Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Krankenkassen müssen nachzahlen / Urteile zum Krankengeld: Einmalzahlungen müssen berücksichtigt werden - "Kassen haben Versicherte fehl informiert"

(Berlin) - Gesetzlich Krankenversicherte, die seit 1998 krankheitsbedingt arbeitsunfähig waren und Krankengeld bezogen haben, haben weniger Zahlungen erhalten, als Ihnen zusteht. Darauf hat der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) hingewiesen.

Der vzbv nannte es einen Skandal, dass die Krankenkassen und ihre Spitzenverbände Versicherte über ihre Ansprüche fehl informiert haben. "Die Kassen haben die Versicherten aufgerufen, keine Rechtsmittel einzulegen, obwohl sie wissen mussten, dass die Versicherten dann bei Rückzahlungsansprüchen leer ausgehen würden", so Thomas Isenberg, Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Ernährung. "Offenbar ging es den Kassen hier allein darum, Geld und Aufwand zu Lasten der Versicherten zu sparen."

Der Anlass der Auseinandersetzung: Bei der Berechnung des Krankengeldes durch die Krankenkassen wurden Einmalzahlungen, für die zuvor Beiträge abgeführt wurden, nicht mit berücksichtigt. Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat in drei verschiedenen Urteilen die beklagten Kassen zur Neuberechnung und Nachzahlung verurteilt. Um den Betroffenen bundesweit die Rückzahlung zu erleichtern, haben die Verbraucherzentralen eine Kurzinformation erarbeitet, die bei den Verbraucherzentralen erhältlich ist.


Rechtlicher Hintergrund:

Im Jahre 1995 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG – 1 BvR 892/88) die Vorschrift des Sozialgesetzbuchs (SGB) für verfassungswidrig, wonach so genannte Einmalzahlungen (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) bei der Beitragserhebung herangezogen werden, ohne diese bei der Berechnung des Krankengelds zu berücksichtigen. Offen geblieben war jedoch die Frage, wie die Berechnung des Krankengeldes zu regeln ist. Dazu erteilten die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber einen Neuregelungsauftrag.

Die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene gesetzliche Neuregelung schaffte jedoch auch keine Klarheit bei der Frage der Gleichbehandlung von Beitrags- und Leistungsseite. Daher wurde die Neuregelung erneut dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Um während dieses Verfahrens eine Flut von Anträgen der Betroffenen abzuwehren, haben die Krankenkassen zum damaligen Zeitpunkt in freiwilligen Erklärungen veröffentlicht, dass Versicherte ihre Ansprüche wegen überhöhter Beitragszahlungen auch später rückwirkend geltend machen können und sie diese nicht sofort beantragen müssten.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2000 (1 BLV 1/98) verabschiedete der Gesetzgeber eine Reform der Neuregelung vom 1. Januar 1997, mit der ab 22. Juni 2000 Einmalzahlungen bei der Berechnung von Krankengeld zwingend zu berücksichtigen sind. Demnach entfällt für Fälle, in denen bereits vor dem 21. Juni 2000 rechtskräftig über den Krankengeldanspruch entschieden worden war, der Anspruch auf Nachzahlungen. Daher gingen viele Versicherte im Vertrauen auf die freiwilligen Erklärung der Kassenverbände leer aus, die zuvor keine Anträge gestellt hatten.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen schließlich hat in drei Urteilen (S 17 KR 166/01 vom 8.11.01, S 24 KR 173/01 vom 7.12.01 und S 17 KR 139/01 vom 15.11.01 - letzteres noch nicht rechtskräftig) die Krankenkassen zur Neuberechnung und Nachzahlung verurteilt. Laut Begründung verstießen die Kassen gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf den Wortlaut der aktuellen Gesetzregelung berufen, nachdem sie zuvor ihre Versicherten davon abgehalten hätten, Ansprüche geltend zu machen. Die Kassen müssten nach Auffassung der Gerichte zwar nicht von sich aus tätig werden, jedoch auf Antrag der Versicherten.

Der vzbv empfiehlt bundesweit allen Versicherten, die in den Jahren 1998, 1999 und 2000 (bis Juni) von ihrer Krankenkasse Krankengeld ohne Berücksichtigung der Einmalzahlungen erhalten haben, bei ihrer Krankenkasse einen formlosen Antrag auf Neuberechnung und Nachzahlung des Krankengeldes zu stellen. In dem Antrag muss dargelegt werden, wann und in welcher Höhe Einmalzahlungen im Bemessungszeitraum erzielt worden sind. Mögliche Ansprüche aus dem Jahr 1997 verjähren zum Jahresende 2002. Einen Musterbrief und eine Kurzinformation für Verbraucher zur
Thematik halten die Verbraucherzentralen bereit.


Aufruf
Der Verbraucherzentrale Bundesverband behält sich nach Prüfung durch die Verbraucherzentralen vor, sich in geeigneten Fällen rechtliche Schritte einzuleiten. Betroffene sollten zunächst ihre Ansprüche bei ihrer Krankenkasse geltend machen. Im Falle der Ablehnung besteht dann nach Beratung durch die örtliche Verbraucherzentrale die Möglichkeit, dass der vzbv die Ansprüche einklagt. Eine individuelle Beratung erfolgt nur durch die Verbraucherzentralen. Übersicht unter: www.verbraucherzentrale.com

Für weitere Informationen:
Thomas Isenberg, Leiter Fachbereich
Gesundheit/Ernährung, Tel. 030/25800-431,
Dieter Lang, Referent für Pflege, Tel. 030/25800-439
Christian Fronczak, Pressereferent, Tel. 030/25800-524

Quelle und Kontaktadresse:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstr. 66 10969 Berlin Telefon: 030/258000 Telefax: 030/25800218

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