Pressemitteilung | IG Metall - Industriegewerkschaft Metall

IG Metall und ver.di warnen vor Bürokratisierung der Berufsbildung in Europa

(Frankfurt am Main) - Die Gewerkschaften IG Metall und ver.di haben die von der EU-Kommission angestrebte Reform der Berufsbildung in Europa als zu bürokratisch kritisiert und ein alternatives Modell vorgeschlagen. „Der von der Kommission vorgelegte Europäische Qualifikationsrahmen droht das duale System beruflicher Bildung in Deutschland nachhaltig zu verschlechtern, vielleicht sogar abzulösen“, sagte IG Metall-Vorstandsmitglied Regina Görner am Montag in Berlin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ver.di. „Was so modern daherkommt als Versprechen für Transparenz und Vergleichbarkeit in Europa, entpuppt sich als Qualifikationsspirale nach unten“, sagte Görner.

„Wir sind für das Leitbild eines europäischen Arbeits- und Sozialmodells, in dem die umfassende Qualifizierung aller Arbeitnehmer ein Grundpfeiler ist“, sagte ver.di Vorstandsmitglied Dorothea Müller. Dabei gehe es um eine bessere Ausbildung, mehr Transparenz und die Möglichkeit zur Mobilität. Das, was Europa derzeit als Instrument zur Erreichung dieser Ziele anbiete, sei allerdings problematisch. Bis jetzt seien die Antworten darauf, wie junge Europäer in der Zukunft eine hochwertige Ausbildung erhalten sollen, unzureichend.

In einem achtstufigen hierarchischen Rahmen sollen sich nach den Vorschlägen der EU-Kommission alle Kompetenz-Niveaus erfassen lassen. Hinzu kommen auf der horizontalen Ebene sechs Typen, die Lernergebnisse beschreiben. „Alles in allem ein höchst kompliziertes Schema, das zu einer großen Bürokratisierung der Ausbildung führen wird“, so Regina Görner. Anstatt einen Beruf zu erlernen, würden Lern-Scheine gesammelt, Bausteine nach Gusto und Geldbeutel zusammengestellt. Diese Form der Häppchen-Bildung habe für den Einzelnen und die Gesellschaft fatale Folgen. Sie sei das Ende einer Ausbildung, die Identität und Engagement erzeuge.

„Die deutsche Wirtschaft verliert dadurch ihren wichtigsten Standortfaktor Qualifikation“, erklärten die Gewerkschafterinnen. Moderne Arbeitsplätze seien schnellen Veränderungen unterworfen: Da brauche es breit qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die gelernt hätten, Zusammenhänge zu durchschauen und sich wechselnden Anforderungen zu stellen. „Das leistet die duale Berufsausbildung, nicht aber die Häppchen-Bildung nach dem Modell der europäischen Kommission.“ Durch die Zertifizierungsanforderungen jeder Lerneinheit, die die EU-Kommission vorschreiben will, würden auch jene Betriebe vor der dualen Ausbildung zurückschrecken lassen, die derzeit noch Ausbildungsplätze anbieten, warnen die beiden Gewerkschafterinnen.

Im Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Überlegungen für einen alternativen Qualifikationsrahmen stehen europäische Kernberufe, die von den Wirtschaftssektoren in Kooperation von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden entwickelt werden sollen. „Die Kernberufe beschreiben Niveaus, die in der Ausbildung in allen Ländern zu erreichen sind. Darüber hinaus hat jedes Land genug Spielraum, um auch eigene Inhalte vorzusehen“, so Dorothea Müller.

Quelle und Kontaktadresse:
Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) Pressestelle Wilhelm-Leuschner-Str. 79, 60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6693-0, Telefax: (069) 6693-2843

(sk)

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