Pressemitteilung | Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V.

Flickenteppich Kinder- und Jugendschutz / Die Deutsche Kinderhilfe stellt gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt die Zahlen kindlicher Gewaltopfer 2013 vor

(Berlin) - Die Deutsche Kinderhilfe hat heute die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2013 zu kindlichen Gewaltopfern vorgestellt. In der Bundespressekonferenz erläuterte der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke, dass im Jahr 2013 153 Kinder getötet wurden. In 72 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Nach erstmaligem Rückgang im Jahr 2012 musste für 2013 wieder ein Anstieg an gegen Kinder gerichteten Fällen körperlicher Misshandlungen verzeichnet werden. 4.051 Kinder waren hiervon betroffen. Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischen Materials stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 16,43 Prozent auf 6.691 Fälle an. Im Bereich sexueller Gewalt weist die Statistik einen Rückgang von 1,80 Prozent auf 14.877 Opfer auf. Insbesondere die Zahl der Betroffenen unter sechs Jahren ging von 1.957 geschädigten Kindern im Jahr 2012 auf 1.303 Betroffene im Jahr 2013 zurück.
"Gewalt und sexueller Missbrauch an Kindern sind schwere Straftaten mit einem großen, teils lebenslang andauernden Schaden für die Opfer. So dürfen auch die in einigen Deliktsbereichen langfristig sinkenden Fallzahlen keine Entwarnung für uns sein. Im Gegenteil: jeder einzelne Fall von Gewalt an Kindern ist eine Tragödie! Daher müssen wir alles daran setzen, dass Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch noch frühzeitiger erkannt und, wo möglich, verhindert werden. Wir können Kinder aber nur dann effektiv vor Gewalt und Missbrauch schützen, wenn wir der zunehmenden Digitalisierung und Internationalisierung, vor allem im Bereich der Kinderpornographie, mit einer konsequenten international vernetzten und organisierten Strafverfolgung begegnen", so Jörg Ziercke.
Die Bemühungen, nach den letzten skandalreichen Jahren, den Kinderschutz in Deutschland zu verbessern, zeigen bisher eine nur zaghafte Wirkung.
Der deutsche Kinderschutz gleicht noch immer einem Flickenteppich. Um Struktur und Effizienz in das System zu bringen, bedarf es einheitlicher Fachstandards, gerechter Entlohnung als auch Supervision für und eine Entlastung von Mitarbeitenden der Kinder- und Jugendhilfe.
"Eine breit aufgestellte Jugendhilfe- im Sinne angemessen finanziell und personell ausgestatteter Jugendämter- wäre der beste Kinderschutz", betont Prof. Dr. Kathinka Beckmann, Professorin der Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. "Doch solange die Kommunen als Hauptfinanzier der Jugendhilfe seitens der Politik und Gesellschaft eher zum Stopfen der Asphaltlöcher als zum Schließen der Lücken im Kinderschutz aufgefordert werden, bleibt das wohl eine Utopie."
Nur ein funktionierendes System kann einen effektiven Kinder- und Jugendschutz hervorbringen. Das meint auch Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe, und ergänzt: "In Missbrauchsfällen sind Kinder und Jugendliche oft nicht in der Lage, das Geschehene zu bezeugen, entweder, weil ihnen die Worte fehlen, oder aber, weil sie die Loyalität oder Angst gegenüber den Tätern zum Schweigen bringt. Gerade in diesen Fällen sind Beweisaufnahme und Beweissicherung von besonderer Bedeutung, um die Täter überführen und die betroffenen Kinder schützen zu können."
Die Deutsche Kinderhilfe unterstützt daher ausdrücklich die Gewaltschutzambulanz der Charité Berlin und vergleichbare Angebote anderer Bundesländer. Auch fordert sie die prozessuale Betreuung Betroffener als staatliche Pflichtaufgabe anzuerkennen, das bundesweite Beratungsangebot, insbesondere im ländlichen Raum, auszubauen und dessen Finanzierung zu sichern.
"Immer, wenn ein Kind verletzt oder getötet wird, trifft einen Erwachsenen die Schuld. Es ist unsere Verantwortung, Kinder vor Misshandlung zu schützen. Das alltägliche Wegschauen, Verharmlosen und Tabuisieren von Kindesmisshandlung durch unsere Politiker muss endlich ein Ende haben", so Prof. Dr. Michael Tsokos, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité, des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin und seit 2014 ärztlicher Leiter der Berliner Gewaltschutzambulanz.
Die Deutsche Kinderhilfe und ihre Mitstreiter fordern daher einen beherzten Einsatz für unsere Kinder, denn jedes Zögern und jedes Wegsehen findet sich nicht nur in der Polizeilichen Kriminalstatistik oder im großen Dunkelfeld kindlicher Aggressionsopfer wieder, es hinterlässt auch einen dauerhaften Abdruck auf der kindlichen Seele.
Die Deutsche Kinderhilfe ist die staatlich unabhängige Lobbyorganisation für Kinder. Sie informiert die Öffentlichkeit über Missstände und leistet bundesweite Projektarbeit, um Veränderungen im Sinne von mehr Kinderschutz und Kinderrechten auf faktischer, gesetzlicher und politischer Ebene zu erzielen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe e.V. Pressestelle Schiffbauer Damm 40, 10117 Berlin Telefon: (030) 24342940, Fax: (030) 24342949

(sy)

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