Pressemitteilung | Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) - Bundesgeschäftsstelle

NRW-Sozialminister Laumann knüpft Reform der Pflegeversicherung an Bedingungen / Breiter Konsens: Pflegeversicherung braucht mehr Geld

(Berlin) - Die ständige Steigerung der Qualitätsstandards in der Pflege, ohne gleichzeitig auch entsprechende zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, ist von dem nordrheinwestfälischen Sozialminister Karl-Josef Laumann bei der Tagung des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) mit 350 Teilnehmern am Montag in Berlin kritisiert worden. Eine Reform der Pflegeversicherung macht ohne zusätzlichen Finanzmittel aus seiner Sicht keinen Sinn: „Eine Pflegeversicherungsreform, die alles wieder nur wunderbar umschreibt, aber dann substanziell am Ende nichts dafür in die Hand nimmt, die sollten wir uns gemeinsam ersparen.“ Schon in der Vergangenheit ist aus seiner Sicht der Fehler gemacht worden, immer mehr Leistungen zu definieren, ohne das Geld dafür bereitzustellen. „Mit der Pflegeversicherung wollten wir insbesondere erreichen, dass in den stationären Einrichtungen Menschen, die bevor sie Pflegefälle wurden, nicht einer staatlichen Leistung bedurften, nicht durch die Tatsache, dass sie pflegebedürftig werden, in ein Grundsicherungssystem abrutschen. Die bisherigen Sachleistungsbeträge waren unterschiedlich, um die Menschen aus staatlichen Transferleistungen herauszuholen.“

Durch eine Beitragssatzsteigerung könnte aus Sicht von Armin Lang, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG), das notwendige Finanzvolumen für die Pflegeversicherung bereitgestellt werden: „1,7 Prozent Pflegeversicherungsbeitrag ist für uns kein Dogma!“

Neben der Finanzierung der Pflegeversicherung wurde auch die künftige Gestaltung der Sachleistungsbeträge diskutiert. Für die Stärkung der ambulanten Pflege durch Anhebung der Sachleistungsbezüge ohne Absenkung der stationären Leistungsbeträge sprach sich die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, aus: „Ich befürworte nicht, dass die stationären Leistungen abgebaut werden.“

Der pflegepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Heinz Lanfermann, warf der Regierung in dieser Frage Hilflosigkeit vor: „Wir haben von der Bundesregierung keinerlei Lösung für das wichtigste Problem, nämlich wie man angesichts der demographischen Entwicklung die dauerhafte Finanzierung wenigstens dessen, was heute geleistet wird, sicherstellen will.“

Unterschiedliche Ansichten gab es bei der Bewertung der Pflegeversicherung. Während Lanfermann die von Norbert Blüm eingeführte Umlagefinanzierung bei der Pflegeversicherung als „Fehlentscheidung“ bezeichnete, ist nach Minister Laumann die Pflegeversicherung eine „große Erfolgsstory“. „Die Pflegeversicherung hat es auch geschafft, dass sie die Sozialhilfeabhängigkeit von – vor Einführung der Pflegeversicherung – von rund 60 Prozent der Menschen auf 40 Prozent der Menschen absenken konnte. Deswegen hat die Pflegeversicherung in einem erheblichen Umfang die Träger der Sozialhilfe in Deutschland entlastet.“

Diese grundsätzlich positive Bewertung der Pflegeversicherung wurde von Willi Zylajew, pflegepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, geteilt: „Es gibt keine Sozialversicherung, die seit zwölf Jahren keine Beitragserhöhung gehabt hat. Zwölf Jahre keine Steuerzuschüsse! Sagen Sie mir, welches andere System so hervorragend funktioniert!“

Auch Armin Lang legte Wert auf den Erfolg der Pflegeversicherung. Die Einführung der Pflegeversicherung ist aus seiner Sicht die „größte kommunale Finanzreform, die je durchgeführt wurde“.

Minister Laumann widersprach in diesem Zusammenhang der Behauptung, dass ein zu starker Anreiz zur Inanspruchnahme von stationären Pflegeeinrichtungen besteht: „Es gibt in Nordrhein-Westfalen keinen Sog in die stationären Einrichtungen.“ Zum Vorgehen bei der anstehenden Reform der Pflegeversicherung sagte Hilde Mattheis: „Wir brauchen eine Reform. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn wir schon jetzt eine Neudefinition des Pflegebegriffs hätten berücksichtigen können.“

Ob es aber überhaupt zu einer Reform der Pflegeversicherung kommt, wird von Heinz Lanfermann bezweifelt. Er befürchtet, dass es bei der Pflegeversicherung aufgrund von „Verschiebungen am laufenden Band bis zur nächsten Bundestagswahl gar keine Reform“ geben wird. Angesichts der Gesundheitsreform warnte er, es dürfe bei der Pflegereform keine Einigung geben, nur um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Dann ist „nach dem Murks vor dem Murks“.

Auch Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, äußerte erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Reform der Pflegeversicherung durch die Bundesregierung: „Wenn wir sehen, was jetzt in der Gesundheitsreform passiert ist, wird mir schwindelig und schwarz vor Augen, was da im Bereich der Pflegeversicherungsreform auf uns zukommt.“

Der Unterabteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, Matthias von Schwanenflügel, verwies hingegen auf acht konkrete Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige, die bereits mit der aktuellen Gesundheitsreform in Kraft treten sollen. Zu der Neustrukturierung der Qualitätssicherung im Zuge der Pflegeversicherungsreform sagte er: „Hier denken wir darüber nach, die Expertenstandards stärker in das SGB XI zu implementieren.“ Es werde überlegt, dass Einrichtungen, die ein internes Qualitätsmanagement stärker umsetzen, hinsichtlich der Häufigkeit und Prüftiefe durch den MDK profitieren könnten.

Von Schwanenflügel kündigte ebenfalls eine Entbürokratisierung im Zuge der Pflegerform an. Diese fand die Zustimmung Willi Zylajews, dem zu viele bürokratischen Auflagen durch die Pflegeversicherung ein Dorn im Auge sind: „Das sichert Bürokraten für Generationen die Arbeit, aber nicht Pflegekräften.“

bpa-Präsident Bernd Meurer, der die Tagung moderierte, hielt als Ergebnis fest: „Eins hat sich wieder bestätigt: Die Pflegeversicherung braucht mehr Geld und die Pflegebedürftigen brauchen eine Dynamisierung der Sachleistungsbeträge. Die Frage, wie wir das finanzieren und was der Gesellschaft die Pflege wert ist, müssen wir in der Öffentlichkeit diskutieren. Dazu haben wir heute den Anfang gemacht.“

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Bundesgeschäftsstelle (bpa) Herbert Mauel, Geschäftsführer Hannoversche Str. 19, 10115 Berlin Telefon: (030) 30878860, Telefax: (030) 30878889

(sh)

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