Pressemitteilung | Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V.

EuGH-Entscheidung bringt ausländische Versandhändler für Arzneimittel in den Vorteil

(Stuttgart) - Die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt nicht für Versandapotheken, die aus dem europäischen Ausland ihre Kunden in Deutschland beliefern. Das ist in Kurzfassung die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die am heutigen Vormittag ergangen ist. "Ich kann diese Entscheidung nicht verstehen. Sie ist ein deutlicher Rückschritt für den Patienten, der womöglich bald im Krankheitsfall nach dem niedrigsten Preis für sein verschriebenes Arzneimittel suchen muss. Sie revidiert zusätzlich alle auf europäischer Ebene bislang im gesundheitspolitischen Bereich getroffenen Entscheidungen und stellt obendrein die nationale Souveränität in der gesundheitspolitischen Ausgestaltung deutlich in Frage", erklärt Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg (LAV) und Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV).

In einem Vorlageverfahren hatte der EuGH darüber zu entscheiden, ob für ausländische Versandapotheken die deutsche Arzneimittelpreisbindung Gültigkeit hat. Im Jahr 2009 hatte eine Patientenvereinigung ihren Mitgliedern gegenüber ein Bonussystem für verschreibungspflichtige Arzneimittel eines holländischen Versandhändlers beworben, was die Wettbewerbszentrale auf den Plan rief, die die Abgabe einer Unterlassungserklärung einforderte. Da diese nicht abgegeben wurde, landete die Sache vor dem Düsseldorfer Landgericht, das erstinstanzlich der Klage stattgab. In zweiter Instanz sollte das Oberlandesgericht Düsseldorf diese Entscheidung überprüfen. Hier entschied man sich aber dazu, die grundsätzliche Frage, ob die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel europarechtskonform und damit auch für ausländische Versender von Arzneimitteln bindend ist, dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Der heutige Spruch des EuGH wird nun in die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf einzufließen haben.

Aus Sicht des LAV-Präsidenten Becker konterkariert der EuGH-Spruch auch die bis heute verfolgte Auffassung des deutschen Gesetzgebers sowie der höchsten deutschen Gerichte. "Gerade erst eine Woche ist es her, dass sich Bundesgesundheitsminister Gröhe beim Deutschen Apothekertag in München unmissverständlich zur Qualität und Sicherheit durch ein Netz von wohnortnahen Apotheken bekannt hat - ein Ziel, das mit einer Preisfreigabe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in absolute Schieflage geraten wird."

Die heutige Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage beendet nicht den aktuellen Rechtsstreit. Gleichwohl wird sich das Düsseldorfer OLG am EuGH-Urteil orientieren müssen. Allerdings: Der EuGH-Spruch wird zunächst nur für ausländische Anbieter von Arzneimitteln Folgen haben, denn inhaltlich sind die deutschen öffentlichen Apotheken nicht Gegenstand des Verfahrens. Dass der politische Druck aber nun steigen wird, ist für Becker eindeutig: "Hier appelliere ich schon heute an den Gesetzgeber, seine Zusagen einzuhalten und alles Notwendige dafür zu tun, dass die solide und verlässliche deutsche Arzneimittelversorgung nicht einem Wildwuchs von Dumping, Boni- und Rabattschlachten zum Opfer fällt." Der beste Weg, dies zu tun, wäre aus Sicht des LAV-Präsidenten ein generelles Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel - eine Maßnahme, die der deutsche Gesetzgeber auch mit Rückendeckung des EuGH durchaus ergreifen könnte, der über diese Frage bereits im Jahr 2004 geurteilt hat.

Quelle und Kontaktadresse:
Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V. Pressestelle Hölderlinstr. 12, 70174 Stuttgart Telefon: (0711) 22334-0, Fax: (0711) 22334-97

(dw)

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