Pressemitteilung | Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (BDI)

Sieben politische Forderungen an die Bundesregierung

(Wiesbaden) - Der Berufsverband Deutscher Internisten ist ein ärztlicher Berufsverband, der sich mit spezifischen Fragestellungen und Problemen innerhalb des Gesundheitswesens beschäftigt. Da mag es verwundern, wenn der Verband nun auch politische Forderungen auf ganz anderen Feldern erhebt.

Der Grund ist banal: Die Gesundheitspolitik agiert nicht in einem eigenen abgeschotteten Raum, sie kann nur in gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Zusammenhängen betrachtet werden. Ein ärztlicher Verband, der auch seiner Verantwortung für das Gesundheitssystem gerecht werden will, muss über den Tellerrand hinausblicken.

Wer die Probleme des Gesundheitswesens in Angriff nehmen will, muss die notwendigen Reformen in ein Gesamtkonzept einbetten. Die Wirkung von Insellösungen verpufft allzu schnell, sofern sie überhaupt in nennenswertem Umfang eintreten. Die vielen so genannten Reformen im Gesundheitswesen der Vergangenheit sind dafür der beste Beweis. Dass dies nicht nur für das Gesundheitswesen gilt, sondern für alle anderen Politikfelder, insbesondere die Sozial-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, liegt auf der Hand. Gerade diese Felder müssen mit Reformmaßnahmen im Gesundheitswesen verzahnt werden, wenn ein langfristiger Erfolg sichergestellt werden soll. Dies wurde in den vergangenen Jahren zu oft vernachlässigt, die Politik hat sich zu oft auf wenig koordinierte Einzelmaßnahmen konzentriert.

Vor diesem Hintergrund hat der BDI sieben politische Rahmenforderungen an die zukünftige Bundesregierung formuliert:
1. Konsolidierung der öffentlichen Haushalte
2. Reform des Arbeitsmarktes
3. Aufbrechen des Tarifkartells
4. Rückbesinnung des Staates auf hoheitliche Aufgaben, Subsidiaritätsprinzip stärken
5. Stärkung der Eigenverantwortung
6. Entbürokratisierung
7. Vereinfachung des Steuerrechtes

Dieser konzeptionelle Rahmen muss nach Überzeugung des BDI insgesamt bearbeitet und umgesetzt werden; dies darf nicht wieder durch unkoordinierte Einzelmaßnahmen ersetzt werden. Hier nun weitere Einzelheiten zu den sieben Forderungen.

1. Konsolidierung der öffentlichen Haushalte
Die Handlungsfähigkeit des Staates hängt ganz wesentlich davon ab, dass er ausreichend finanziellen Spielraum hat, um aktiv Wachstumspolitik zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit zu leisten. Derzeit ist diese Voraussetzung jedoch nicht gegeben. Somit sind die Staatsfinanzen durch eisernes Sparen und finanzielle Disziplin schnellstmöglich in Ordnung zu bringen. Finanzieller Spielraum ergibt sich durch konsequenten Abbau von staatlichen Subventionen. Hier steht je nach Rechnung ein Volumen zwischen Euro 70 Mrd. und Euro 150 Mrd. zur Verfügung. Jede nachhaltige Politik erfordert solide Staatsfinanzen. Dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ausgesprochen wichtig für die Zukunft des Gesundheitswesens ist, muss nicht eigens betont werden. Der Erfolg einer aktiven Wachstums- und Arbeitsmarktpolitik trägt ganz erheblich zur Sicherung der finanziellen Basis des Gesundheitssystems bei.

2. Reform des Arbeitsmarktes
Der Arbeitsmarkt muss belebt werden. Dies ist nicht mit Bürokratiemonstern und der Geldvernichtungsmaschinerie der Hartz-Reform zu bewältigen. Entsprechend den Vorschlägen aus dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung wird es darauf ankommen, verschiedene Reformschritte miteinander zu kombinieren. Durch Eingriffe in das Anciennitätsentlohnungsprinzip der Tarifsysteme und Veränderungen bei der viel zu lukrativen Frühverrentung kann der Arbeitsmarkt der Älteren mobilisiert werden. Hierzu müssen Löhne auf das „markträumende“ Niveau reduziert werden und ein Sozialeinkommen hinzu gezahlt werden. Diese Zuzahlung kann aus einer vorhandenen Frührente gedeckt werden. Wer Frührente bezieht, kann weiterarbeiten, wenn sein altes Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt wird und ein neuer Arbeitsvertrag zu neuen Bedingungen abgeschlossen wird. Da die Rentenabschläge versicherungsmathematisch korrekt vorgenommen werden, ist das Öffnen dieses Arbeitsmarktes für den Staat aufkommensneutral. Resultat ist ein neuer Arbeitsmarkt für Ältere, auf dem zwar niedrigere Löhne gezahlt werden, doch auch weniger belastende Tätigkeiten erledigt werden. Auf diese Arbeitsplätze, die in einen neuen Arbeitsmarkt überführt werden, können jüngere und leistungsfähigere Bewerber nachrücken. Wie schon unter Punkt 1 erwähnt, hat die Reform des Arbeitsmarktes unmittelbare positive Auswirkungen auf die finanzielle Basis des Gesundheitswesens.

3. Aufbrechen des Tarifkartells
Die formelhaft ablaufenden Tarifverhandlungen unter dem Flächentarifvertrag sind nicht mehr geeignet, der individuellen Situation und unterschiedlichen Leistungskraft von Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung gerecht zu werden. An die Stelle des Flächentarifes gehören individualisierte Vereinbarungen, die einen Interessensausgleich zwischen Unternehmen und Beschäftigten zum Wohle aller herstellen.

Die hier geforderten Reformen werden zu einer höheren Beschäftigungsquote führen. Auch wenn sie im Ergebnis zu einem geringeren Durchschnittseinkommen führen, dürften sie unterm Strich doch wiederum dem Gesundheitswesen zugute kommen.

4. Rückbesinnung des Staates nur auf hoheitliche Aufgaben, Subsidiaritätsprinzip stärken
Aufgabe des Staates ist es, rechtliche Rahmenbedingungen zu setzen, die dem zu regelnden Gegenstand gerecht werden und praxisnahe und sachgerechte Lösungen ermöglichen und nicht verhindern. Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet dies paritätische Regelungsmechanismen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern bei Wahrung der Patientenautonomie. Gesundheitspolitik kann nicht nach Kassenlage betrieben werden, weil eine einseitige, fiskalisch ausgerichtete Betrachtungsweise dem Stellenwert der Gesundheit für die Bürger nicht gerecht wird. Der Staat hat keine Regelungen zu treffen, wenn Vertragspartner sachgerecht im Rahmen und im Einklang geltenden Rechtes Sachverhalte geregelt haben. Die immer wieder aufflammenden Streitereien zwischen dem gemeinsamen Bundesausschuss und dem Gesundheitsministerium sind in diesem Sinn das prototypische Beispiel für eine systemwidrige Fehlentwicklung.

5. Stärkung der Eigenverantwortung
Das Zusammenwirken aller Reformvorschläge wird beim Bürger wieder das Gefühl hervorrufen, dass er nicht reflexlos seine Lebensverantwortung an den Staat abgibt, sondern er Selbstverantwortung zeigen muss und nur subsidiär den Staat in Anspruch nehmen kann. Diese Haltung des „mündigen“ Bürgers ist stark abhängig vom Gefühl des Bürgers, dass der Staat ihn nicht bevormundet und sich ungebührlich in seine Angelegenheiten einmischt. Gerade im Gesundheitswesen darf der „mündige Bürger“ respektive der „mündige Patient“ nicht zum Schlagwort der Gesundheitspolitik verkommen, das auf der anderen Seite durch immer massivere Steuerungsmechanismen zur Worthülse ausgehöhlt wird. Dass die Bürger durchaus mehr Eigenverantwortung wünschen, zeigt die Meinungsforschung immer wieder. Aktuell sei hier auf die Janssen-Cilag-Bevölkerungsstudie verwiesen, die gezeigt hat: Die Deutschen wollen mehr Wahlmöglichkeit innerhalb des Krankenversicherungsschutzes und sind durchaus bereit, für den selbst zusammengestellten Versicherungsschutz auch mehr auszugeben.

6. Entbürokratisierung
Der Staat leidet unter der Vorstellung, dass jeder noch so kleine Lebensvorgang vorauszubestimmen und im Sinne des Staates zu reglementieren sei, wenn nur die Regelung genau genug ist. Dies hat uns überbordernde Demokratie, bevormundete Bürger, eine aufgeblähte Verwaltung und eine überforderte Gerichtsbarkeit eingebracht. Die Bürokratie hat das Vertrauen in den Staat geschwächt und nicht gestärkt.

Eine zielstrebige Entbürokratisierung kommt vor allem auch dem Gesundheitswesen zugute: Der enorme Teil der Arbeitszeit, den Ärzte in Klinik und Praxis heute für Bürokratie aufwenden müssen, könnte zu einem erheblichen Teil wieder für die Patientenversorgung frei werden.

7. Vereinfachung des Steuerrechtes
Wie das gesamte bürokratische Staatsgebilde ist das Steuerrecht extrem ungerecht und unübersichtlich. Logisch nicht nachvollziehbare Steuerbe- und -entlastungen führen psychologisch zum weitreichenden Gefühl der Steuer-Ungerechtigkeit. Dem Bürger muss in einem stark vereinfachten System ständig transparent sein, wie viel Steuern er zahlt und wie hoch seine Realbelastung im Steuersystem ist. Hierzu müssen konsequent sämtliche steuerlichen Ausnahmetatbestände entfallen. Die durch ein vereinfachtes Steuerrecht frei werdenden Kapazitäten könnten durchweg besser genutzt werden – auch im Gesundheitswesen.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI) Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden Telefon: 0611/18133-0, Telefax: 0611/18133-50

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