Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Ein Kompliment für Bayerns Grundschullehrkräfte / BLLV-Präsident: "Ländervergleich 2011 bestätigt hohes Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, das gute Abschneiden darf aber nicht über die Probleme hinweg täuschen"

(München) - Die Ergebnisse des Ländervergleichs 2011 im Primarbereich, die das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen heute in Berlin vorgestellt hat, wertete der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, als großes Kompliment für Bayerns Grundschullehrkräfte. "An den Grundschulen wird hervorragende Arbeit geleistet, die Lehrkräfte zeichnen sich durch Methodenvielfalt und pädagogisch integrative Arbeit aus. Übersehen werden sollte aber nicht, dass viele von ihnen dabei täglich an ihre persönliche Grenze gehen, denn besonders unter-stützt werden sie nicht." Das vorherrschende Thema an Bayerns Grundschulen sei auch in diesem Schuljahr der Personalmangel bei gleichzeitig steigenden Anforderungen. Darüber dürfe das gute Ergebnis nicht hinweg täuschen. Der BLLV fordert daher, für jede Klasse eine zusätzliche pädagogische Fachkraft zur Verfügung zu stellen "Trotz aller Widrigkeiten ist die Grundschule die beste Schule, die wir haben. Ich frage mich, warum damit nach nur vier Jahren Schluss ist." Die Kinder profitierten von der Heterogenität, den innovativen Lernmethoden und den engagierten Lehrkräften. Wenzel wies darauf hin, dass an Grundschulen vorwiegend Frauen beschäftigt seien. Für sie gebe es wenige Aufstiegsmöglichkeiten, der Verdienst sei vergleichsweise niedrig. Die erneut nachgewiesene Ausgrenzung sozial benachteiligter und ausländischer Kinder bezeichnete er als beschämend. Die Lehrkräfte müssten endlich in die Lage versetzt werden, alle Schüler individuell fördern zu können.

Mit den Ergebnissen des Ländervergleiches werde erneut die Frage nach dem Sinn der frühen Auslese in Deutschland aufgeworfen. "Es ist geradezu paradox, dass Schülerinnen und Schüler die Grundschule nur vier Jahre lang besuchen, um dann auf eine weiterführende Schule zu wechseln, wo sich die Situation schlagartig ändert und Leistungen deutlich unter internationale Vergleichs-maßstäbe fallen", sagte Wenzel. Trotz aller Widerstände plädiert der BLLV deshalb seit Jahren für Veränderungen in der Schulstruktur, die allen Kindern und Eltern, die es wünschen, eine längere gemeinsame Schulzeit ermöglichen. "Wir haben schon viele konstruktive Vorschläge dazu gemacht. "Es wird höchste Zeit, auch in Bayern über Veränderungen nachzudenken."

Die in Grundschulen anzutreffende Heterogenität steigere ganz offensichtlich die Leistungen aller Schülerinnen und Schüler, die Kinder gingen weitgehend vorurteilsfrei miteinander um, Herkunft und Begabung spielten eine unter-geordnetere Rolle. Der BLLV-Präsident: "Davon profitieren leistungsstärkere sowie -schwächere Schülerinnen und Schüler." In keiner anderen Schulart hätten Lehrerinnen und Lehrer zudem die Möglichkeit, vielfältige Unterrichtsmethoden einzusetzen, die den unterschiedlichen Lerntypen gerecht würden. Deutlich schwieriger werde es ab der dritten, spätestens vierten Klasse: "Der einsetzende Übertrittsdruck macht Kindern, Eltern und Lehrern zu schaffen und konterkariert die pädagogischen Bemühungen."

Beschämend sei es, dass auch der aktuelle Ländervergleich darauf verweist, dass in Bayern Bildungsbiografien auch im Jahr 2011 stark von der Herkunft und dem Einkommen der Eltern abhängig waren, Ausländerkinder ausgegrenzt und Schüler mit Lernschwierigkeiten zu wenig Unterstützung erhielten. "Das gute Abschneiden dürfe deshalb keinesfalls dazu führen, dass künftig noch weniger in die Grundschule investiert wird als dies bereits der Fall ist." Erneut forderte Wenzel die Staatsregierung auf, die demografische Rendite den Schulen zur Verfügung zu stellen. Leider sei gerade das Gegenteil geschehen: "Auch der aktuelle Entwurf des Doppelhaushaltes 2013/14 sieht entgegen aller Zusagen vor, die demografische Rendite nicht an den jeweiligen Schularten zu belassen. Das hat zur Folge, dass zum zweiten Mal in Folge Lehrerstellen an Grundschulen zugunsten anderer Bildunsginvestitionen abgezogen wurden und frei werdende Ressourcen nicht der dringend erforderlichen individuellen Förderung, dem Ausbau von Ganztagsangeboten und Sprachlernklassen zu Gute kommen."

So sehr ihn das gute Abschneiden der bayerischen Grundschulen freue, er stelle grundsätzlich die Aussagekraft von Studien infrage, die lediglich auf die Messung kognitiver Leistung abzielen, merkte Wenzel an. Er habe den Eindruck, es ginge an den Schulen immer weniger um Herzens- und Charakterbildung - nicht, weil Lehrerinnen und Lehrer dies so wollten, sondern weil sie dem Zwang ständigen Sortierens unterworfen seien. "Bildungsziele wie Charakterstärke, Rücksichtnahme oder Einfühlungsvermögen etwa spielten keine Rolle mehr, wenn es um Schullaufbahnentscheidungen geht. Trotz aller Beratungen und Wortgutachten würden Kinder und Jugendliche so auf "Datenträger" reduziert. Punkte seien wichtig, Bildung beschränke sich auf Berechtigungsnachweise. "Deshalb ist auch die Aussagekraft nationaler und internationaler Vergleichstests schwach. Was gemessen wird, hat viel mit Wissen, einiges mit Können und fast nichts mit Bildung zu tun."

Begriffe wie "Bildungsstandards" belegten, wie wenig Interesse die Verantwortlichen an "echter Bildung" hätten. "Jeder Junglehrer weiß, dass sich Bildung nicht standardisieren lässt. Sie muss in Kindergärten, in Schulen und Universitäten ermöglicht und ernst genommen werden."

Wenzel regte zudem an, künftig nicht mehr ganze Bundesländer miteinander zu vergleichen, sondern wirtschaftlich und soziokulturell ähnliche Regionen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Pressestelle Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

(aj)

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