Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Soziale Sicherung: 70 Prozent der Deutschen sprechen von Reformstau

(Köln) - Eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Deutschen ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik ihre Reformaufgaben vor sich herschiebt und im internationalen Wettbewerb zurückfällt. Vor allem eine schnelle und wirksame Senkung der Arbeitslosenzahlen liegt der Bevölkerung am Herzen. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage bei über 2.000 Bundesbürgern, die das Emnid-Institut kurz vor der Bundestagswahl auf Veranlassung des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) durchgeführt hat.

Die wichtigsten Ergebnisse im Einzelnen:

- Deutschland fällt zurück. Rund 70 Prozent der Bundesbürger meinen, ihre Heimat befinde sich im Reformstau. Nur 28 Prozent der Befragten finden alles o.k. und glauben sogar, dass die Republik international an vorderster Stelle mitrudere. Binnen Jahresfrist hat sich damit die Wahrnehmung der Bevölkerung stark verändert. Im Juni 2001, als die gleiche Frage gestellt wurde, meinten erst 51 Prozent der Befragten, dass Deutschland notwendige Reformen vor sich herschiebe. Ausgesprochen pessimistisch sind die Männer – drei von vier sehen Deutschland in puncto Wettbewerb sogar auf einem Abstiegsplatz. Aber auch Gewerkschaftsmitglieder (70 Prozent) unterscheiden sich mit ihrem Negativurteil nicht wesentlich vom allgemeinen Meinungstrend.

- Arbeitslosigkeit schnell und wirksam bekämpfen. Von 18 Aufgaben, welche die neue Regierung unbedingt lösen sollte, konnten die Befragten drei ankreuzen, die ihnen besonders wichtig sind. Mit 79 Prozent der Nennungen erhält die Antwort „Arbeitslosenzahlen schnell und wirksam senken“ die höchste Priorität. Für ostdeutsche Befragte (84 Prozent) und Gewerkschaftsmitglieder (85 Prozent) hat das Thema einen noch höheren Stellenwert. An zweiter Stelle der Prioritätenliste steht mit 41 Prozent der Nennungen „Wirtschaft ankurbeln“. Auf Rang drei folgt ein Thema, das gerade jetzt an Brisanz gewonnen hat: „Steuern und Abgaben spürbar senken“, wünschen sich 36 Prozent der Bürger – der Regierung müssten hier angesichts der neuerlichen Steuer- und Abgabenorgie die Ohren klingen. Dagegen stehen viele vermeintlich wichtige Angelegenheiten wie „Verbraucherschutz“ und „Verbrechensbekämpfung“ nicht unbedingt im Pflichtenheft für die Regierung – allenfalls jeder zehnte Befragte verlangt hier von Berlin, mehr Initiative zu zeigen. Trotz PISA-Studie rangiert auch das Thema „Bildung verbessern“ mit 17 Prozent der Nennungen auf einem eher verlorenen Posten.

- Rentenversicherung nicht ausreichend. Die Diskussion um die gesetzliche Rentenversicherung hat die Bevölkerung offenkundig erreicht und sensibilisiert: Immerhin 55 Prozent der Deutschen befürchten, dass ihre soziale Absicherung durch die gesetzliche Rente nicht ausreichend ist. Dies gilt in gleicher Weise für Befragte in West- und Ostdeutschland. Vor allem die Berufstätigen wissen, was die Stunde geschlagen hat. Prognosen, wonach im Jahr 2050 ein Erwerbstätiger einen Rentner versorgen muss, werfen mithin ihre Schatten voraus. Aber auch junge Leute halten den Spruch: „Eines ist sicher, die Rente!“ für ausgelutscht. Allein die rentennahen Jahrgänge und die Ruheständler hoffen, dass ihre Rente eine sichere Bank ist – und haben damit wohl recht. Denn Reformen brauchen Zeit. Und ansonsten vertrauen die Älteren offenbar auf das Verfassungsgericht, das schon dafür sorgen wird, dass Besitzstände nicht gekappt werden.

- Krankenversicherung ausreichend. Die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung werden längst nicht so kritisch gesehen wie die der Rentenversicherung – obwohl schon vor der Bundestagswahl die Defizite einzelner Kassen Gesprächsstoff geliefert haben. Mit dem Grad der medizinischen Versorgung ist man alles in allem zufrieden. So halten 65 Prozent aller Befragten ihre Kranken- und Pflegeversicherung für ausreichend. Diese Meinung zieht sich mit relativ geringen Abweichungen durch die meisten Befragtengruppen. Auch für knapp zwei Drittel der Berufstätigen ist auf diesem Gebiet die Welt einstweilen noch in Ordnung. Vor allem die älteren Menschen fühlen sich in der Obhut der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wohl. Fast drei Viertel der Senioren glauben, dass sie im Krankheitsfall ausreichend abgesichert sind.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0221/49811 Telefax: 0221/4981592

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