Pressemitteilung | Deutsches Komitee für UNICEF e.V.

Tödliche Reise für Kinder / UNICEF Report fordert Sechs-Punkte-Agenda zum Schutz von geflüchteten und migrierten Kindern

(Köln) - Kinder und Jugendliche auf der Flucht- und Migrationsroute über Nordafrika nach Italien sind regelmäßig sexueller Gewalt, Ausbeutung sowie Misshandlungen durch Menschenschmuggler oder Personal in Haftzentren in Libyen ausgesetzt. Dies ist ein zentrales Ergebnis des neuen UNICEF-Reports "A Deadly Journey for Children: The Central Mediterranean Migrant Route”. Für den Bericht hat das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in Libyen geflüchtete und migrierte Kinder aus elf Ländern interviewt, die versuchten nach Europa zu gelangen.

Der Report dokumentiert ein erschreckendes Maß an Schutzlosigkeit und Gewalt:
- Drei Viertel der befragten Kinder gaben an, dass sie zumindest einmal während ihrer Reise mit Gewalt, Bedrohungen oder Aggressionen durch Erwachsene konfrontiert waren. Die Hälfte der Kinder erzählten, dass sie geschlagen und misshandelt wurden - auch von Soldaten, Polizisten oder Milizen. Sie sagten, dass sie ausgebeutet wurden, um die nächste Etappe der Flucht oder die Rückkehr in ihre Heimat zu finanzieren.

- Die Hälfte der interviewten Frauen und Kinder berichteten über sexuellen Missbrauch - oftmals mehrere Male und an verschiedenen Orten. Aus Angst inhaftiert zu werden, wenden sie sich oftmals nicht an die Polizei. Illegale Haftzentren in Libyen arbeiten mit Menschenhändlern zusammen, die Frauen in die Europäische Union schleusen, um sie dort zur Prostitution zu zwingen.

- Inhaftierte Frauen berichten von schweren Lebensbedingungen in überfüllten Lagern ohne ausreichende Nahrung, angemessene sanitäre Einrichtungen oder medizinische und rechtliche Hilfe. Kinder werden vielfach mit Erwachsenen in überfüllten Zellen gemeinsam eingesperrt.

- Die meisten befragten Frauen und Kinder waren monate- oder sogar jahrelang unterwegs und von Menschenschmugglern abhängig. Der 14-jährige unbegleitete Flüchtling Jon aus Nigeria, der in Libyen in einem der zahlreichen Haftzentren festgehalten wird, erzählt: "Wenn einer in der Wüste stirbt, werfen sie seinen Körper weg. Ich bin jetzt seit sieben Monaten hier, Sie behandeln uns wie Hühner. Sie schlagen uns. Sie geben uns kein sauberes Wasser oder zu essen. Sie belästigen uns. Viele sterben hier an Krankheiten oder erfrieren."

Zum Zeitpunkt der Befragungen im Herbst 2016 hielten sich in Libyen offiziell rund 256.000 Migranten und Flüchtlinge auf. Davon waren 30.803 Frauen und 23.102 Kinder - ein Drittel dieser Kinder waren unbegleitet und besonders schutzlos. Die Dunkelziffer wird jedoch dreimal so hoch geschätzt. Bei dem Versuch, von Libyen über das Mittelmeer nach Italien zu kommen, starben im vergangenen Jahr mindestens 4.570 Menschen - das ist jede 40. Person. UNICEF schätzt, dass mindestens 700 Kinder unter den Opfern waren.

"Die zentrale Mittelmeerroute ist heute ein voll und ganz kriminalisiertes Geschäft auf Kosten von Kindern und Frauen. Die Schmuggler und Menschenhändler gewinnen. Dies passiert, weil es keine sichere und legale Alternativen gibt. Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft dieses Thema angeht und insbesondere den Schutz der Kinder auf dieser Reise verbessert", schreibt Justin Forsyth, stellvertretender Exekutivdirektor von UNICEF in dem heute vorgestellten Bericht."

Als Schlussfolgerung aus dem Report appelliert UNICEF an die Regierungen und an die Europäische Union sechs Kernpunkte zum Schutz von Kindern auf der Flucht und in der Migration umzusetzen:
- Geflüchtete und migrierte Kinder, insbesondere unbegleitete Kinder, müssen vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden.
- Die Inhaftierung von Kindern aufgrund ihres Aufenthaltsstatus muss aufhören.
- Die Wahrung der Familieneinheit ist der beste Weg, Kinder zu schützen und ihnen einen sicheren rechtlichen Status zu geben.
- Alle geflüchteten und migrierten Kinder müssen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie psychosozialer Betreuung haben.
- Fluchtursachen müssen bekämpft werden.
- In den Transit- und Zielländern müssen Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Marginalisierung gefördert werden.

UNICEF setzt sich zusammen mit vielen Partnern für die Rechte der Kinder und kindgerechte Lebensbedingungen in Krisengebieten, auf den Fluchtrouten und in den Zielländern ein. In Griechenland und in Italien werden zum Beispiel die Regierungen dabei unterstützt, Flüchtlingskinder und migrierte Kinder zu schützen und mit Angehörigen zusammenzubringen. Trotz der Unsicherheit in Libyen hilft UNICEF dort Städten und Gemeinden besonders gefährdete Kinder zu versorgen. Hierzu wurden mit verschiedenen Städten Kooperationen vereinbart.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Komitee für UNICEF e.V. Pressestelle Höninger Weg 104, 50969 Köln Telefon: (0221) 936500, Fax: (0221) 93650279

(sy)

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