Pressemitteilung | Hans-Böckler-Stiftung

Neue EU-Kommission sollte Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik vornehmen / Anderer Politik-Mix kann Wachstum und Beschäftigung nennenswert anheben

(Düsseldorf) - Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut (WSI) in der Hans Böckler-Stiftung kommt in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass in der Europäischen Union eine Revision der strategischen Ausrichtung von Geld-, Lohn- und Fiskalpolitik dringend nötig sei, um einen deutlichen Umschwung in der Wirtschaftsentwicklung einzuleiten. Denn trotz erster Anzeichen für eine sich belebende Konjunktur kann auch weiterhin nicht von einem kräftigen Aufschwung mit deutlich steigender Beschäftigung ausgegangen werden.

Seit Jahren wird mit verschiedenen Verfahren auf Ebene der Europäischen Union (EU) versucht, eine stärkere Wachstums- und Beschäftigungsdynamik anzustoßen. Das zentrale Politikdokument der EU-Wirtschaftspolitik sind hierbei die seit 1993 jährlich formulierten „Grundzüge der Wirtschaftspolitik“. Bis jetzt sind die dort versprochenen Wachstums- und Beschäftigungseffekte jedoch nicht eingetreten. Mehr noch, sowohl im Vergleich mit den USA als einem ähnlich großen Wirtschaftsraum als auch im Vergleich mit den Jahren vor dem ersten Erscheinen der „Grundzüge der Wirtschaftspolitik“ liegt Europa bei Wachstum und Beschäftigung zurück.

„Die schlechte europäische Performance ist nicht auf die unzureichende Umsetzung struktureller Reformen zurückzuführen. Im internationalen Vergleich ist ein systematischer Zusammenhang zwischen Strukturreformen und ökonomischen Erfolgen überhaupt nicht nachweisbar. Es ist viel versprechender, die Ursachen für die unbefriedigende Entwicklung in einer falschen Ausrichtung der makroökonomischen Politiken, d. h. der Geld-, Lohn- und Fiskalpolitiken, zu suchen“, erläutert Dr. Eckard Hein, beim WSI zuständig für Allgemeine Wirtschaftspolitik. Schon im Zeitraum 1984–1993 waren die Geld- und Fiskalpolitik sowie die Lohnentwicklung in den USA deutlich konjunktur- und wachstumsfreundlicher als im Euroraum. Dieser Unterschied hat sich im Zeitraum 1994–2003 mit dem Konvergenz-Prozess zur Europäischen Währungsunion (EWU) und dem makroökonomischen Regime von Maastricht, das sich in den „Grundzügen der Wirtschaftspolitik“ synthetisiert findet, noch verstärkt.

Die WSI-Analyse kommt zu dem Schluss, dass ein anderer Politik-Mix jedoch Wachstum und Beschäftigung nennenswert anheben kann. „Dazu sollte die Lohnpolitik ein Nominallohnwachstum in den einzelnen Mitgliedsländern erreichen, das sich am langfristigen nationalen Produktivitätswachstum plus der Zielinflationsrate der EZB orientiert. Die Geldpolitik ist angehalten, auch Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung zu übernehmen, insbesondere dann, wenn von der Lohnpolitik oder der Fiskalpolitik kein Inflationsdruck ausgeht. Die nationalen Fiskalpolitiken müssen von den kontraproduktiven Konsolidierungszwängen des Stabilitäts- und Wachstumspakts befreit werden, indem zum einen die Möglichkeit der Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen eingeräumt wird und zum anderen, indem die automatischen Stabilisatoren symmetrisch, d.h. im Abschwung und im Aufschwung, wirken können“, erklärt Heins Kollege Dr. Torsten Niechoj.

Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf Telefon: 0211/77780, Telefax: 0211/7778120

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