Pressemitteilung | Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V.

Handwerkstag: Betriebe leiden unter schwacher Binnenkonjunktur

(Stuttgart) - Landeshandwerkspräsident Klaus Hackert sieht die pessimistische Prognose vom Jahresanfang durch die aktuelle Entwicklung bestätigt. Die anhaltende Rezession im Handwerk werde weiter zu Verlusten beim Umsatz, bei den Arbeitsplätzen und bei den Betriebszahlen führen. Geradezu verheerende Auswirkungen habe auch die derzeitige Diskussion um den Meisterbrief.

,,Die Situation im vergangenen Jahr war miserabel, die derzeitige Lage ist desolat und auch für das laufende Jahr zeigt sich der Himmel so düster wie schon lange nicht mehr'', sagte Hackert auf der Jahrespressekonferenz des Baden-Württembergischen Handwerkstages (BWHT). Wenn es überhaupt Wachstumsimpulse gegeben habe, dann aus der Exportwirtschaft: ,,Für das Handwerk allerdings nur eine geringe Hilfe, denn die Entlastung durch den Export können wir nur in Randsegmenten für uns verbuchen.''

Das Handwerk im Land schloss das vergangene Jahr mit einem negativen Saldo bei den Betrieben, bei den Umsätzen und den Beschäftigten ab. Die Zahl der Betriebe ging um 1 400 (- 1,2 Prozent) auf 117 000 zurück. Gravierende Einbrüche gab es bei den Umsätzen. Sie verringerten sich um minus drei Prozent auf 64 Milliarden Euro. Vergleichsweise moderat ist mit einem Minus von 1,2 Prozent der Rückgang bei der Beschäftigung ausgefallen. Die Zahl der Mitarbeiter sank um 8 653 (- 1,2 Prozent) auf rund 790 000 Beschäftigte. Bundesweit gingen die Arbeitsplätze in Handwerk um 5,3 Prozent zurück.

Die Talfahrt setzte Ende 2001 ein und hält damit nun bereits im dritten Jahr an. ,,Und daran wird sich so rasch nichts ändern'', erklärte Hackert. Diese negative Einschätzung habe die aktuelle Umfrage für das 2. Quartal 2003 unter rund tausend Handwerksbetrieben erneut bestätigt. Die saisonübliche Erholung blieb wie im Vorjahr deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der BWHT-Konjunkturindikator stieg zwar gegenüber dem Vorquartal um zwölf auf schwache 13 Punkte. Dies sind allerdings zehn Punkte weniger als im Vorjahr. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren lag der Indikator noch bei 41 Punkten. Nur jeder vierte Betrieb beurteilt seine derzeitige Lage als gut (Vorjahr: 28Prozent), jeder dritte dagegen als schlecht (Vorjahr: 27Prozent). Auch die Erwartungen für das neue Quartal sind nicht von Optimismus geprägt. Mit 13 Punkten liegt der Wert für die Einschätzung der Geschäftslage im neuen Quartal um 18 Punkte unter dem Vorjahresniveau. Die negative Entwicklung zog sich durch alle Branchen.

,,Der Blick auf Umsätze und Auslastung zeigt, dass wir von einer Trendwende meilenweit entfernt sind'', sagte Hackert weiter. 27 Prozent der Betriebe klagen über rückläufige Umsätze, das sind drei Prozent mehr als im Vorjahr. Rund ein Viertel der Handwerker - im Vorjahr waren es 17 Prozent - ist zu weniger als 60 Prozent ausgelastet, nahezu die Hälfte zu weniger als 70 Prozent (Vorjahr: 35 Prozent). Der durchschnittliche Auftragsbestand reicht gerade noch für 5,1 Wochen gegenüber 5,7 Wochen im vorigen Jahr.

Die Handwerksbetriebe in Baden-Württemberg blicken wenig hoffnungsfroh in die Zukunft. 62 Prozent wollen im kommenden Quartal keine Investitionen vornehmen (Vorjahr: 43Prozent). Acht Prozent der Betriebe (Vorjahr: 6Prozent) wollen im kommenden Quartal Beschäftigte abbauen. Der Blick in die Zukunft mache nicht gerade Mut, sagte Hackert weiter. Er rechne für das Handwerk in Baden-Württemberg mit einem nominalen Umsatzrückgang von etwa drei Prozent. In dieser Größenordnung werde auch die Zahl der Beschäftigten zurückgehen.

,,Gewaltige Auswirkungen'' werde zudem die politische Diskussion um die Reform des Handwerksrechts haben, befürchtet der BWHT-Präsident. Zurzeit sei die Ausbildungsquote etwa dreimal so hoch wie in der übrigen Wirtschaft. Wenn die Bundesregierung jetzt die Modernisierung der Handwerksordnung durch die Gesetzgebungsgremien peitsche, so verliere sie die Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt völlig aus dem Blick. Eine gefährliche Quelle, die zu Verlusten bei den Ausbildungsplätzen führen werde, liege im Bereich der Betriebsgrößen. Mit einem neuen Gesetz fördere die Bundesregierung vor allem die Gründung von Klein- und Kleinstbetrieben. Diese seien aber selten ausbildungsfähige Betriebe. Auch der Wettbewerb werde sich verzerren: Wer sich den ,,Luxus'' leiste, weiterhin auszubilden, müsse am Markt gegen diejenigen konkurrieren, die erst gar keine Lehrstellen anbieten. Hackert rechnet selbst bei gleichbleibendem Betriebsbestand damit, dass die Zahl der ausbildungsfähigen Betriebe in den nächsten Jahren um bis zu 20 Prozent zurückgehen wird. Derzeit bilden die Unternehmen 57 500 junge Menschen in einem Handwerksberuf aus.

Bundesminister Clement verspreche sich von der Reform des Handwerksrechts mehr Existenzgründungen, mehr Beschäftigung und mehr Ausbildung im Handwerk. Hackert: ,,Damit befindet er sich auf dem Holzweg.'' Deutschland stecke in der schlimmsten wirtschaftlichen Abschwungphase seit Bestehen der Bundesrepublik. Keine Bevölkerungsgruppe, kein Wirtschaftsbereich und kein Interessensverband könne sich der Notwendigkeit von Reformen verschließen. Schuld an der Misere sei aber nicht die Handwerksordnung. Schuld daran, dass es den Betrieben schlecht gehe, sei auch nicht der Meisterbrief. Wer die aktuelle angespannte Situation des Handwerks und den Abbau von Arbeitsplätzen der Handwerksordnung in die Schuhe schieben wolle, der versuche von den eigentlichen Ursachen abzulenken.

Die Märkte des Handwerks veränderten sich dynamisch, sie forderten natürlich auch von der Handwerkswirtschaft Anpassungsfähigkeit und auf dem Weg in die Wissensgesellschaft eine weitere Steigerung ihrer Qualifizierungsleistungen. ,,Aber dazu muss man doch nicht Bewährtes gleich komplett über Bord werfen'', betonte Hackert. Er nannte vier zentrale Punkte, die eine Modernisierung der Handwerksordnung beinhalten müsse:

,,1. An der grundsätzlichen Erfordernis der Meisterprüfung für die Ausübung eines Vollhandwerks halten wir fest. Die Liste der Handwerksberufe wird aber darauf überprüft, ob sie alle noch heute voll meisterpflichtig sein müssen. Die Meisterpflichtigkeit kann nicht allein an der Gefahrengeneigtheit eines Handwerks gemessen werde, sondern auch die überdurchschnittliche Ausbildungsleistung muss als weiteres Kriterium einbezogen werden.
2. Die Zulassung von Altgesellen muss erleichtert werden, ohne dabei das Prinzip der geprüften und nachgewiesenen Qualifikation zu vernachlässigen.
3. Alle handwerklichen Tätigkeiten, die man innerhalb von drei Monaten erlernen kann, zählen künftig nicht mehr zum Handwerk. Diese neu definierten einfachen Tätigkeiten dürfen nicht aus dem Unterstützungs- und Selbstverwaltungszusammenhang des Handwerks ausgegrenzt werden.
4. Und nicht zuletzt: Für die Ausbildung in Berufen des Handwerks muss eine geprüfte Qualifikation vorliegen.'' Dieses Prinzip sei auf dem Weg in die Wissensgesellschaft unverzichtbar.

Quelle und Kontaktadresse:
Baden-Württembergischer Handwerkstag Heilbronner Str. 43, 70191 Stuttgart Telefon: 0711/1657401, Telefax: 0711/1657444

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