Pressemitteilung | Bitkom e.V.

Digitale Angriffe auf jedes zweite Unternehmen / VorfĂ€lle verursachen SchĂ€den von rund 51 Milliarden Euro pro Jahr / Automobilbau, Chemieindustrie und Finanzwesen am hĂ€ufigsten betroffen / Kempf: "Besonders der Mittelstand muss sich besser schĂŒtzen."

(Berlin) - Gut die HĂ€lfte (51 Prozent) aller Unternehmen in Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren Opfer von digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl geworden. Das hat eine Studie des Digitalverbands BITKOM ergeben. FĂŒr die Studie wurden GeschĂ€ftsfĂŒhrer und Sicherheitsverantwortliche von 1.074 Unternehmen reprĂ€sentativ befragt. Es handelt sich um die bislang umfassendste empirische Untersuchung dieses Themas. Der am stĂ€rksten gefĂ€hrdete Wirtschaftszweig ist die Automobilindustrie mit 68 Prozent betroffenen Unternehmen. Es folgen die Chemie- und Pharma-Branche mit 66 Prozent sowie Banken und Versicherungen mit 60 Prozent. Nach konservativen Berechnungen des BITKOM belĂ€uft sich der entstandene Schaden fĂŒr die gesamte deutsche Wirtschaft auf rund 51 Milliarden Euro pro Jahr. "Digitale Angriffe sind eine reale Gefahr fĂŒr Unternehmen", sagte BITKOM-PrĂ€sident Prof. Dieter Kempf bei Vorstellung der Studie in Berlin. "Viele Unternehmen schĂŒtzen ihre materiellen und immateriellen Werte nicht ausreichend. Gerade der Mittelstand muss beim Thema Sicherheit nachlegen." Laut Umfrage sind mittelstĂ€ndische Unternehmen mit 61 Prozent am stĂ€rksten von Spionage- oder Sabotageakten betroffen.

Das am hĂ€ufigsten auftretende Delikt ist der Diebstahl von IT- und KommunikationsgerĂ€ten: In 28 Prozent der befragten Unternehmen sind in den letzten zwei Jahren zum Beispiel Computer, Smartphones oder Tablets gestohlen worden. Fast ein FĂŒnftel (19 Prozent) registrierten FĂ€lle von Social Engineering. Bei dieser Methode geht es darum, Mitarbeiter zu manipulieren, um an bestimmte Informationen zu gelangen. 17 Prozent der befragten Unternehmen berichten vom Diebstahl sensibler elektronischer Dokumente bzw. Daten und 16 Prozent von Sabotage ihrer IT-Systeme oder BetriebsablĂ€ufe. Bei 8 Prozent der Unternehmen ist die elektronische Kommunikation ausgespĂ€ht worden. Unter den großen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern betrĂ€gt dieser Anteil sogar 15 Prozent. In 8 Prozent aller Unternehmen sind Besprechungen oder Telefonate abgehört worden.

HĂ€ufigstes Angriffsziel sind die IT-Systeme und die Kommunikationsinfrastruktur der Unternehmen. Ein Drittel (34 Prozent) der attackierten Unternehmen nennen diesen Bereich. "IT-Systeme und Datennetze sind das Einfallstor fĂŒr digitale Spionage- und Sabotageakte", sagte Kempf. In 20 Prozent der betroffenen Unternehmen hatten es die Angreifer auf die Bereiche Lager und Logistik abgesehen. Es folgen der Einkauf (18 Prozent), die Produktion (15 Prozent) sowie die GeschĂ€ftsleitung (14 Prozent). In 9 Prozent der Unternehmen sind die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gehackt oder ausspioniert worden. Bei den großen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern sind die F&E-Bereiche mit 30 Prozent bei fast jedem dritten Unternehmen betroffen.

Den Schaden als Folge digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage und Datendiebstahl berechnet der BITKOM mit rund 51 Milliarden Euro pro Jahr. Fast ein Viertel dieser Summe machen Umsatzeinbußen durch Plagiate aus. Es folgen Patentrechtsverletzungen, die Ă€hnliche Folgen wie Plagiate haben. An dritter Stelle liegen Umsatzverluste durch den Verlust von Wettbewerbsvorteilen. Ein weiterer großer Posten sind Kosten infolge des Diebstahls von ITK-GerĂ€ten sowie Ausgaben, die durch den Ausfall von IT-Systemen oder die Störung von BetriebsablĂ€ufen entstehen. "Ein weicher Faktor mit großem Gewicht sind ImageschĂ€den, die nach SicherheitsvorfĂ€llen eintreten", sagte Kempf. "Gelten ein Unternehmen oder seine Produkte bei Kunden und GeschĂ€ftspartnern erst einmal als unsicher, ist das nur schwer aus der Welt zu schaffen. Ein solcher Reputationsverlust kann ein Unternehmen in seiner Existenz gefĂ€hrden."

Nach den Ergebnissen der Umfrage treten vor allem aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter als TĂ€ter in Erscheinung. Gut die HĂ€lfte (52 Prozent) der betroffenen Unternehmen gibt diesen Personenkreis an. "Die eigenen Mitarbeiter sind fĂŒr Unternehmen die wichtigste Ressource, aber auch das grĂ¶ĂŸte Risiko", sagte Kempf. "Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern nicht misstrauen, aber eine Sicherheitskultur etablieren." Die zweite große TĂ€tergruppe mit 39 Prozent umfasst das unternehmerische Umfeld, bestehend aus Wettbewerbern, Lieferanten, Dienstleistern und Kunden. "Diese Gruppe ist hĂ€ufig eng mit den Unternehmen verbunden und verfĂŒgt ĂŒber Insiderkenntnisse, die kriminelle Handlungen erleichtern", sagte Kempf. 17 Prozent nennen Hobby-Hacker als TĂ€ter. 11 Prozent sind Opfer organisierter BandenkriminalitĂ€t geworden und 3 Prozent standen im Visier auslĂ€ndischer Geheimdienste. Bei 18 Prozent ist der TĂ€terkreis unbekannt.

Als Reaktion auf die VorfĂ€lle haben 53 Prozent der Betroffenen eine interne Untersuchung durchgefĂŒhrt. Fast ein Drittel (30 Prozent) hat externe Spezialisten hinzugezogen. Dagegen hat nur jedes fĂŒnfte betroffene Unternehmen staatliche Stellen eingeschaltet. Gut ein Drittel (35 Prozent) derjenigen, die keine staatlichen Stellen informiert haben, nennt als Grund "Angst vor negativen Konsequenzen". Das kann zum Beispiel die Sicherung von Beweismitteln wie Computern sein. "Im Extremfall ist das Unternehmen wĂ€hrend der Ermittlungen nicht mehr arbeitsfĂ€hig", sagte Kempf. 31 Prozent nennen den hohen Aufwand als Ursache. Fast ein Viertel (23 Prozent) hat Sorge vor einem Imageschaden, wenn die VorfĂ€lle öffentlich werden. Ebenso viele sind der Meinung, die TĂ€ter wĂŒrden ohnehin nicht gefasst. "Die Betroffenen sollten sich an die Behörden wenden. Diese mĂŒssen aber mehr tun, um das Vertrauen der Unternehmen zu gewinnen und ein kompetenter Ansprechpartner zu sein", betonte Kempf. Die geringe Meldequote spreche eine deutliche Sprache.

Aus Sicht des BITKOM mĂŒssen die Unternehmen mehr fĂŒr den Schutz ihrer materiellen und immateriellen Werte tun und an folgenden Punkten ansetzen:

■ IT-Sicherheit: Der Grundschutz, ĂŒber den alle befragten Unternehmen verfĂŒgen, besteht aus Virenscannern, Firewalls und regelmĂ€ĂŸigen Updates sĂ€mtlicher Programme. Dieser sollte durch spezielle Angriffserkennungssysteme ergĂ€nzt werden. ZusĂ€tzlichen Schutz bietet die VerschlĂŒsselung sensibler Daten.
■ Organisatorische Sicherheit: Dazu gehören unter anderem Regelungen, wer im internen Netzwerk auf welche Daten zugreifen darf und wer Zutritt zu sensiblen Bereichen eines Unternehmens bekommt. Ein Notfallmanagement gewĂ€hrleistet eine schnelle Reaktion im Krisenfall. DarĂŒber verfĂŒgt bisher nur knapp die HĂ€lfte (49 Prozent) der Unternehmen in Deutschland.
■ Personelle Sicherheit: Nur 52 Prozent der Befragten fĂŒhrt Schulungen der Mitarbeiter oder SicherheitsĂŒberprĂŒfungen von Bewerbern durch. Eine angemessene Sicherheitskultur umfasst darĂŒber hinaus die richtige Verwendung von Zugangsdaten, den korrekten Umgang mit externen DatentrĂ€gern oder Verhaltensregeln auf Reisen.
■ Sicherheitszertifizierungen: Sie zwingen das Unternehmen, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. In der Praxis sind sie ein geeignetes Mittel, um höhere Sicherheitsstandards im gesamten Unternehmen zu etablieren.
■ SchĂ€rfere gesetzliche Regelungen ĂŒber das geplante IT-Sicherheitsgesetz hinaus sind nach Ansicht der BITKOM-Branche nicht notwendig. "Das IT-Sicherheitsgesetz nimmt die Betreiber Kritischer Infrastrukturen in die Pflicht und wird perspektivisch zu mehr Sicherheit in der gesamten Wirtschaft fĂŒhren", sagte Kempf. Im laufenden Gesetzgebungsverfahren komme es darauf an, wie das Gesetz konkret ausgestaltet und wie es dann in der Praxis gelebt wird.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) Pressestelle Albrechtstr. 10, 10117 Berlin Telefon: (030) 27576-0, Fax: (030) 27576-400

(sy)

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