Pressemitteilung | Deutscher Hochschulverband (DHV)

Kempen: "Digitale Lehrformate sind Mittel, nicht Inhalt universitärer Bildung" / DHV zu Chancen und Grenzen von MOOCs

(Bonn) - Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat dazu aufgerufen, behutsam und realistisch die Chancen und Risiken abzuwägen, die durch die voranschreitende Digitalisierung auf die Hochschullehre zukommen. Insbesondere Massive Open Online Courses (MOOCs) könnten ein wichtiger und künftig noch wichtiger werdender Teil universitärer Lehre sein. Traditionelle und "digitale" Lehre seien kein Gegensatz. "Sie können und sollen sich gegenseitig ergänzen und bereichern", erklärte der Präsident des DHV, Professor Dr. Bernhard Kempen.

Auch digitale Lehrformate müssten zuerst dem Erhalt und der Verbesserung der wissenschaftlichen Qualität von Forschung und Lehre dienen. Wirtschaftliche Interessen, die mit der Etablierung von Online-Plattformen verbunden seien, müssten demgegenüber nachrangig bleiben. "Die wesentlichen Ziele einer universitären Bildung durch Wissenschaft, die Fähigkeit zu selbständigem Urteil und Kritik sowie die Bildung der Persönlichkeit, gelten unabhängig vom Lehrformat. Lehrformate sind stets als Mittel und nicht als Inhalt universitärer Bildung zu verstehen", betonte Kempen.

Zum Erhalt wissenschaftlicher Qualität bedarf es nach Auffassung des DHV auch weiterhin der persönlichen Beziehungen zwischen Dozenten und Studierenden. "Digitale Lehre kann die menschliche Begegnung zwischen Lehrendem und Studierendem sowie der Studierenden untereinander nicht ersetzen", ergänzte Kempen. "Erkenntnis gewinnt man vor allem im Dialog, im unmittelbaren Austausch und in der Begegnung von Lehrenden und Lernenden." Deshalb bleibe die physische Präsenz für die Motivation nicht nur der Lernenden, sondern auch der Lehrenden unersetzlich. Universitätsprofessoren ließen sich nicht auf die Rolle eines Moderators oder eines beratenden Tutors reduzieren.

Online-Kurse sind nach Einschätzung des DHV insbesondere dazu geeignet, Faktenwissen zu vermitteln. "Das bloße Bereitstellen elektronisch abrufbarer Informationen ist allerdings noch keine akademische Lehre", gab Kempen zu bedenken. "Digitale akademische Lehre bedarf vielmehr einer besonderen, zielgruppenspezifischen didaktischen Gestaltung". Da nur eine Lehre, die sich ständig aus der Forschung erneuert, als wissenschaftliche Lehre bezeichnet werden könne, bedeute dies für Lehrformate wie MOOCs, dass sie in gleicher Weise wie Vorlesungen der ständigen Revision und Fortentwicklung unterliegen müssen.

Mit der voranschreitenden Digitalisierung sei eine Veränderung des Berufsbilds des Hochschullehrers verbunden. "Die Befähigung zu guter wissenschaftlicher Lehre wird zukünftig mehr als bisher auch die Kompetenz umfassen, Medien sinnvoll einzusetzen und sich als Lehrender in anderen Formen als der Präsenzvorlesung zu präsentieren", so Kempen. Dabei gelte es, die Rechte des Hochschullehrers als Urheber digitaler Lehrformate zu schützen. Aus der grundgesetzlich verbürgten Freiheit von Forschung und Lehre, die auch die Lehrmethode umfasse, ergebe sich, dass Art und Umfang des Einsatzes digitaler Lehrformate ausschließlich in der Entscheidung des einzelnen Hochschullehrers liege. Außerdem müssten beispielsweise die extrem zeitaufwendige Konzeption und Herstellung eines MOOCs auf das Lehrdeputat des einzelnen Universitätslehrers in angemessenem Umfang angerechnet werden können.

Angesichts der Ausgaben, die mit der Entwicklung und Etablierung digitaler akademischer Lehre für die Universitäten verbunden seien, forderte Kempen Bund und Länder dazu auf, den Hochschulen zusätzliche Mittel für Anschaffung, Pflege und Weiterentwicklung moder-ner Kommunikationstechnologien zur Verfügung zu stellen. "Das Kalkül, mit Hilfe von digitaler Lehre zu Einsparungen in den Hochschulhaushalten zu gelangen, geht nicht auf", so Kempen abschließend. "Gute digitale Lehre setzt didaktische Aufbereitung und Interaktivität voraus. Das ist personal-, zeit- und kostenintensiv. Zum Nulltarif wird es qualitativ hochwertige digitale Lehre nicht geben."

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Hochschulverband (DHV) Pressestelle Rheinallee 18-20, 53173 Bonn Telefon: (0228) 9026666, Fax: (0228) 9026680

(cl)

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