Pressemitteilung | IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - Bundesgeschäftsstelle

Studie lehnt Emissionshandelsvorschläge der EU ab / Große ökonomische und soziale Schäden bei nur geringem ökologischen Nutzen

(Hannover) - Die EU-Vorschläge zum Emissionshandel bringen ökologisch weniger als bestehende Instrumente und haben gravierende negative ökonomische Wirkungen sowie soziale Verwerfungen mit hohen Arbeitsplatzverlusten zur Folge. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und eines Teams der Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Ströbele. Angefertigt wurde sie im Auftrag der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, der Unternehmen RWE, E.ON, Vattenfall Europe, Degussa und BASF sowie der Verbände der Zement-, Glas- und Papierindustrie, des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Bei der Vorstellung der Studie „Emissionshandel auf dem Prüfstand“ erklärte der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt heute in Berlin: „Wollen wir den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig machen, dann stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, die Erfordernisse von Klimaschutz, Energiepolitik, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik miteinander in Einklang zu bringen. Nur wenn diese Ziele bei unseren politischen Entscheidungen gleichgewichtig angewendet werden, nur wenn diese Ziele im Einzelnen verfolgt werden, ohne die jeweils anderen zu vernachlässigen oder gar zu übergehen – nur dann werden wir auf Dauer Wachstum, Wohlstand, Arbeit und Erhalt der Umwelt wirklich erreichen können.“

Deutschland befinde sich auf einem guten Weg. „Wir praktizieren einen politisch gewollten Energiemix, der Versorgungssicherheit, Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt auch Beschäftigung sichert. Gleichzeitig können wir einen vorbildlichen Standard im Klimaschutz vorweisen. Einsparung und Effizienz, sowohl bei Erzeugung wie Verbrauch, haben enorme Fortschritte gebracht. Dies ist uns weitgehend ohne Regulierung und Bürokratisierung gelungen, nämlich durch ein System der Selbstverpflichtungen der Wirtschaft,“ sagte Schmoldt. Die Studie lasse befürchten, dass mit der EU-Richtlinie zum Emissions-Trading die ausgeklügelte Balance von Energie- und Klimapolitik zerstört oder nachhaltig beschädigt werden könnte.

„Würde die Richtlinie zum Emissions-Trading in der vorliegenden Form beschlossen, so wäre klimapolitisch nichts gewonnen, nichts für Deutschland, und auch nichts für die gesamte Europäische Union. Die Richtlinie ist, trotz gegenteiliger Behauptungen der Europäischen Kommission, mit dem erfolgreichen deutschen System zum Klimaschutz nicht kompatibel und sie kann zu schwerwiegenden industrie- und energiepolitischen Verwerfungen führen, insbesondere bei den Energieerzeugern und den energieintensiven Branchen,“ erklärte der IG-BCE-Vorsitzende.

Die Europäische Kommission lasse sich nach wie vor von abstrakten Vorstellungen eines Handelssystems leiten und erkenne die Erfolge der bisherigen deutschen Klimapolitik nicht ausreichend an. „Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Mitgliedsland der Europäischen Union,“ fuhr Schmoldt fort, „hier ist es seit 1990 gelungen, die Reduktionsverpflichtungen beim CO2 zu erfüllen. Das war weder einfach noch kostenlos. Mehr noch, Deutschland trägt die Hauptlast der Einsparungen, weit mehr als die anderen EU-Mitglieder zusammen.“

Der Handel mit Zertifikaten allein reduziere in keiner Weise den CO2-Aussstoß. Vielmehr sollten CO2-Minderungen vorrangig über Investitionen zur Energieeinsparung und zur Effizienzsteigerung, die gleichzeitig den Standort Deutschland und die Arbeitsplätze sichern, erreicht werden. Die Selbstverpflichtung der deutschen Industrie, die Öko-Steuer, das KWK-Gesetz und in gewissem Umfang auch das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien hätten die entsprechenden Impulse ausgelöst. „Wir sind zusammen mit der Politik und mit der Wirtschaft entschlossen, diesen Weg konsequent fortzusetzen,“ betonte Schmoldt, „wir sind uns auch mit der Industrie einig, dass dieses Instrumentarium völlig ausreicht, um die Kyoto-Ziele bis 2008/2012 zu erreichen. Es sollte daher eben nicht durch ein anderes Instrument beschädigt oder ersetzt werden, schon gar nicht durch das Emissions-Trading nach EU-Manier.“

Mit dem Kommissions-Vorschlag sei ein klarer Eingriff in den Energie-Mix verbunden, der negative Auswirkungen auf die Energieversorgungssicherheit erwarten lasse: „Der Emissionsrechte-Handel unter den Bedingungen der EU-Richtlinie wird nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass mittel- und langfristig der Ausstieg aus der Kohle-Verstromung erfolgen wird. Es steht zu befürchten, dass die bald anstehenden Entscheidungen zur substantiellen Erneuerung des deutschen Kraftwerk-Parks nicht so getroffen werden, wie das eigentlich angekündigt war.“

Damit würden dann Investitionen in Milliardenhöhe abwandern, warnte Schmoldt: „Konkret ist davon auszugehen, dass weder eine weitere BOA-Anlage noch das neue Steinkohlenreferenzkraftwerk je in Betrieb gehen können, jedenfalls nicht hier im Land. Wir halten eine solche Politik für nicht vereinbar mit den elementaren Interessen des Energie- und Industriestandortes Deutschland.“
„Auch in der chemischen Industrie oder der Mineralölwirtschaft würde der Anreiz für Investitionen hier am Standort zwangsläufig arg beeinträchtigt. Es würde dann nämlich lohnend sein, Anlagen hier zu schließen, Zertifikate zu verkaufen und die gleichen Anlagen oder gar umweltpolitisch schlechtere Anlagen im Ausland, vor allem im nichteuropäischen Ausland billiger zu betreiben.“

„Wir setzen auf die Einsicht in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass sich ein Zwangshandel-System für Umwelt-Emissionen wachstums- und beschäftigungsfeindlich auswirken wird und der klimapolitische Erfolg mit einer Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas erkauft wird. Insofern ist die Verschiebung der Entscheidung des Umweltrates auf deutsches Drängen in der letzten Woche ein erster Erfolg. Wir haben die Hoffnung, dass man sich in Europa bei den Umweltministern im Dezember dieses Jahres auf einen Standpunkt einigen kann, der unseren Bedenken gegen die EU-Richtlinie Rechnung trägt,“ erklärte der IG-BCE-Vorsitzende.

Die Koalitionsvereinbarung der neuen rot-grünen Bundesregierung weise hier grundsätzlich den richtigen Weg: „Dabei muss besonders angemerkt werden, dass wir hier auch mit Bundesumweltminister Trittin einig sind. Die Vereinbarung unterstützt die Einführung eines Emissions-Handelsystems, legt sich aber nicht auf den bisherigen Vorschlag der Europäischen Kommission fest. Ich verstehe dies als eine Aufforderung, sich an der Gestaltung eines solchen Emissions-Handelssystems in dem von mir beschriebenen Sinne aktiv zu beteiligen.“

Die neue Bundesregierung formuliere im Koalitionsvertrag die Eckpunkte für ein Emissionshandelssystem: „Seit 1990 ergriffene Maßnahmen zur Verminderung der Treibhaus-Gase müssen bei der Zuteilung der Emissions-Rechte angerechnet werden und die Emissions-Rechte sollen dauerhaft kostenlos zugeteilt werden. Der Emissions-Handel soll mit den flexiblen Instrumenten des Kyoto-Protokolls kompatibel gemacht werden, d.h. auch das sogenannte Joint Implementation und der Clean Development Mechanism müssen in die Richtlinie einbezogen werden. Dies würde deutschen Unternehmen ermöglichen, ihr umweltspezifisches Know-how international einzusetzen. Ich füge hier aber ausdrücklich hinzu: Die Umsetzung von Klimaschutz-Zielen durch Investitionen für Wachstum und Beschäftigung am Standort Deutschland muss Vorrang behalten.“

Schließlich weise die Bundesregierung auf einen möglichen Weg hin, die Einbeziehung der Selbstverpflichtungen im Rahmen des Emissions-Handelssystems sicherzustellen, nämlich eine sogenannte gesetzlich geregelte Pool-Lösung. Die Attraktivität eines solchen Pool-Systems dürfte darin liegen, dass den Unternehmen die bürokratische Last abgenommen werde, sich direkt am CO2-Emissions-Handel beteiligen zu müssen. Auf dem Wege zu einer solchen Pool-Lösung bedürfe es aber noch der Klärung vieler Sachfragen.

Schmoldt: „Wir haben keinerlei Zweifel, dass die Bundesregierung in Brüssel über gute Argumente verfügt, die uns die Fortführung unserer bisherigen Klima-Politik erlauben und die vor allem energie- und industriepolitischen Schaden von uns abwenden. Dazu hat die Bundesregierung unsere gemeinsame Unterstützung, darauf setzen wir, dafür werden wir am Ende in Brüssel Verbündete finden. Alles andere wäre unsinnig und für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein gefährlicher Nachteil.“

Quelle und Kontaktadresse:
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Königsworther Platz 6 30167 Hannover Telefon: 0511/7631-0 Telefax: 0511/76 31-713

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