Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

"Notwendige und wünschenswerte Zusammenarbeit nicht kriminalisieren" / Healthcare Compliance-Konferenz des BVMed

(Berlin) - "Die notwendige und wünschenswerte Zusammenarbeit zwischen Ärzten, medizinischen Einrichtungen und Unternehmen darf nicht kriminalisiert werden", forderte die stellvertretende BVMed-Vorstandsvorsitzende Christiane Döring auf der 6. BVMed-Healthcare Compliance-Konferenz. Die derzeit diskutierte neue Antikorruptionsregelung im Strafrecht müsse sicherstellen, "dass Kooperationen zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern, die der Verbesserung der Patientenversorgung dienen, auch weiterhin möglich sind", so Döring vor rund 150 Teilnehmern am 25. November 2014 in Berlin. Healthcare Compliance, also das Einhalten von Regeln für die Zusammenarbeit in der Gesundheitswirtschaft, spielt in der Praxis eine immer größere Rolle. Das dürfe nach Meinung der Experten der BVMed-Konferenz aber nicht zu überzogenen Anforderungen führen, die die sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ärzten verhindern.

Rechtsanwalt Peter Dieners und BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt stellten den überarbeiteten Kodex Medizinprodukte vor, der vier Grundprinzipien der Zusammenarbeit verankert: Trennung, Transparenz, Dokumentation und Äquivalenz. Der Kodex Medizinprodukte (www.bvmed.de/kodex-medizinprodukte) (http://www.bvmed.de/de/recht/healthcare-compliance/kodex-medizinprodukte) enthält einfache und verständliche Verhaltensregelungen zu typischen Kooperationsformen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Drittmittelkonten, Fort- und Weiterbildung, Spenden, Geschenke und Beraterverträge. Von großer Bedeutung für die MedTech-Unternehmen seien die Etablierung und die fortlaufende Überwachung eines effektiven Compliance-Systems, so der Rechtsexperte Dr. Adem Koyuncu.

Bei der notwendigen und politisch gewünschten Zusammenarbeit von medizinischen Einrichtungen, Ärzten und der Medizinprodukte-Industrie ist das oberste Ziel des BVMed, zu vermeiden, in Korruptionsverdacht zu geraten. Das verdeutlichte Joachim M. Schmitt, BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied, in seiner Einführungsrede. Deshalb verfolge der BVMed mit der Aufklärungskampagne "MedTech Kompass" (www.medtech-kompass.de) (http://www.medtech-kompass.de) einen positiven Informationsansatz, um die Prinzipien einer guten und transparenten Zusammenarbeit bekannter zu machen. Da die Gesetzestexte oft nicht einfach zu verstehen seien, habe der BVMed bereits 1997 den "Kodex Medizinprodukte" mit praktischen Handlungsempfehlungen erarbeitet und 2006 gemeinsam mit dem Verband der Krankenhausdirektoren (VKD) Musterverträge für verschiedene Bereiche vorgelegt. Mit dem Kodex und dem "MedTech Kompass" werden die vier wichtigsten Prinzipien für "Healthcare Compliance" kommuniziert:

- Trennungsprinzip: Zuwendungen dürfen nicht im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen stehen;

- Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und Vergütung muss offengelegt werden;


- Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen müssen schriftlich festgehalten werden;

- Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Die Philosophie des BVMed und des Kodex Medizinprodukte sei es, Gesetze zu erklären und verständlich zu machen sowie praktische Verhaltensempfehlungen zu erstellen und regelmäßige Informationen und Schulungen anzubieten. Man wolle aber nicht über die inländischen Gesetze hinausgehen, denn diese seien ausreichend.

Über die geplanten Neuregelungen für die Strafbarkeit niedergelassener Ärzte und anderer Berufsgruppen im Gesundheitsbereich informierte Susanne Valluet, Rechtsanwältin bei Simmons & Simmons in Düsseldorf. "Die Strafrechts- und Berufsordnungs-Reformen werden kommen. Es ist nur noch die Frage, in welcher Form", so die Rechtsexpertin. Die Neuregelung des Straftatbestandes der Bestechung und Bestechlichkeit sei notwendig, da die aktuelle Rechtslage unbefriedigend sei. Ärzte als Amtsträger in öffentlichen Einrichtungen unterliegen einer umfassenden Strafbarkeit, können sich aber Vorgänge vom Dienstherren genehmigen lassen. Angestellte Ärzte unterliegen nur einer "fragmentarischen Strafbarkeit", haben aber keine Möglichkeit der Genehmigung.

Niedergelassene Ärzte sind nach Korruptionsdelikten mit der Ausnahme von Betrug und Untreue dagegen straffrei. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung von Dezember 2013 sieht vor, dass ein "neuer Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch" geschaffen werden soll. Die Vorlage eines Referentenentwurfs des Bundesjustizministeriums sei nach Information Valluets für Anfang des Jahres 2015 geplant. Offen sei nach wie vor, wer als "tauglicher Täter" definiert wird. Hier gebe es unterschiedliche Ansätze. Ein bayerischer Diskussionsentwurf vom Juli 2014 sehe eine Beschränkung auf "Angehörige eines Heilberufs, für den im Inland eine berufsständische Kammer eingerichtet ist", vor. Dies schließe nicht-akademische Berufe aus. Eine Strafverschärfung sei vorgesehen, wenn "der Täter einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung bringt".

Healthcare Compliance hat in den Unternehmen der Medizinprodukte-Branche erheblich an Bedeutung gewonnen, so Christiane Döring, GHD-Geschäftsführerin und stellvertretende BVMed-Vorstandsvorsitzende. Aus Sicht der Leistungserbringer aus dem Hilfsmittel- und Homecare-Bereich habe insbesondere der § 128 SGB V zur unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten für das Thema Healthcare Compliance und die Beachtung der vier Grundprinzipien sensibilisiert. Die Unternehmen hätten eigene Compliance-Kodizes, Leitbilder und Compliance-Systeme vorangetrieben. Die Regelung beinhalte aber große Rechtsunsicherheit. Zudem seien niedergelassene Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen.

"Infolge dessen gelten die derzeitigen gesetzlichen Strafrechtsregelungen für Vorteilsannahme und Bestechlichkeit und Bestechung nicht", so Döring. Deshalb sei eine Neureglung im Strafgesetzbuch sinnvoll. Den bayerischen Vorschlag nannte Döring als geeignete Diskussionsgrundlage, der aber noch angepasst werden müsse. Der vorgesehene Tatbestand sei zu unbestimmt und zu weit gefasst.

Die Neuregelung im Strafrecht müsse nach Ansicht Dörings "dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot entsprechen und darf keinen Interpretationsspielraum für strafrechtrelevantes Verhalten lassen". Die neue Antikorruptionsregelung müsse sicherstellen, dass notwendige und politisch gewünschte Kooperationen zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern, die der Verbesserung der Patientenversorgung dienen, auch weiterhin möglich sind und nicht kriminalisiert werden. Die Regelung dürfe auch innovative Versorgungsmodelle nicht behindern oder gar sanktionieren, so Dörings Appell an den Gesetzgeber.

Aktuelle Versorgungsthemen wie Dienstleistungsverträge, Patientenmanagement, die Abgabe von Mustern und Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen müssten auch mit der neuen Antikorruptionsregelung weiterhin möglich sein.

Rechtsanwalt Dr. Peter Dieners von Clifford Chance stellte die überarbeiteten Regelungen des "Kodex Medizinprodukte" dar. Der Kodex war vom BVMed und den damaligen GKV-Spitzenverbänden gemeinsam erarbeitet und im Mai 1997 erstmals veröffentlicht worden. Er gibt einfache und verständliche Verhaltensregelungen zu typischen Kooperationsformen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Drittmittelkonten, Fort-und Weiterbildung, Spenden, Geschenke und Beraterverträge. Er deckt damit die kritischsten Fragestellungen der Praxis ab.

Der überarbeitete und modernisierte Kodex verankert die vier Grundprinzipien der Zusammenarbeit und erweitert den Adressatenkreis: "Angehörige der Fachkreise" sind demnach "Ärzte und Apotheker sowie alle Angehörigen medizinischer, zahnmedizinischer oder sonstiger Heilberufe und sämtliche andere Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Medizinprodukte verordnen, anwenden, benutzen oder mit diesen in erlaubter Weise Handel treiben". Beim Themenkomplex "Fort- und Weiterbildung" sollten Ärzte bei Kostenübernahme eine obligatorische Zustimmung des Dienstherrn einholen. Tagungsort und Tagungsstätte sollten nach sachlichen Kriterien ausgewählt werden und Unterbringung und Bewirtung in angemessenem Rahmen erfolgen. Einladungen dürfen sich nicht auf Begleitpersonen erstrecken. Die neue Kodex-Version wird im Januar
2015 erscheinen.

Aline Lautenberg, Director Legal and Compliance beim europäischen Dachverband Eucomed in Brüssel, ging auf die europaweit unterschiedliche Ansätze bei Verhaltensregelungen in Kodizes ein. Unterschiede gibt es vor allem bei der direkten Unterstützung von Mitarbeitern in medizinischen Einrichtungen bei einer passiven Kongressteilnahme sowie bei Vorschriften für die indirekte Unterstützung von Fortbildungsstipendien. Der Eucomed-Vorstand diskutiert hier eine Verschärfung der bestehenden Regelungen. Ziel ist ein einheitlicher Verhaltenskodex der Verbände für Medizinprodukte und Diagnostika auf europäischer Ebene. Kernprinzip sei Transparenz, so dass die sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Unternehmen nicht angegriffen werden kann, so Lautenberg. Sie ging zudem auf das "Conference Vetting System" (CVS, www.ethicalmedtech.eu) (http://www.ethicalmedtech.eu) als System zur Überprüfung von externen Konferenzen und Kongressen ein. Ziel sei es, eine konkrete Hilfestellung für die Industrieunterstützung von externen Veranstaltungen zu geben. Neben europäischen Veranstaltungen sollen in Zukunft auch internationale Events bewertet werden. Ein entsprechender Testlauf sei bereits abgeschlossen.

Der Rechtsanwalt und Arzt Dr. Adem Koyuncu von Covington & Burling ging auf die aktuelle Rechtsprechung zu Anforderungen an die "Compliance-Organisation" ein.

Am bekanntesten ist das Siemens-Urteil des Landgerichts München vom 10.
Dezember 2013. Das Gericht befand, dass der angeklagte Vorstand haften müsse, da er kein funktionierendes Compliance-Programm etabliert und überwacht habe, um das "Schwarze-Kassen-System" zu verhindern. Diese Verpflichtung ist übertragbar auf die Rolle von Compliance-Officern in Unternehmen. Die Anforderungen an eine Compliance-Organisation hängen vom Risiko-Potential des Unternehmens ab. Bei Risiken sind die Organisationspflichten nur dann erfüllt, wenn ein effektives Compliance-Programm für Prävention und Risikokontrolle implementiert ist. Kernelemente sind Prävention, Aufdeckung von Non-Compliance und entsprechende Reaktionen bei Compliance-Verstößen. Aus weiteren Urteilen ergibt sich die Notwendigkeit, die verschiedenen Elemente des Compliance-Systems fortlaufend zu koordinieren und zu überwachen. "Ein Compliance-System muss auch gelebt werden", so Koyuncu. Sowohl das "Compliance Monitoring" als auch das "Compliance Auditing" durch unabhängige Auditoren müsse in Unternehmensrichtlinien abgebildet werden. Koyuncu: "Das ist in der Praxis häufig nicht oder nur unzureichend umgesetzt."

Aufgrund der Vielzahl an internationalen und nationalen Gesetzen, Vorschriften und Neuregelungen hält Rudolf Haug, Geschäftsführer der The Solving Company, den Aufbau eines Compliance-Systems für äußerst wichtig. Dabei sollten pragmatische Ansätze und Compliance-Prozesse etabliert werden, die der notwendigen Marktorientierung gerecht werden. Die internationalen Regelungen seien von umfangreichen Besonderheiten und Pflichten geprägt. So gebe es durch die EU-Datenschutzrichtlinie erheblich höhere Anforderungen an Datenschutz-Compliance. Der US-Sunshine Act enthalte weitreichende Aufzeichnungspflichten für alle Zuwendungen an Ärzte. Der UK-Bribary Act enthält ein Verbot der aktiven und passiven Bestechung aller Personen sowie eine Pflicht, präventive Maßnahmen einzuführen. Der französische Sunshine Act verlangt Transparenz und Offenlegung aller Vorteile über 10 Euro rückwirkend für 2012. Haug: "Wichtig gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist ein ganzheitlicher Ansatz mit pragmatischen, standardisierten Prozessen und vorgenehmigten Sachverhalten."

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Manfred Beeres, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: (030) 246255-0, Fax: (030) 246255-99

(cl)

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