Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Maschinen- und Anlagenbau: Das Fernweh wird stärker

(Berlin) - Jeder zweite Maschinen- und Anlagenbauer feilt an Plänen, künftig mehr im Ausland zu fertigen. Vor allem die steigenden Personalzusatzkosten, die hohen Tariflöhne und das starre Arbeitsmarktkorsett hierzulande lassen in der Branche Fernweh aufkommen.

Es ist ein erneuter Weckruf für die rot-grüne Regierung, endlich die wirtschaftspolitischen Stellschrauben neu zu justieren: Jedes vierte Industrieunternehmen plant innerhalb der nächsten drei Jahre, wegen gravierender Standortnachteile die Produktion zum Teil ins Ausland zu verlagern. Das meldete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in der vergangenen Woche. Im Jahr 1999 hatte nur jeder fünfte westdeutsche Betrieb von einem derart motivierten Auslandsengagement berichtet.

Die Ergebnisse der DIHK-Umfrage zeichnen eine besorgniserregende Momentaufnahme eines Abwanderungstrecks, der bereits seit geraumer Zeit auf Tour ist und derzeit Tempo aufnimmt: In den vergangenen drei Jahren stärkte beispielsweise fast jeder vierte Maschinen- und Anlagenbauer sein Produktions-Standbein außerhalb der Bundesrepublik. Mittlerweile fertigt gut ein Drittel der Firmen des beschäftigungsstärksten deutschen Industriezweiges in Asien, Amerika oder Osteuropa – Tendenz steigend, wie eine Umfrage des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) vom Dezember 2002 zeigt:

Mehr als die Hälfte der hiesigen Investitionsgüter-Unternehmen will zwischen 2003 und 2005 Fertigungsstätten im Ausland eröffnen oder ausbauen.

Das wäre weit weniger schlimm, würde der deutsche Herstellungseifer rund um den Globus auch in der Heimat für mehr Jobs sorgen. Doch das Gegenteil trifft zu: Nach Schätzungen des VDMA schrumpft die Inlandsbeschäftigung in diesem Jahr um 3 Prozent. Jenseits der Landesgrenzen werde die Branche dagegen – trotz schwieriger Weltkonjunktur – zusätzliche Mitarbeiter anheuern.
Die Gründe für den Exodus der Firmen lesen sich wie eine Mängelliste des Standorts D:

Hohe Personalkosten. Von den Unternehmen, die es zu Lasten der hiesigen Produktion in die Ferne zieht, nennen 90 Prozent die hohen Personalzusatzkosten als Motiv. Für 64 Prozent sind die Tariflöhne zu üppig.

Die traurige Prominenz der Mitarbeiter-Gehälter in dem Ranking kommt nicht von ungefähr. Der Posten für das Personal macht 36 Prozent der direkten Produktionskosten eines Maschinenbauers aus – das sind etwa 9 Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt der Industrie. Schließlich beschäftigt die Branche jede Menge hoch qualifizierter Fachkräfte – und die schlagen auf der Ausgabenseite immer stärker zu Buche: Lohnerhöhungen und die Steigerung der Beitragssätze zu den Sozialversicherungen treiben in diesem Jahr wohl die Personalkosten eines tarifgebundenen Maschinenbau-Unternehmens um gut 3,5 Prozent über den Vorjahreswert.

Inflexibler Arbeitsmarkt. Vier von fünf Firmen beklagen darüber hinaus das zu starre Arbeitsmarktkorsett. Vor allem der rigide Kündigungsschutz ist ein dickes Minus für die Produktion von Gütern „made in Germany“.

In einer VDMA-Umfrage vom Sommer 2002 sahen 60 Prozent der befragten Firmen in den strengen Kündigungsschutzbestimmungen das größte Beschäftigungshemmnis.
Damit Deutschland wieder an Attraktivität gewinnt, müssten die Maschinenbauer flexibler auf die stark schwankende Auftragslage reagieren können. Auf die „to do“-Liste der Regierung gehört daher nach Ansicht der Unternehmen neben der Lockerung des Kündigungsschutzes die Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes.

Steuern und Abgaben. Auch Hans Eichel hat Renovierungsarbeiten zu leisten: Der Fiskus vermiest weit mehr als jedem zweiten Maschinenbauer die Produktion zwischen Alpenrand und Nordsee. Vielen Betrieben ist der deutsche Finanzdschungel schlichtweg zu undurchsichtig.

Für zusätzliche Verunsicherung sorgt die derzeitige Diskussion über neue und höhere Steuern. Vor allem die mittelständischen Produzenten werden damit aus dem Land getrieben. Ohnehin kommen die meist als Personenunternehmen firmierenden Mittelständler erst 2005 in den vollen Genuss der Steuerreform, wenn die dritte Stufe der Einkommensteuerentlastung greift.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln Telefon: 0221/49811, Telefax: 0221/4981592

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