Pressemitteilung | Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)

Kritik am geplanten Direktzugang für Physiotherapeuten: Die Therapie beginnt mit der Diagnose durch den Arzt

(Berlin) - Die Erstellung einer Krankheitsdiagnose und sich daran anschließende Therapieplanungen, Verordnungen und Verlaufsbewertungen sind ärztliche Aufgaben. Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) und des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgen e.V. (BVOU) sind diese nicht an Heilmittelerbringer wie beispielsweise Physiotherapeuten delegierbar. Die Spezialisten für Knochen und Gelenke kritisieren damit ein von der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion kürzlich vorgelegtes Positionspapier, wonach Physiotherapeuten stärker in Aufgabenbereiche der ärztlichen Versorgung eingebunden werden sollen. Dabei ist die Eröffnung eines Direktzugangs zum Patienten durch den Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche Konsultation und Diagnosestellung geplant.

Münden diese auch von Berufsverbänden der Physiotherapeuten propagierten Forderungen in ein Gesetz, können Physiotherapeuten bei Schmerzen an Knochen, Gelenken und Muskeln zukünftig selbst diagnostizieren und therapieren. "Die Therapie beginnt mit der Diagnose. Die Stellung einer Diagnose ist eine ärztliche Kernkompetenz und steht damit bisher unter dem sogenannten Arztvorbehalt. Für physiotherapeutische Behandlungen darf der Weg des Patienten am Arzt nicht vorbeiführen", sagt DGOU-Generalsekretär Professor Bernd Kladny. Der stellvertretende DGOU-Generalsekretär Professor Reinhard Hoffmann ergänzt: "Wenn bisher unbestrittene ärztliche Kernkompetenz durch andere Heilberufe ersetzt wird, handelt es sich um einen Dammbruch mit nicht absehbaren Folgen für die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung."

Hauptargumente für die geplante Diagnose- und Therapieverantwortung durch Physiotherapeuten sind angebliche Einsparpotenziale und die Vermeidung von Versorgungsengpässen durch steigende Patientenzahlen. DGOU und BVOU stellen infrage, ob diese offensichtlich wirtschaftlichen Überlegungen derart gravierende strukturelle Änderungen der Versorgungslandschaft rechtfertigen.
Die beiden Fachverbände für Orthopädie und Unfallchirurgie befürchten zudem einen Anstieg von Fehlbehandlungen sowie den Aufbau von Doppelstrukturen und Intransparenz. "Wir vermissen zudem eine Aussage zur Finanzierung des geplanten Vorhabens. Es tun sich zahlreiche ungeklärte Fragen hinsichtlich einer juristischen Verantwortung sowie einer budgetären Abbildung eigenständig agierender Physiotherapeuten auf", sagt BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher.

Gravierende Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, wie beispielsweise ein Bruch an der Wirbelsäule oder eine Entzündung der Bandscheibe, sind nicht immer offensichtlich. Sie führen jedoch zu starken Schmerzen. Die Diagnostik solcher Erkrankungen durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie erfolgt leitliniengerecht und zieht dabei alle denkbaren medizinischen Diagnosen und die Kombination unterschiedlicher Symptome in Betracht. Erforderliche diagnostische Mittel wie Analyse von Blutwerten, Röntgen, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) müssen gezielt ärztlich angeordnet werden. Hier sind die diagnostischen Möglichkeiten und Kenntnisse zur Diagnosestellung durch Heilmittelerbringer eingeschränkt. Bisher ist die Diagnosestellung kein Lehr- und Prüfungselement in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten. "Das lässt sich auch nicht mit Zusatzkursen oder wenigen Stunden der Physiotherapieausbildung machen. Wenn das so einfach wäre, dann würden sich ein Medizinstudium und eine Facharztweiterbildung erübrigen", sagt Kladny.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) Susanne Herda, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Straße des 17. Juni 106 - 108, 10623 Berlin Telefon: (030) 340 60 36 00, Fax: (030) 340 60 36 01

(sy)

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