Pressemitteilung | DPtV e.V. - Deutsche PsychotherapeutenVereinigung

Psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung / Politik muss Behandlungsmöglichkeiten zügig verbessern

(Berlin) - Patienten mit psychischen Störungen warten zu lange auf einen Psychotherapieplatz. Die Folgen sind unnötige und den Menschen stark belastende Chronifizierungen von Krankheiten, steigende Verschreibungen von Psychopharmaka und hohe Krankenhauskosten, wenn Patienten stationär, statt frühzeitig ambulant, behandelt werden. "Das angekündigte Versorgungsstrukturgesetz muss die Situation für die Patienten und damit die Behandlungsmöglichkeiten der ambulant tätigen Psychotherapeuten deutlich verbessern", fordert jetzt die Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) Psychotherapeutin Barbara Lubisch.

Die Rahmenbedingungen für die ambulante Psychotherapie legt die sogenannte Psychotherapierichtlinie fest. Sie sichert allen gesetzlich Versicherten gleiche und verlässliche Bedingungen. "Es ist ein großer Vorteil, dass jeder gesetzlich Versicherte in Deutschland die gleichen Bedingungen vorfindet, egal in welcher Krankenkasse er versichert ist", betont Dipl.-Psych. Barbara Lubisch, "aber diese Bedingungen müssen dringend reformiert und dem gestiegenen Bedarf an Psychotherapie angepasst werden."

Moderne Konzepte
Es fehlen sowohl kurzfristig verfügbare Behandlungsmöglichkeiten, ohne dass gleich eine reguläre Psychotherapie eingeleitet wird, als auch eine langfristige Behandlung chronisch kranker Patienten. Außerdem sind die Gruppentherapien durch unverhältnismäßige Regelungen erschwert. "Wir haben viele Baustellen, bei denen moderne Konzepte greifen müssen", zeigt sich Barbara Lubisch überzeugt und nennt als Beispiel das Antrags- und Genehmigungsverfahren, das endlich entbürokratisiert werden sollte. "Mit dem heutigen Verfahren wird viel dringend benötigte Behandlungszeit vergeudet", ist sich Lubisch sicher.

Psychotherapie wirkt
Dass Psychotherapie eine in allen Altersklassen wirksame und von den Patienten als sehr positiv und stark unterstützend wahrgenommene Therapie ist habe die kürzlich vom Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) veröffentlichte
Versichertenbefragung gezeigt Dabei wirke sich Psychotherapie nicht nur positiv auf die psychische Erkrankung aus, sondern bei drei Viertel der ehemaligen Psychotherapiepatienten auch auf körperliche Krankheitssymptome.

Durchsichtige Manöver
Die immer wieder aus offensichtlichen Einsparbestrebungen der Krankenkassen oder aus Konkurrenzgründen einiger Arztgruppen hervorgebrachten Behauptungen, z. B. Psychotherapeuten würden nur Befindlichkeitsstörungen behandeln, ihre Behandlungen künstlich in die Länge ziehen sind ebenso falsch wie die Behauptung, Psychotherapeuten würden zu wenig arbeiten. Die im März im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Analyse der Abrechnungsdaten durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt, dass sich Psychotherapeuten am individuellen Behandlungsbedarf und nicht an den bewilligten Kontingenten orientieren. Trotz langer Wartezeiten und erst kürzlich neu berechneter Bedarfsplanung arbeiten dagegen die Krankenkassen darauf hin, Psychotherapeutensitze in schlecht versorgten Regionen zugunsten von Klinikambulanzen einzusparen. "Hier stellt sich erneut die Frage, wie wichtig der Politik eine gute psychotherapeutische Versorgung wirklich ist", sagt Lubisch, "letztendlich leiden die Betroffenen Menschen erheblich unter diesen Defiziten".

Falsche Maßstäbe
Ein großes Problem für die Psychotherapeuten sind auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bei den bis zu fünf möglichen sogenannten probatorischen Sitzungen bei der Aufnahme eines Patienten wird geprüft, ob eine Psychotherapie notwendig ist. Diese Sitzungen werden mit 25 Prozent weniger Honorar vergütet, obwohl sie hohe Anforderungen stellen. Eine Stunde Psychodiagnostik wird gar nur mit der Hälfte der normalen Vergütung bezahlt. Gerade die für eine gründliche Diagnostik und Krisenintervention notwendigen ersten Sitzungen werden am schlechtesten bezahlt.

Nach dem aktuellen Jahresbericht des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) betragen die Behandlungsstunden eines Psychotherapeuten im Durchschnitt 28 Sitzungen pro Woche. Einschließlich der Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, der Dokumentation, der Fortbildungen und der Praxisverwaltung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich 42 Stunden. Bei der Frage, wann eine Psychotherapeutenpraxis voll ausgelastet sei, taucht öfter eine Zahl von 36 Sitzungen Psychotherapie pro Woche auf. Dabei handelte es sich um eine Annahme des Bundessozialgerichts zur Frage, wann die maximale Belastungsgrenze von Psychotherapeuten mit einer optimalen Praxisausstattung erreicht sei. Tatsächlich ist es so gut wie ausgeschlossen, längere Zeit an dieser Belastungsgrenze zu arbeiten. "Die Tatsache, dass 99 Prozent der Psychotherapeuten unterhalb dieser Belastungsgrenze bleiben, zeigt, dass Psychotherapeuten ihre Arbeit so einteilen, dass sie nicht selbst durch Burn-out ausfallen. Nur so kann auch langfristig eine hohe Behandlungsqualität gewährleistet werden. Von einer Berufsgruppe, deren Ziel die psychische Gesundheit ihrer Patienten ist, wird man auch erwarten, dass sie sich selbst gesund erhält", verdeutlicht Barbara Lubisch.

"Mit einer psychotherapeutischen Praxis verdient man mit 42 Stunden Arbeitszeit nur die Hälfte dessen, was ein Facharzt verdient, der im Durchschnitt 49 Stunden pro Woche arbeitet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Psychotherapeuten - anders als Ärzte - bei Urlaub, Fortbildung, Krankheit oder anderen Arbeitsausfällen nicht vertreten lassen dürfen. Sie können psychotherapeutische Leistungen nicht an Praxispersonal delegieren. Mit dem durchschnittlichen Praxisumsatz, von dem alle
Praxiskosten, die eigene Sozialversicherung und Altersvorsorge und die Steuern abgezogen werden müssen, ist Personal für die Praxisorganisation kaum zu finanzieren. "Der Anrufbeantworter muss dann die Praxishelferin ersetzen, gewiss kein guter Zustand, weder für die Psychotherapeuten noch für die anfragenden Patienten."

Sprechende Medizin
"Nicht nur bei den Einkommen zeigt sich die Geringschätzung, die man der Psychotherapie und überhaupt der sprechenden Medizin und den Zuwendungsleistungen entgegenbringt. Je technischer die Leistungen, desto ausgeprägter werden Ressourcen in der Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt", kritisiert Barbara Lubisch. "Es ist auch nicht länger hinzunehmen, dass den Psychotherapeuten die notwendigen sozialrechtlichen Befugnisse, z.B. für Kranken-hauseinweisungen oder schlichten Überweisungen zu anderen (Mit-)Behandlern verwehrt bleiben. Die Psychotherapeuten erwarten von der Politik, die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer funktionierenden ambulanten psychotherapeutische Versorgung ernst zu nehmen und sowohl eine Verbesserung der Strukturen als auch eine gerechte finanzielle Ausstattung ihrer Praxen anzugehen", fasst Lubisch die Forderungen der Psychotherapeuten zusammen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V. (DPtV) Ursula-Anne Ochel, Pressesprecherin Am Karlsbad 15, 10785 Berlin Telefon: (030) 235009-0, Fax: (030) 235009-44

(sy)

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