamentalopposition einschwören. Andere Unternehmen zeigen sich verblüfft, wie weit die Pläne des Umweltministeriums den Vorstellungen der Industrie entgegenkommen.

* Es wird von der Industrie und Elekrizitätswirtschaft nicht mehr an Treibhausgas-Reduktionen verlangt, als diese selbst in ihren Selbstverpflichtungen ausgehandelt hatte. Für den politisch verordneten Ausstieg aus der Atomenergie soll die Elektrizitätswirtschaft ensprechende zusätzliche Mengen CO2 zugestanden bekommen. Dabei wird von dem sogenannten "Drittelmix" beim Ersatz der Kernkraftwerke ausgegangen. Allerdings schrumpft diese Menge, weil von ihr die CO2-Reduzierung durch Steigerungen der Kapazitätsauslastung der verbleibenden Atomkraftwerke sowie für den gesetzlich beschlossenen Ausbau der Erneuerbaren Energien abgezogen wird.

* Die deutsche Industrie erhält ihre Grundausstattung an Zertifikaten alle umsonst und muss nicht - wie es etwa die dänische Regierung plant - einen Teil der Zertifikate ersteigern.

Quelle und Kontaktadresse:
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