Pressemitteilung | Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)

Kritik der EU an der Besteuerung von Ehe und Lebenspartnerschaften - djb fordert umfassendes Reformprogramm

(Berlin) - Der Europäische Rat, der am 26. und 27. Juni 2014 getagt hat, hat in seinen Empfehlungen zum Nationalen Reformprogramm 2014 (NRP) der Bundesregierung zum wiederholten Male die Auswirkungen der Besteuerung auf die Beschäftigung von Frauen kritisiert und die Bundesregierung aufgefordert, Maßnahmen zum Abbau fiskalischer Fehlanreize, insbesondere für Zweitverdienende, zu ergreifen.

Die zugrunde liegenden Empfehlungen der Kommission problematisieren in einem Begleitdokument dabei vor allem die Effekte von Ehegattensplitting und kostenfreier Mitversicherung nicht berufstätiger Ehe- und Lebenspartner, die insbesondere Frauen von einer Erhöhung ihrer Arbeitsstunden abhalten. Die Kritik wird von europäischer Seite seit mehr als einem Jahrzehnt geäußert, bisher leider ohne Wirkung. "Die Bundesregierung ist aufgefordert, endlich Reformen auf den Weg zu bringen, die den Erwerbswünschen und vielfältigen Lebensrealitäten von Frauen Rechnung tragen", erklärt Ramona Pisal, Präsidentin des djb. Besonders hervorzuheben ist, dass die Kommission auch die Wirkung der im NRP vorgesehenen Förderung des Faktorverfahrens als begrenzt einschätzt, da die jährliche Steuerlast unverändert bleibt (SWD (2014) 406 final, S. 16). Damit ist die Bundesregierung aufgefordert, nicht - wie bisher
- nur das Lohnsteuerverfahren zu verändern, sondern auch das Ehegattensplitting selbst zu reformieren.

Die Empfehlungen bestätigen die vom djb wiederholt vorgetragene Kritik an Regelungen, die die Rolle von Frauen als Zuverdienerinnen zementieren und ihrer eigenständigen Existenzsicherung entgegenwirken. Umfassende Reformen sind erforderlich, unter anderem:

die Abschaffung der sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Privilegierung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse,

die Ablösung des Ehegattensplittings durch eine Individualbesteuerung mit ubertragbarem Grundfreibetrag und gleichzeitig eine angemessene Berucksichtigung des Tatbestands "Kind/er" im Einkommensteuer- bzw.
Kindergeldrecht,

in einem ersten Schritt jedoch zumindest die Abschaffung der Steuerklasse V im Lohnsteuerverfahren,

die beitragsfreie Mitversicherung von Eheleuten nach § 10 SGB V durch eine zeitlich befristete beitragsfreie Versicherung von Eltern in der gesetzlichen Krankenversicherung abzulösen und eine anschließende Versicherungsmöglichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung auf freiwilliger Basis vorzusehen.

Notwendig ist nicht nur eine Abkehr von althergebrachten Rollenleitbildern, sondern der Übergang zu einem neuen Modell sozialer Absicherung für Frauen und Männer. Dieses Modell erfordert ein neues Konzept der tätigkeitsbezogenen statt statusbezogenen sozialen Sicherung, die rechtliche Durchsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern und Regelungen, die mehr Arbeitszeitautonomie fur Erwerbstätige schaffen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die deutlichen Hinweise von Rat und Kommission im Nationalen Reformprogramm Deutschlands 2015 zu berücksichtigen und endlich Reformen auf den Weg zu bringen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb), Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen Pressestelle Anklamer Str. 38, 10115 Berlin Telefon: (030) 443270-0, Fax: (030) 443270-22

(sy)

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