Pressemitteilung | DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Mittelstand kommt bei Hartz "eindeutig zu kurz" / DIHK legt Positionspapier zum Arbeitsmarkt vor

(Berlin) - Die Hartz-Kommission könnte vielleicht ein Fenster für einen Reformprozess öffnen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass mit Konsensrunden allein Probleme nicht wirklich gelöst werden. Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht im Konsens, sondern in der Kontroverse entwickelt. In Konsensrunden kann nichts gegen die Interessen der Beteiligten vereinbart werden - und so kommen die sachgerechten Lösungen nicht zustande. Mit diesen Problemen hatte schon das Bündnis für Arbeit zu kämpfen und brachte deshalb keinen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Bei der Hartz-Kommission waren die Interessen der Gewerkschaften und der Großunternehmen vertreten - und entsprechend fällt auch das Ergebnis aus: Das Thema "Mittelstand und Arbeitsmarkt" kam eindeutig zu kurz. Dies erklärt Fritz-Wilhelm Pahl, Vorsitzender des DIHK-Mittelstandsausschusses, am Mittwoch in Berlin.

Die Hartz-Vorschläge sind aus Sicht des Mittelstandes kein Durchbruch für die Arbeitsmarktpolitik. Sie werden nicht ausreichen, den negativen Beschäftigungstrend bei kleineren und mittleren Unternehmen umzukehren. Die Deregulierung der Zeitarbeit, die Befristungserleichterung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern sowie die Umkehr der Beweislast bei der Zumutbarkeit gehen zwar in die richtige Richtung. Nach Auffassung des DIHK-Mittelstandsausschusses hätte es aber vor allem einer Senkung der Steuer- und Abgabenlast sowie einer durchgreifenden Deregulierung des Arbeitsmarktes bedurft: Befristete Beschäftigungsverhältnisse hätten umfassend erleichtert werden müssen, sozialpolitisch motivierte Schutzgesetze müssten beschäftigungspolitisch auf den Prüfstand gestellt werden, eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes und eine Reform der Lohnfortzahlung wären erforderlich.

Das Positionspapier des DIHK-Mittelstandsausschusses zur Arbeitsmarktpolitik macht deutlich, in welcher schwierigen Situation sich der deutsche Mittelstand befindet: Die schwache Konjunktur und die Regulierungen durch die rot-grüne Bundesregierung führen dazu, dass der Mittelstand inzwischen seine traditionelle Rolle als Stabilisator am deutschen Arbeitsmarkt eingebüßt hat. Wie die jüngste DIHK-Konjunkturumfrage aufzeigt, planen inzwischen 26 Prozent der kleinen und 33 Prozent der mittleren Unternehmen in diesem Jahr einen Abbau der Beschäftigung; gerade einmal 10 bzw. 11 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen beabsichtigen, ihren Personalbestand auszuweiten.

Vor diesem Hintergrund bewertet der DIHK-Mittelstandsausschuss die bislang vorliegenden Vorschläge der Hartz-Kommission:

- Der Ansatz, die "Arbeitsverwaltungsämter" durch stärker kundenorientierte "Job-Center" zu ersetzen, ist richtig. Diese "Job-Center" dürfen sich aber nicht nur auf Großunternehmen konzentrieren, sie müssen in gleicher Weise den Kontakt mit dem Mittelstand suchen.

- Die Deregulierung der Zeitarbeit ist positiv zu werten. Aber staatlich subventionierte Personal-Service-Agenturen dürfen nicht gegen die privaten mittelständischen Zeitarbeitsunternehmen konkurrieren. Die Aufgaben der Personal-Service-Agenturen müssten privaten Zeitarbeitsunternehmen übertragen werden.

- Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld wurde von der Hartz-Kommission leider nicht gekürzt. Ob die vorgesehenen individuellen Sanktionen der Arbeitsverwaltung ausreichen, muss sich erst noch erweisen. Die Bereitschaft der Unternehmen, offene Stellen zu melden, dürfte sinken, wenn die Arbeitsämter künftig den Unternehmen untaugliche Bewerber vermitteln, nur um deren Arbeitsbereitschaft zu prüfen. Eine solche "Vermittlungsoffensive" braucht der Mittelstand nicht! Die Umkehr der Beweislast bei der Frage der Zumutbarkeit ist allerdings ein positives Element des Hartz-Katalogs.

- Die Beschränkung der Mini-Jobs auf haushaltsnahe Dienstleistungen greift aus Sicht des Mittelstands viel zu kurz. Dieses Instrument wird nur dann eine breite Beschäftigungswirkung zeigen, wenn es für alle Branchen gilt.
- Das Konzept der Ich-AG beseitigt nicht die Missstände des "Gesetzes gegen die Scheinselbständigkeit". Für eine "Kultur der Selbständigkeit" sind Steuer- und Abgabensenkungen und geringere bürokratische Lasten für Existenzgründer der bessere Weg.

- Der vorgesehene Anspruch älterer Arbeitnehmer auf Transferleistungen auch ohne Vermittlungsbereitschaft ist eine Renaissance der Frühverrentung "durch die Hintertür". So droht eine Belastung mittelständischer Betriebe über steigende Beiträge zu den Sozialkassen.

- Der DIHK-Mittelstandsausschuss begrüßt hingegen die Pläne der Kommission, eine erleichterte Befristung für ältere Arbeitslose vorzusehen. Dieser Vorschlag kann zu einem Stück mehr Flexibilität bei der Personalplanung mittelständischer Unternehmen führen.

- Große Hoffnungen auf Beschäftigungswirkungen des sogenannten Job-Floaters dürften Illusion bleiben. Als Folge dieses neuen Subventionstatbestandes droht eine höhere Steuerbelastung der Unternehmen.

- Die Hartz-Vorschläge lassen ein Ausstiegsszenario für das untaugliche Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) vermissen. Hier zeigt sich leider erneut der unheilvolle Widerstand der Gewerkschaften.

Angesichts der konzeptionellen Mängel hält der DIHK-Mittelstandsausschuss das Ziel der Kommission, die Arbeitslosenzahlen zu halbieren, für nicht erreichbar. Einige Regelungen belasten die Betriebe sogar zusätzlich und wirken daher als Beschäftigungsbremse. Alles in allem packt die Hartz-Kommission die wichtigen Defizite der Rahmenbedingungen für Beschäftigung in Deutschland nicht an. Der DIHK-Mittelstandsausschuss hält daher folgende Maßnahmen für dringend erforderlich, um den Arbeitsmarkt wirklich zu beleben:

- Der Abschluss befristeter Beschäftigungsverhältnisse muss endlich erleichtert werden. Mit Befristungen für einen längeren Zeitraum sollte den Unternehmen mehr Spielraum in ihrer Personalplanung gegeben werden. Unerwünschte Kettenarbeitsverträge können durch einen z.B. sechsmonatigen Mindestzeitraum zwischen zwei Arbeitsverhältnissen verhindert werden.

Der Kündigungsschutz muss wieder flexibilisiert werden. Der Mittelstandsausschuss des DIHK plädiert dafür, die Beschäftigungsgrenze für die volle Geltung des Kündigungsschutzes auf 50 Mitarbeiter heraufzusetzen. Zudem sollten Arbeitnehmer gegen Vereinbarung einer Abfindung auf ihren Kündigungsschutz ganz oder teilweise verzichten können.

- Sozialpolitisch motivierte Schutzgesetze, die beschäftigungspolitisch kontraproduktiv wirken und anfallende Kosten den Unternehmen aufbürden, sollten überprüft werden. Die Kosten der Sozialpolitik, z.B. das Mutterschutzgeld, sollten vielmehr von allen Steuerzahlern getragen werden. Höhere Zuschüsse bei einer Beschäftigung Benachteiligter, Qualifizierungsmaßnahmen und gesenkte Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt sind nach Ansicht des Mittelstandsausschusses beschäftigungswirksamer als solche Regulierungen.

Reformen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind bitter nötig. So sollten alle Arbeitnehmer ihr Einkommensrisiko eigenverantwortlich - ohne Beteiligung der Arbeitgeber – versichern können. Im bestehenden System stellen Karenztage sowie eine Absenkung des Fortzahlungsanspruches auf 80% eine deutliche Verbesserung dar.

Zieht man ein Fazit, so muss die Hartz-Kommission leider in der Rubrik "Wahlkampfgetöse" verbucht werden. Nach Auffassung des DIHK-Mittelstandsausschusses gilt: Die Bundesregierung hätte für den Arbeitsmarkt mehr tun können, wenn sie mit einem Befreiungsschlag vor der Wahl das arbeitsmarktpolitische Sündenregister von Riester und Co. aus den letzten vier Jahren - vom Kündigungsschutz über die Regulierung der Teilzeit bis zur Scheinselbständigkeit und zur Mitbestimmungsausweitung - einfach aus den Gesetzbüchern getilgt hätte.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite Str. 29 10178 Berlin Telefon: 030/203080 Telefax: 030/203081000

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