Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Konsumkonjunktur: Hemmschuh Arbeitsmarkt

(Köln) - Den privaten Haushalten in Deutschland ist die Lust am Einkaufsbummel vergangen. Die Hauptschuld an der Talfahrt des Konsums trägt die schlechte Arbeitsmarktentwicklung, die das Einkommenswachstum bremst. Ein Vergleich mit den USA zeigt zudem, dass die Deutschen seit 1995 Jahr für Jahr fast gleichmäßig viel gespart haben. Die Amerikaner dagegen brachten immer weniger Geld auf die Bank – und hatten damit mehr fürs Shoppen übrig.

Wer an der Supermarkt-Kasse Schlange stehen muss, mag es kaum glauben, aber: Deutschland steckt in einer Konsumkrise. Die privaten Haushalte gaben in der ersten Hälfte des laufenden Jahres preisbereinigt 1,1 Prozent weniger für Lebensmittel, Miete, Auto oder Möbel aus als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Vor allem im ersten Quartal 2002 sorgten die relativ hohe Inflation sowie die Verunsicherung der Verbraucher durch die Einführung des Euro-Bargeldes für ein dickes Konsum-Minus.

In den Monaten April bis Juni wurde das Ausgabenniveau des Vorquartals zwar um 0,1 Prozent übertroffen. Eine Trendwende bedeutet dies jedoch nicht. Im gesamten Jahr 2002 werden die realen privaten Konsumausgaben das Vorjahresvolumen voraussichtlich um 0,1 Prozent unterschreiten. In 2003 ist ein moderates Wachstum von 11/4 Prozent wahrscheinlich (vgl. iwd 41/2002).
Schuld an der derzeitigen Konsumflaute sind in erster Linie die steigende Arbeitslosigkeit und das ausbleibende Job-Wachstum. All dies hinterlässt Spuren in den Geldbörsen der Bundesbürger. Aufgrund der trüben Beschäftigungsaussichten halten auch diejenigen, die Arbeit haben, ihre Euros stärker zusammen als früher.

Die recht hohen Tarifabschlüsse dieses Jahres helfen da – entgegen den Erwartungen der Gewerkschaften – auch nicht weiter, im Gegenteil:
Viele Betriebe bauen jetzt Beschäftigung ab – allein in der Industrie ging die Zahl der Erwerbstätigen im zweiten Quartal 2002 gegenüber dem Vorjahresquartal um 180.000 zurück. Dies verschlechtert die Konsumlaune der Verbraucher zusätzlich.

Hinzu kommt, dass die Verschiebung der Einkommensteuerreformstufe von 2003 auf 2004, die den Wiederaufbau in den Hochwassergebieten mitfinanzieren soll, die Kaufkraft schwächt.

Alles in allem werden die verfügbaren Einkommen in Deutschland in diesem Jahr nominal nur um gut 11/2 und im nächsten Jahr um 21/2 Prozent steigen. Bei einer erwarteten Teuerung von 1,5 Prozent in 2002 und 1,2 Prozent in 2003 bleibt das reale Einkommensplus vorerst bescheiden und kann daher den Konsum kaum beleben.
Wie sich die Geschäfte von Warenhäusern, Autofirmen oder Reisebüros entwickeln, hängt aber auch vom Sparverhalten der Bürger ab. Diesen Zusammenhang zeigt ein mehrjähriger Vergleich zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten:

- In Deutschland ging die Sparquote – also der gesparte Teil des verfügbaren Einkommens – von 1995 bis 2001 lediglich um gut 1 Prozentpunkt auf rund 10 Prozent zurück. Zugleich stieg der reale Konsum im Jahresdurchschnitt gerade mal um 1,7 Prozent.

- In den USA dagegen fiel die Sparquote in diesem Zeitraum um über 3 Punkte auf nur noch 2,3 Prozent – und der private Verbrauch kletterte pro Jahr um fast 4 Prozent.

Die nahe liegende Schlussfolgerung: Wenn der deutsche Michel wie sein amerikanischer Kollege weniger auf die hohe Kante legen würde, könnte die Konsumkonjunktur stärker auf Touren kommen.

In den vergangenen Jahren haben die Bundesbürger auf Vorsorge durch Vermögensaufbau gesetzt und zu diesem Zweck kräftig gespart. Grundsätzlich wächst ein Vermögen allerdings auch, wenn die Preise der Vermögensgegenstände – z.B. Aktien oder Immobilien – anziehen. Im Prinzip können steigende Börsenkurse deshalb die Verbraucher dazu bewegen, weniger von ihrem laufenden Einkommen zur Seite zu legen, und so mehr Geld für den Einkaufsbummel übrig zu haben.
Doch dieser Mechanismus hat hierzulande in der Vergangenheit offensichtlich nicht so reibungslos funktioniert. Während in den USA der Aktienboom zum Ende der neunziger Jahre wohl dazu beigetragen hat, dass der Dollar in den Shopping Malls kräftig rollte, kamen die Bundesbürger nicht so richtig in Kauflaune. Dabei kletterten die Börsenkurse hierzulande bis 1999 ebenso stark in die Höhe wie im Ursprungsland der New Economy; im Jahr 2000 war die Hausse sogar noch ausgeprägter.

Dass sich die Entwicklung der Vermögenswerte jenseits des Atlantiks deutlicher auf das Spar- und Konsumverhalten ausgewirkt hat, dürfte vor allem mit der dort weiter verbreiteten Aktienkultur zusammenhängen. Zurzeit hat nicht einmal jeder fünfte deutsche Haushalt sein Erspartes in Firmenanteilen angelegt, in den USA dagegen fast die Hälfte.

Nichtsdestotrotz zeigt auch der deutsch-amerikanische Vergleich, dass der Arbeitsmarkt entscheidend an der Konsumschraube dreht:
Während in den USA die Zahl der Erwerbstätigen von 1995 bis 2001 um insgesamt 12,6 Prozent wuchs, nahm sie in Deutschland lediglich um 4,1 Prozent zu.
Nicht zuletzt deshalb stiegen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte zwischen Alaska und Florida im gleichen Zeitraum um insgesamt gut 36 Prozent, zwischen Schleswig-Holstein und Bayern dagegen nur um knapp 19 Prozent – mit entsprechenden Konsequenzen für den Konsum.

Schwerer zu erklären sind die gegenwärtigen Trends. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo der reale Konsum im ersten Halbjahr 2002 deutlich schrumpfte, verzeichneten die Vereinigten Staaten ein Plus von 3 Prozent – mit gleich bleibend steigender Tendenz. Dazu passt nicht, dass die Erwerbstätigenzahl in den USA von Januar bis Juni mit 1,2 Prozent deutlich stärker zurückging als in Deutschland (minus 0,4 Prozent).

Allerdings sind die verfügbaren Einkommen der Amerikaner derweil um 5,4 Prozent gewachsen. Die Deutschen mussten sich dagegen mit einem Plus von 0,7 Prozent begnügen.

Zudem waren die Kursrückgänge an den US-Börsen – allein von Anfang Juli bis Mitte Oktober verlor der Dow-Jones-Index rund 15 Prozent – zwar nicht dazu angetan, die Konsumenten auf Trab zu bringen. In Deutschland brachen die Aktiennotierungen im gleichen Zeitraum jedoch noch stärker ein – beim DAX waren es fast 40 Prozent – und haben den Verbrauchern die Stimmung wohl zusätzlich vermiest.


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