Pressemitteilung | ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Karstadt: Aufregung statt Kaufregung - Bundesweiter Streik legte 100 Häuser lahm

(Berlin) - Das gab es noch nie bei Karstadt: Rund 5.000 Beschäftigte in über 100 Häusern bundesweit sind am 22. Mai dem Aufruf von ver.di gefolgt und haben sich an Streiks und Protestaktionen gegen den Warenhauskonzern beteiligt. Allein in Hamburg waren 14 Häuser betroffen.

Die drei größten Filialen Wandsbek, Mönckebergstraße und Alsterhaus öffneten mit mehrstündiger Verspätung oder absoluter Notbesetzung. In Bergedorf waren nur zwei Kolleginnen zur Arbeit erschienen. Ab sechs Uhr morgens legten knapp 2.000 Beschäftigte, das sind rund 80 Prozent der Tagesschicht, die Arbeit nieder.

Besonders sauer sind die Kolleginnen und Kollegen darüber, dass Karstadt freiwillige Sozialleistungen in Höhe von durchschnittlich 1.000 € pro Mitarbeiter und Jahr kürzen will, darunter vor allem Weihnachtsgeld, Kasinozuschuss, Treueurlaub, Leistungslohn und Prämien. „Ich bin über 35 Jahre bei Karstadt und habe deshalb bisher fünf Tage zusätzlichen Treueurlaub erhalten. Der soll jetzt ersatzlos gestrichen werden", beschwert sich Heidemarie Sisum aus der Telefonzentrale in der Mönckebergstraße. „Unter dem Strich hätte ich obendrein rund zehn Prozent weniger Geld. Brigitte Lach aus der Stoffabteilung im Alsterhaus ist auf die Straße gegangen, weil sie sich gegen die zunehmende Arbeitsverdichtung wehren will: „Früher waren wir 28, jetzt sind wir nur noch 20 Kolleginnen – mit Auszubildenden.“

Betriebsrat Michael Seidel kritisiert, dass sich von den Abteilungsleitern offenbar niemand dem Streik angeschlossen hat. „Wir holen für sie die Kastanien aus dem Feuer, dabei haben sie doch am meisten zu verlieren, weil sie überdurchschnittlich verdienen und in der Regel schon lange im Betrieb sind und deshalb besonders von den sozialen Leistungen profitieren.“

Auf der Abschlusskundgebung am Alsteranleger übte Franziska Wiethold, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes und des Karstadt-Aufsichtsrates, scharfe Kritik an der Konzernleitung. Die hohe Gewinnsteigerung des vergangenen Jahres sei ausschließlich auf den Knochen der Kolleginnen und Kollegen erarbeitet und vor allem durch die Streichung von 7.000 Stellen realisiert worden. Die Leistung pro Kopf sei um sechs Prozent gestiegen, während die Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde nur läppische 1,7 Prozent anböten. Gleichzeitig werde eine Erhöhung der Dividende um sechs Prozent bekannt gegeben. „Das werden wir uns nicht bieten lassen“, stellte Wiethold unter lautem Beifall fest. „Wir brauchen eine deutliche Reallohnsteigerung“, fügte sie hinzu und unterstrich damit die Gewerkschaftsforderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Bei aller Kritik habe der Versuch des Vorstandes, die freiwilligen Sozialleistungen zu kürzen, aber auch sein Gutes, so Wiethold. „Jetzt ist auch der letzten Kollegin und dem letzten Kollegen klar, wie wichtig Tarifverträge sind, und dass nur durch Tarifverträge Zusagen wirklich abgesichert sind.“

ver.di-Landesbezirksleiter Wolfgang Rose forderte die Streikenden auf, die Konzernleitung beim Wort zu nehmen, und dem Vorstand in e-mails und Briefen zu schreiben, wo die Hindernisse für eine größere Kundenzufriedenheit liegen. Sein eigens kreierter Karstadt-Rap ( „Hamburg hört den Paukenschlag – heute ist der Karstadt Tag“) kam so gut an, dass Rose noch eine Zugabe geben musste. Ebenso erging es der Gruppe Blaswerk, die mit ihren musikalischen Einlagen, unterstützt von herrlichem Sommerwetter, für die richtige Kampfstimmung sorgte.

Ulrich Meinecke, ver.di-Verhandlungsführer für den Hamburger Einzelhandel, kritisierte die Versuche des Vorstandes, Auszubildende als Streikbrecher einzusetzen. Für den Fall, dass die Arbeitgeber bei der nächsten Verhandlungsrunde am 11. Juni sich nicht bewegen würden, schloss Meinecke einen erneuten Streik nicht aus. „Dann vielleicht für zwei Tage.“

Quelle und Kontaktadresse:
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. Potsdamer Platz 10 10785 Berlin Telefon: 030/69560 Telefax: 030/69563956

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