Pressemitteilung | Deutscher Hochschulverband (DHV)

Deutscher Hochschulverband will größere Freiräume für die Universitäten

(Halle/Bonn) - Deutlich mehr Freiräume für die Universitäten hat der Deutsche Hochschulverband eingefordert und Maßnahmen vorgeschlagen, um diesem Ziel näher zu kommen. „Es ist einer der größten Widersprüche der Bildungspolitik, dass der Staat zwar ständig mehr Wettbewerb und autonomes Handeln von den Universitäten verlangt, gleichzeitig aber kaum bereit ist, die Hochschulen in die Freiheit zu entlassen“, sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Dr. Hartmut Schiedermair, auf dem 53. Hochschulverbandstag in Halle, der das Thema „Autonomie – Welche Freiheit braucht die Universität?“ diskutierte. „Die Universitätsprofessoren fordern die Politik dazu auf, den unverbindlichen Autonomieversprechungen ihrer Sonntagsreden ein Ende zu machen und stattdessen den Universitäten endlich Raum für eine größere Selbständigkeit zu geben“, erklärte der Präsident des Verbandes.

Autonomie im Wettbewerb um die besten Köpfe

Schiedermair forderte mehr Freiheit im Wettbewerb um die besten Köpfe an den Universitäten: „Wissenschaftliche Exzellenz wird nicht von der anonymen Institution ‚Universität’ hervorgebracht, sondern erst die wissenschaftliche Arbeit exzellenter Hochschullehrer verschafft einer Hochschule einen guten Ruf.“ Der Deutsche Hochschulverband verlange daher für die Universitäten das Recht, ihre Professoren selbst und ohne Mitwirkung des Ministeriums zu berufen.

Der Wettbewerb um die besten Köpfe müsse von den Universitäten in gleicher Weise um die besten Studierenden geführt werden. Daher begrüße der Deutsche Hochschulverband die jüngste Entscheidung der Kultusministerkonferenz, wonach die Universitäten künftig ihre Studierenden stärker selbst auswählen dürfen – ein Recht, das der Verband bereits vor 1992 gefordert hatte. Gleichzeitig appellierte Schiedermair an die Universitätsprofessoren, von der neuen Freiheit auch Gebrauch zu machen. Wichtig sei es, dass der Gesetzgeber den Universitäten und Fakultäten die Kriterien der Auswahl und das Auswahlverfahren nicht vorschreibe. Es könnten schon aus Kapazitätsgründen nicht überall persönliche Aufnahmegespräche geführt werden. Auch seien die Wechselwirkungen mit den Anstrengungen einiger Länder, die Aussagekraft des Abiturs zu erhöhen, zu berücksichtigen. Nur ein sinnvoll angewandtes Auswahlverfahren stärke den Wert des Abiturs.

Stiftungsuniversitäten

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes begrüßte die in einigen Ländern schon konkret gewordenen Überlegungen, den körperschaftlichen Charakter der Universität durch neue Rechtsformen zu stärken. Schiedermair wies in diesem Zusammenhang auf das niedersächsische Modell einer Stiftungsuniversität hin. Zwar sei in der konkreten Ausgestaltung im Einzelnen vieles zu kritisieren – insbesondere der immer noch viel zu große staatliche Einfluss. Dennoch seien die größere Selbständigkeit der Stiftungsuniversität sowie die ihr grundsätzlich eingeräumte Möglichkeit, über ihr eigenes Vermögen selbst zu verfügen und Professoren in eigener Verantwortung zu berufen, zu begrüßen. Deshalb messe der Deutsche Hochschulverband dem niedersächsischen Modell durchaus Bedeutung zu.

Satzungsautonomie der Universitäten

Große Autonomiereserven sieht der Deutsche Hochschulverband in einer „Renaissance des Satzungsrechts“. Ein großer Teil der Landesgesetze führe die Universität nur am Gängelband. „Warum muss man per Gesetz bestimmen, wann das Semester zu beginnen hat?“, fragte Schiedermair. Die von den Universitäten zu beschließende Grundordnung müsse wieder zu einer zentralen Rechtsgrundlage für die Verfassung der Universität werden. In ihr sei zum Beispiel auch zu regeln, ob sich die Universität eine Rektoratsverfassung oder eine Präsidialverfassung, eine monokratische oder eine kollegiale Leitung gebe.

Personalabbau in den Ministerien

Erhebliche Autonomiegewinne seien im Weiteren durch einen Personalabbau in den Ministerien zu erwarten. „Die Flut von Erlassen und Einzelfallregelungen, die sich täglich über die deutsche Universität ergießt, kann man nur durch den Personalabbau in der Ministerialbürokratie eindämmen“, erklärte Schiedermair. Wichtige Aufgaben, die bislang von den Ministerien wahrgenommen würden, wie zum Beispiel die Berufung von Professoren, müssten in die Universität verlagert werden. Dies müsse aber auch zu einer Umschichtung der Verwaltungsstellen zugunsten der Universität führen.

Finanzautonomie – Vorschlag einer Kommission zur Bedarfsermittlung

Schiedermair schlug zur künftigen Finanzierung der Universitäten die Bildung unabhängiger Kommissionen nach dem Vorbild der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor. Das jetzige System habe sich nicht bewährt. Es habe den Universitäten eine nun schon Jahrzehnte dauernde Unterfinanzierung beschert.

Nach Auffassung des Verbandes soll in jedem Bundesland eine unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Hochschulen eingerichtet werden. Dieser Kommission sollen unabhängige Sachverständige angehören. Die Sachverständigen würden vom Ministerium im Einvernehmen mit der Landesrektorenkonferenz auf fünf Jahre bestellt. Die Kommission ermittle den Finanzbedarf der Hochschulen und unterbreite rechtzeitig vor jedem Haushaltsjahr der Landesregierung einen Vorschlag über die den Universitäten und Fachhochschulen zur Verfügung zu stellenden Mittel. Die Landesregierung prüfe den Vorschlag und könne von ihm ganz oder teilweise abweichen. Abweichungen seien allerdings in einem Bericht zu begründen, der den Hochschulen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sei. Dieses Modell habe unter anderem den Vorteil, daß die finanzielle Verantwortlichkeit des Staates für die Universitäten deutlicher würde. Auch die autonome Hochschule bleibe finanziell vom Staat abhängig. Je autonomer die Hochschulen aber würden, desto größer sei auch die Neigung des Staates, sich seiner finanziellen Verantwortung zu entziehen. Dem sei durch eine unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Hochschulen rechtzeitig entgegenzuwirken.

Globalhaushalte und Qualitätspakte

Die an vielen Universitäten eingeführten Globalhaushalte begrüße der Deutsche Hochschulverband. Gleichzeitig übte Schiedermair Kritik an den sogenannten Qualitäts- oder Hochschulpakten. Sie gaukelten den Hochschulen die versprochene Autonomie lediglich vor. Zumeist halte sich der Staat in diesen Vereinbarungen ein Schlupfloch offen oder breche relativ ungeniert mühsam ausgehandelte Verträge. „Der Staat will von der Universität Hochleistungen in Forschung und Lehre sowie in der Ausbildung der Studierenden. Die Universität braucht dafür einen Freund und Förderer, zumindest aber einen verlässlichen Partner“, so Schiedermair.

Der Deutsche Hochschulverband ist die bundesweite Berufsvertretung der deutschen Universitätsprofessoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses mit über 18.500 Mitgliedern.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Hochschulverband (DHV) Rheinallee 18, 53173 Bonn Telefon: 0228/9026666, Telefax: 0228/9026680

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