Pressemitteilung | ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

Deutsche Trinkwasserversorgung: Mehr Effizienz

(München) - Das deutsche System der Trinkwasserversorgung ist durch eine atomistische Versorgungsstruktur geprägt. Die kommunalen Unternehmen werden dabei häufig mit dem Vorwurf der zu geringen Versorgungseffizienz konfrontiert: Als Anhaltspunkt dienen Kritikern fast immer die hohen Trinkwasserpreise in Deutschland. Eine Verbesserung der Effizienz ist nach Auffassung des Münchner ifo Instituts im Rahmen der aktuellen gesetzlichen Möglichkeiten vor allem durch Konzentrationsprozesse und einer Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen zu erreichen. Das nicht wettbewerbsfähige Versorgungsnetz muss jedoch, ebenso wie die Aufsicht über die Versorgung selbst, in den Händen der Kommunen bzw. des Staates verbleiben. Nur so kann langfristig ein Verschleiß der wertvollen Anlagen der Wasserversorgung verhindert werden. Zu diesen Ergebnissen kommt Matthias Egerer in einer umfangreichen Studie, in der er sich mit dem deutschen Trinkwassermarkt und seiner Weiterentwicklung intensiv auseinandersetzt und dabei auch die Strukturen in anderen Ländern als Alternativen beleuchtet.

Die Stärken des deutschen Versorgungssystems, das die monopolistischen Versorger nicht von außen reguliert und kontrolliert, sondern den staatlichen Einfluss durch Eigentumsrechte und die Beteiligung der Kommunen an den Betrieben ausübt, sieht Egerer in der Versorgungssicherheit und der international auf höchstem Niveau liegenden Trinkwasserqualität. Zudem sind Rohrleitungsverluste sehr niedrig. Dies rechtfertigt zum Teil auch die hohen Preise.

Egerer stellt dar, dass seit einigen Jahren die alten Strukturen bröckeln: Mehr und mehr kommunale Versorger werden in private Rechtsformen übertragen oder teilprivatisiert. Hauptgrund hierfür ist in vielen Fällen der notwendige Investitionsbedarf in den Erhalt der Rohrleitungen, der die finanziellen Möglichkeiten vieler Kommunen übersteigt. Einigen Kritikern genügt diese Form der Modernisierung der Trinkwasserversorgung nicht. Sie fordern grundlegende Veränderungen der Rahmenbedingungen, entweder in Form eines Wettbewerbes um den Markt durch verbindliche Ausschreibungen der Versorgungsgebiete oder Wettbewerb im Markt durch die gemeinsame Netznutzung mehrerer Versorger, analog zur Elektrizitätswirtschaft. "Diese Vorschläge sind nicht zu empfehlen", warnt ifo-Forscher Egerer mit Blick auf europäische Nachbarn.

Das englische System, in dem die Versorgungsunternehmen im Jahr 1989 privatisiert wurden, zeigt deutlich das Hauptproblem einer vollständigen Privatisierung von Versorgungsunternehmen. Private Unternehmen verfügen über sehr geringe Anreize das Versorgungsnetz über das aus ihrer Sicht optimale Niveau hinaus zu erhalten. Neben einer Vernichtung von Anlagevermögen sind damit auch gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine Verschwendung von Wasserressourcen verbunden. Das von den Unternehmen gewählte Niveau der Rohrleitungsverluste stimmt nicht mit dem gesamtgesellschaftlich optimalen Niveau überein. "Die Anlagen werden auf Verschleiß gefahren und somit gesellschaftliches Kapital vernichtet", erklärt Egerer. Wie die Erfahrungen in England und Wales zeigen, gelingt es auch einer Regulierungsbehörde kaum, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Nachdem die Regulierungsbehörde strengere Preisobergrenzen beschlossen hatte, begannen erste Versorger zu überlegen, den unlukrativen Bereich des Erhalts der Netzinfrastruktur in genossenschaftlich organisierte, kreditfinanzierte Einheiten zu übertragen. Die Unternehmen wollen sich damit auf den gewinnbringenden Bereich des Betreibens der Anlagen beschränken. Bisher herrscht hierzu eine ablehnende Haltung der Regulierer.

Privatisierung macht allgemein nur dann Sinn, wenn man anschließend Konkurrenz herstellen kann. Dies funktioniert jedoch nicht mit den Rohrleitungen, da das Versorgungsnetz ein natürliches Monopol ist. Aus Egerers Sicht gehört es in die Hand des Staates, will man eine Benachteiligung der Verbraucher verhindern.

Wettbewerb im Markt, d.h. Wettbewerb mit dem Wasser in den Rohrleitungen, ist aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten und Risiken der gemeinsamen Netznutzung in der Realität kaum durchführbar. Im Gegensatz zu Strom ist Wasser ein sehr heterogenes Gut, das nicht problemlos gemischt werden kann.
Selbst wenn man das Risiko einer Mischung unterschiedlicher Wässer einginge, würde der bürokratische Aufwand der notwendigen Einzelfalllösungen den Nutzen derartiger Maßnahmen übersteigen.

Wettbewerb um den Markt ist theoretisch eine sehr gute Möglichkeit die Effizienz der Versorgung zu erhöhen. Die zeitlich befristete Ausschreibung eines Versorgungsgebiets sorgt für Wettbewerb zwischen den einzelnen Versorgern. Das Unternehmen, das das beste Preis-Leistungs-Paket abgibt erhält den Zuschlag. In der Realität zeigt das Verfahren jedoch einige Fallstricke, die die Kommunen und damit die Bevölkerung schnell zum Verlierer einer Ausschreibung werden lassen. Der Markt in Frankreich beispielsweise wird im Wesentlichen von drei Unternehmen dominiert, die ein starkes Oligopol aufbauen konnten. Die Unternehmen sind darüber hinaus in hohem Maße vertikal integriert, sodass auch auf der Großhandelsstufe kein Wettbewerb zustande kommen kann. Um tatsächlich eine effiziente Versorgung zu gewährleisten, müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden, den privaten Unternehmen als gleichwerte Verhandlungspartner gegenübertreten zu können. Wichtig ist hierbei die Vorgabe standardisierter Verträge, die eine Übervorteilung der Unternehmen verhindern. In Frankreich funktioniert dies, auch im Bezug auf die Wasserqualität, nur sehr eingeschränkt.

Die Niederlande haben gezeigt, dass es auch ohne eine Privatisierung der Unternehmen möglich ist, die Effizienz der Versorgung zu erhöhen. Ausschlaggebend hierfür waren enorme Konzentrationsprozesse, hin zu einer optimalen Unternehmensgröße. Die Versorgung übernehmen öffentliche Aktiengesellschaften, die eine gesetzlich festgelegte Mindestgröße aufweisen müssen.

"Das deutsche System ist grundsätzlich gut, aber es muss effizienter gestaltet werden", so Egerer.

Quelle und Kontaktadresse:
ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Annette Marquardt, Pressesprecher Poschingerstr. 5, 81679 München Telefon: (089) 92240, Telefax: (089) 985369

(sk)

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