Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Europäischer Binnenmarkt: Bewährtes verbessern

(Köln) - Der europäische Binnenmarkt feiert mit dem kommenden Jahreswechsel seinen zehnten Geburtstag. Als eine tragende Säule der Europäischen Union soll er den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital innerhalb ihrer Grenzen sichern. Im Großen und Ganzen funktioniert das gut, im Detail gibt es aber noch Haken und Ösen.

Eingeleitet wurde das ehrgeizige Projekt, das zum 31. Dezember 1992 startete, bereits sieben Jahre zuvor. Die Europäische Kommission hatte 1985 ein Weißbuch vorgelegt, in dem knapp 300 Einzelmaßnahmen aufgelistet waren. Damit sollten die in der damaligen Europäischen Gemeinschaft noch bestehenden physischen, technischen und fiskalischen Schranken beseitigt werden – also die Schlagbäume, abweichende Vorschriften für die Herstellung von Produkten und zu große Unterschiede bei den indirekten Steuern wie etwa Mehrwert- und Mineralölsteuer.
Seit 1987 das Ziel eines Binnenmarktes in den EG-Vertrag aufgenommen wurde, ist eine Menge geschehen. Der vergrößerte Handelsraum hat den Warenaustausch in der EU erleichtert und größere Freiheiten für den Dienstleistungs- und Kapitalverkehr gebracht.

Zudem werden Reisende an den Binnengrenzen nicht mehr kontrolliert. Das gilt allerdings nur für die Mitgliedsländer des Schengener Abkommens, das 1985 von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten im luxemburgischen Grenzort Schengen unterzeichnet wurde. Später schlossen sich weitere EU-Länder sowie Island und Norwegen an. Im Jahr 1999 wurde das Abkommen dann in den Amsterdamer EU-Vertrag einbezogen. Großbritannien und Irland kontrollieren jedoch noch immer bei der Einreise aus Staaten der Union.

Auch beim Warenverkehr und den anderen Freiheiten ist der Binnenmarkt noch nicht vollendet. Das zeigen die zahlreichen Verfahren, die die EU-Kommission gegen Mitgliedstaaten einleitet, wenn diese gegen die Binnenmarktvorschriften verstoßen. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:

- In Österreich wird ein alkoholisches Getränk auf Kräuterbasis ohne besondere Auflagen hergestellt und verkauft. Für die deutschen Behörden ist das Gebräu ein Medikament, das nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen werden muss.
- Irland unterzieht Bauprodukte aus der EU einem Zulassungsverfahren, das wie eine Importbeschränkung wirkt.
- Österreich, Griechenland, Finnland und Portugal erkennen bestimmte Berufsqualifikationen nicht an.

Diese Fälle machen deutlich, dass ein wichtiges Prinzip, auf das die Väter des Binnenmarktes gesetzt hatten, in der Praxis nicht recht funktioniert: Statt europaweit die Produktvorschriften und Qualifikationen anzugleichen, sollten die Mitgliedstaaten verstärkt ihre unterschiedlichen Standards anerkennen. Den Grundgedanken dieses Äquivalenzprinzips hatte der Europäische Gerichtshof bereits 1979 in seiner berühmt gewordenen „Cassis de Dijon-Entscheidung“ formuliert. Die Richter waren der Ansicht, dass die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellten und in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse auch in den anderen EU-Ländern vertrieben werden dürfen. Dass die erwähnten Beispiele keine Einzelfälle sind, zeigt die Statistik der Verfahren, die die Europäische Kommission wegen Verstößen gegen den Binnenmarkt einleitet:

Am 31. August 2002 waren 1.505 Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Größte Sünder waren Frankreich und Italien. Deutschland folgt mit einigem Abstand auf dem dritten Rang, während Luxemburg und die drei nordischen Mitglieder wenig Anlass zur Klage gaben.

Nach Ansicht der EU-Kommission wird der Binnenmarkt niemals vollendet sein. Vielmehr muss seine Funktionsfähigkeit ständig verbessert werden. Dabei geht es nicht nur darum, die bestehenden Vorschriften korrekt umzusetzen und anzuwenden. Dazu zählt auch die Weiterentwicklung der Binnenmarktregeln, etwa durch das Vorhaben der Kommission, bis 2005 einen gesamteuropäischen Finanzbinnenmarkt zu schaffen.

Eine solche Regelung könnte der europäischen Wirtschaft einen kräftigen Schub verleihen. So kommt eine jüngst von der Kommission veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, dass die europäischen Industrieunternehmen durch ein mit dem US-Finanzmarkt vergleichbares EU-Pendant billiger Kapital beschaffen könnten. Ihre Wertschöpfung stiege dadurch um bis zu 1 Prozent.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0221/49811 Telefax: 0221/4981592

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