Pressemitteilung | Deutscher Naturschutzring (DNR) - Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände e.V.

Lobbykampagne des BDI zur Chemikalienpolitik ist ein Angriff auf unsere Gesundheit

(Berlin) - Seit die Europäische Kommission im Februar 2001 ihr Weißbuch zur Chemikalienpolitik veröffentlicht hat, tobt ein erbitterter Streit mit der chemischen Industrie über dessen Umsetzung. Mit Hilfe einer unseriösen Studie über die Auswirkungen der neuen Chemikalienpolitik auf die deutsche Industrie soll die überfällige Reform der Europäischen Chemikalienpolitik torpediert werden.

„Sollte sich die Industrie mit ihren Lobbybemühungen in Brüssel und Berlin durchsetzen, besteht die große Gefahr, dass die neue Brüsseler Gesetzgebung die Anreicherung von Chemikalien in der Natur und im menschlichen Körper weiterhin zulässt“, kritisiert DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen die derzeitige Verzögerungs- und Aufweichungstaktik.

Die Gefahr ist deshalb so akut, weil wir nicht nur permanent von gefährlichen Chemikalien in unseren täglichen Produkten umgeben sind, sondern viele dieser Chemikalien sich im menschlichen Körper anreichern, ohne dass die potentiellen Gefahren geklärt sind. Ein normales Haarspray zum Beispiel enthält ungefähr 15 chemikalische Substanzen, von denen elf einen negativen Effekt auf Umwelt und Gesundheit haben. Es ist höchste Zeit, dass auf europäischer Ebene Vorkehrungen getroffen werden, damit Verbraucher/innen nicht mehr einer täglichen „Überdosis“ an gesundheitsgefährdenden Chemikalien ausgesetzt sind.

Doch die Industrie – allen voran die deutschen Chemieriesen – setzt alles daran, Fortschritte beim Verbraucherschutz zu verhindern und die Umwelt weiter zu belasten. Der neueste Coup kommt vom BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), der bei der Arthur D. Little eine Studie in Auftrag gegeben hat, die sich mit den Auswirkungen des Chemikalienweißbuchs auf die Industrie auseinandersetzt.

Die im DNR zusammengeschlossenen Umwelt- und Naturschutzverbände bewerten diese Studie aufgrund der Faktenlage als fehlerhaft und unseriös. Sie basiert auf unzulässigen Annahmen und Verallgemeinerungen und bringt die deutsche Industrie in Erklärungsnöte.

Die Industrie argumentiert auf der einen Seite, dass die Bereitstellung von Sicherheitsinformationen zu teuer sei, um die Produkte auf dem Markt zu halten. Auf der anderen Seite behauptet sie, chemische Produkte und Chemikalien in täglichen Gebrauchsartikel seien sicher. Doch wie kann sie das wissen, wenn die Daten gar nicht vorliegen?

Die Studie stellt einen weiteren Versuch der Industrie dar, die politisch wichtigen und richtigen Reformen - und damit auf den Schutz von Gesundheit und Umwelt - zugunsten einseitiger wirtschaftlicher Interessen zu opfern. Schon einmal musste die Industrie eine blamable Niederlage einstecken, als sie Anfang 2001 die Kosten für die Umsetzung auf 30 Milliarden Euro veranschlagte und im Sommer 2002 auf 7 Milliarden Euro nach unten korrigieren musste. Eine Studie der GD Unternehmen veranschlagt Umsetzungskosten für die Industrie auf zwischen 1-7 Milliarden Euro. Umweltverbände gehen von unter 1 Milliarde Euro aus. Kosten, die gerade einmal ein Promille des jährlichen Umsatzes der Chemieindustrie ausmachen.

Weiterhin sagt die Studie einen Verlust von zwischen 150.000 und 2.3 Millionen Arbeitsplätzen allein in Deutschland voraus. Auf die Tatsache, dass durch die Umsetzung der neuen europäischen Chemikalienpolitik allerdings neue, zukunftsfähige und sichere Arbeitsplätze geschaffen werden und die deutsche Industrie zusammen mit ihren europäischen Kollegen die Vorreiter auf innovativen neuen Märkten werden können, geht die Studie nicht ein.

Schon in der Vergangenheit musste die Chemieindustrie ihre angeblich peinlich genau ermittelten Daten nach unten korrigieren. Bei Veröffentlichung des Weißbuches 2001 war zunächst von 30 Milliarden Euro für Implementierungskosten die Rede, die später aber auf 1-7 Milliarden herunterkorrigiert werden mussten. Der DNR fordert die europäischen Staats- und Regierungschefs dazu auf, sich endlich für die schnelle Umsetzung der neuen europäischen Gesetzgebung einzusetzen, um damit negativen Effekten von Chemikalien auf Mensch und Natur ein Ende zu setzen.

Weitere Informationen:
Nika Greger
DNR Berlin Büro
Tel.: 030 44 33 91 86
Email: nika.greger@dnr.de

Stefan Scheuer
Europäisches Umweltbüro
Tel.: 0032 2 289 10 90
stefan.scheuer@eeb.org

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Naturschutzring Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Am Michaelshof 8-10 53177 Bonn Telefon: 0228/359005 Telefax: 0228/359096

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