Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Städtetag und vier Städte legen aktuelle Berechnungen vor / Regierung entlastet bei der Gewerbesteuer die Großunternehmen und belastet den Mittelstand

(Berlin) - Die Pläne der Bundesregierung zur Gewerbesteuer entlasten massiv die Großunternehmen und belasten den Mittelstand. Die Kapitalgesellschaften müssten danach in Zukunft fast 3,5 Milliarden Euro weniger Gewerbesteuer zahlen, während mittelständische Einzelunternehmen mit fast 1,5 Milliarden Euro belastet würden. Das ist das Ergebnis von aktuellen Berechnungen des Deutschen Städtetages und Steuerexperten seiner Mitgliedsstädte. Weil das Aufkommen der Gewerbesteuer infolge des Gesetzentwurfes kaum wachse, müssten außerdem die Verbraucher über die Mehrwertsteuer in Zukunft die städtischen Aufgaben stärker mitfinanzieren, erklärten am 21. August in Berlin der Deutsche Städtetag und die Kämmerer der Städte Essen, Hannover, Leipzig und München. Der Anteil der Kapitalgesellschaften an der Finanzierung städtischer Aufgaben sinke von heute 62 auf künftig 44 Prozent.

„Die Bundesregierung hat keine Reform der Gewerbesteuer beschlossen, sondern eine erneute Unternehmenssteuerreform. Dabei werden die Belange der Städte trotz ihrer schweren Finanzkrise übersehen und sogar weiter beschädigt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus. Seine Stellvertreterin Monika Kuban ergänzte: „Der Gesetzentwurf ist in weiten Teilen mit einem Vorschlag der Wirtschaft identisch. Diese Ideen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sind aber in der Kommission zur Gemeindefinanzreform gar nicht erörtert und geprüft worden.“

Der Kämmerer von München, Klaus Jungfer, erläuterte Einzel-Ergebnisse der Berechnungen. Plus- und Minusangaben beziehen sich hier auf die Gesamtsteuerlast, also Einkommensteuer, Gewerbesteuer und die übrigen Unternehmenssteuern:

- Die Kapitalgesellschaften werden durch den Gesetzentwurf gegenüber dem heutigen Recht um drei bis vier Prozent entlastet. Sie müssen beispielsweise bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 380 Prozent und einem zu versteuernden Einkommen von einer Million Euro jährlich rund 15.000 Euro weniger Steuern zahlen.
- Kleine Gewerbetreibende werden zum Teil extrem belastet, bei 50.000 Euro Gewinn und einem Hebesatz von 490 Prozent sogar um 9,3 Prozent, das sind jährlich 1.257 Euro.
- Freiberufler müssen nach dem Modell der Regierung, das ganz anders ausgestaltet ist als das Kommunalmodell, bei Gewerbesteuer-Hebesätzen über 380 Prozent trotz der Verrechnung der Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer bis zu maximal 12,6 Prozent mehr Steuern zahlen.

„Die Bundesregierung plant bei der Gewerbesteuer ein großes Entlastungsprogramm für Kapitalgesellschaften, das der Mittelstand und die Freiberufler finanzieren müssen“, sagte der Kämmerer von München, Klaus Jungfer: „Ein wichtigstes Ziel der Gemeindefinanz-reform ist aus Sicht der Städte genau das Gegenteil: Die heute bestehenden Steuerschlupflöcher für Kapitalgesellschaften müssen geschlossen werden, damit auch Großunternehmen einen angemessenen Teil zur Finanzierung städtischer Aufgaben beitragen. Der Vorschlag der Regierung ist mittelstandsfeindlich und schadet den Kommunen.“ Jungfer verwies darauf, dass in München derzeit keines der sieben im DAX notierten Unternehmen mehr Gewerbesteuer zahle. Er kritisierte, dass der Gesetzentwurf den Kapitalgesellschaften fast alle Möglichkeiten belasse, die Zahlung von Gewerbesteuer auch in Zukunft zu vermeiden.

Der Kämmerer von Leipzig, Bürgermeister Peter Kaminski, warnte vor den Folgen des Gesetzentwurfes für die ostdeutschen Städte und verwies darauf, dass das Gewerbesteueraufkommen dort nur 40 Prozent der durchschnittlichen Gewerbesteuereinnahmen vergleichbarer westdeutscher Städte betrage: „Die Gewerbesteuer muss gestärkt statt geschwächt werden, damit die große Abhängigkeit der ostdeutschen Städte von Steuereinnahmen des Bundes und der Länder verringert wird. Leipzig würde durch das Modell des Bundes voraussichtlich 20 Prozent Gewerbesteuer verlieren. Das kann nicht Sinn einer Gemeindefinanzreform sein, die die Finanzlage der Städte verbessern soll.“

Die Bundesregierung, so Kaminski weiter, demontiere mit ihrem Vorschlag die Gewerbesteuer, weil die bislang einbezogenen ertragsunabhängigen Elemente – vor allem die Hälfte der Dauerschuldzinsen – in Zukunft nicht mehr zum Gewerbeertrag hinzugerechnet werden sollen: „Die Gewerbe-steuer verliert ihren Charakter als Objektsteuer und wandelt sich zu einer Steuer vom Einkommen. Es ist verfassungsrechtlich fraglich, ob die Gewerbesteuer in einem einfachen Gesetzgebungsverfahren aus dem Grundgesetz gestrichen oder durch eine Gemeindewirtschafts-steuer ersetzt werden kann.“

Der Kämmerer von Hannover, Stefan Weil, nannte den Begriff Gewerbesteuerreform für die Pläne der Regierung „grob irreführend“. Der Gesetzentwurf entpuppe sich als ein von der Wirtschaft inspiriertes Modell zur Beseitigung der Gewerbesteuer - nicht zum Januar 2004, sondern in Etappen. „Aufkommen und Substanz der Gewerbesteuer werden untergraben. Wenn diese Pläne Gesetz werden, stehen die Städte anschließend schlechter da als nach derzeitiger Rechtslage“, sagte Weil.

Obwohl die Gewerbesteuer seit 2000 bundesweit um etwa fünf Milliarden Euro eingebrochen sei, werde den Kommunen jetzt eine relativ geringe Mehreinnahme von 0,9 Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer angekündigt. Ob diese Summe wirklich in den Städten ankomme, sei außerdem noch gar nicht sicher. Die Städte müssten die Daten des Bundesfinanzministeriums gründlich auf Plausibilität prüfen.

Weil kritisierte, dass die Regierung den größten Teil der angekündigten Verbesserung aus den steuerlichen Maßnahmen von insgesamt 2,5 Milliarden Euro – nämlich 1,8 Milliarden Euro – über die Umsatzsteuer finanzieren wolle. „Die Reform verlagert ähnlich wie das in der Gemeindefinanzreformkommission parteiübergreifend abgelehnte BDI-Modell Kosten für die Mitfinanzierung städtischer Aufgaben von der Wirtschaft auf die Bürger. Die Verbraucher zahlen die Zeche über die Mehrwertsteuer, obwohl sie über ihre Lohn- und Einkommensteuer bereits hinreichend das Leistungsangebot der Städte mitfinanzieren.“

Der Kämmerer von Essen, Dr. Horst Zierold, warnte vor „schweren regionalen Verwerfungen“ aufgrund der Gewerbesteuer-Pläne. „Ähnlich wie das BDI-Modell würde der Vorschlag der Regierung die Stadtflucht ins Umland verstärken. Denn in großen Städten würden Personengesellschaften, aber auch Freiberufler besonders stark belastet.“ Dort hätten die Städte wegen ihrer großen Aufgabenfülle, der Anforde-rungen an eine gute Infrastruktur und der sozialen Problemlagen hohe Gewerbesteuer-Hebesätze von meist über 380 Prozent, so dass die Gewerbesteuer nicht voll von der Einkommensteuer abgezogen werden könne.

Zierold zog zum Gesetzentwurf der Regierung das Fazit: „Alle gravierenden Nachteile der Vorschläge der Regierung hat das Kommunalmodell vermieden. Die Kommunen haben bei ihren Plänen darauf geachtet, dass viele Gewerbesteuerzahler entlastet werden und neue Belastungen moderat und vertretbar ausfallen.“ Am Regierungsmodell sei festzustellen, wie fragwürdig ein Vorschlag sein könne, weil er in der Reformkommission nicht beraten und durchgerechnet worden sei.

Aktuelle Berichte über einen Anstieg des Gewerbesteuer-Aufkommens im zweiten Quartal 2003 kommentierten der Städtetag und die vier Kämmerer mit folgendem Hinweis: Das Niveau der Gewerbesteuer sei seit dem Jahr 2000 so stark eingebrochen, dass eine erste Erholung, noch dazu bei den gegenwärtigen Regierungsplänen zur Demontage der Gewerbesteuer, keinesfalls die Gewerbesteuer dauerhaft stärke und stabilisiere.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Telefon: 030/377110, Telefax: 030/37711999

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