Pressemitteilung | AOK - Bundesverband

Umfrage: Krankenhäuser tun mehr fürs Risikomanagement

(Berlin) - Die Patientensicherheit an deutschen Krankenhäusern macht Fortschritte. Mehr als doppelt so viele Krankenhäuser wie noch 2010 nutzen inzwischen Patientenbefragungen, um Risikoquellen zu identifizieren. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts für Patientensicherheit (IfPS) der Universitätsklinik Bonn unter 572 Krankenhäusern in Deutschland. Demnach nutzen heute weitaus mehr Kliniken Instrumente des klinischen Risikomanagements (kRM) als noch 2010 - zum Zeitpunkt der Vorgängerbefragung. Die Studie belegt aber auch, dass das kRM noch systematischer und vernetzter erfolgen könnte. Durchgeführt wurde die Umfrage in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit, dem AOK-Bundesverband und der Techniker Krankenkasse.

Fortschritte zeigen sich auf allen Feldern: So verwenden heute fast alle der befragten Krankenhäuser ein breites Spektrum an Datenquellen zur Risikoidentifikation. Patientenbefragungen werden heute bei 98 Prozent der Krankenhäuser durchgeführt (2010: 47 Prozent). 91 Prozent der befragten Krankenhäuser werten Schadensfälle aus (2010: 79 Prozent), 96 Prozent machen Kennzahlen-Analysen (2010: 86 Prozent) und 91 Prozent erheben selbst Daten (2010: 84 Prozent).

Auch im Bereich Risikobewältigung werden bewährte Verfahren immer breiter eingesetzt. So führen mittlerweile 91 Prozent der Krankenhäuser ein systematisches MRSA-Screening von Risikopatienten durch. Fünf Jahre zuvor waren es noch 72 Prozent. Auch die Einführung professioneller Fehlermeldesysteme, sogenannter Critical Incident Reportings (CIRS), deren Einsatz vom Gemeinsamen Bundesausschuss von Kliniken, Ärzten und Kassen empfohlen wurde, ist vorangekommen. Inzwischen setzen mit 68 Prozent der Kliniken doppelt viele Häuser auf ein lokales CIRS wie 2010 (34 Prozent).

Insgesamt hat sich das kRM seit 2010 positiv entwickelt, allerdings gibt es auch weiterhin weiße Flecken. So sind Verfahren der prospektiven Risikoanalyse noch Mangelware, fast die Hälfte der Krankenhäuser (43 Prozent) hat sich damit noch gar nicht befasst. Auch die Zusammenführung der gesammelten Risikoinformationen kann noch verbessert werden (63 Prozent ja, 2010: 36 Prozent). Auch fehlen in vielen Kliniken noch Strategie und Systematisierung der Einzelmaßnahmen.

Dementsprechend sehen die befragten Kliniken auch Verbesserungsbedarf im offenen Umgang mit Fehlern, bei Vernetzung und Austausch zwischen den Kliniken/Abteilungen und bei der Standardisierung der Verfahren.

Auch wurde wieder nach den wichtigsten Risikoschwerpunkten im Klinikalltag gefragt. Hier gibt es gegenüber 2010 einige Veränderungen. Zwar stehen Schnittstellenprobleme bei Aufnahme, Entlassung, Abteilungswechsel und Übergabe weiterhin an oberster Stelle, auch Platz 2 ist mit den Risiken bei der Arzneimitteltherapie gleich geblieben. Auf Platz 3 folgen diesmal aber diagnostische und therapeutische Risiken (2010: Rang 6), und neu auf Platz 4 ist es die Notfallaufnahme. Krankenhaus-Infektionen/Hygiene sind auf Platz 5 (2010: Platz 3).

Die schriftliche Online-Befragung wurde von März bis Juni 2015 durchgeführt, teilgenommen haben 572 Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken. 32 Prozent der befragten Kliniken waren in privater Trägerschaft, 38 Prozent frei-/gemeinnützig und 29 Prozent öffentlich. Die Stichprobe setzt sich zusammen aus Universitätsklinika (6 Prozent), Allgemein-Krankenhäusern (61 Prozent), Fachkrankenhäusern (11 Prozent), Psychiatrien (7 Prozent), Rehabilitationskliniken (14 Prozent) und anderen (1 Prozent). Der Rücklauf entspricht der Verteilung der Grundgesamtheit über die Bundesländer.

Zitate:

Hedwig Francois-Kettner - Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS):"Wer krank ist, geht zum Arzt oder ins Krankenhaus: Im Jahr 2012 waren dies 18,6 Millionen klinische Fälle und 700 Millionen ärztliche Beratungen oder Behandlungen im Folgejahr. Dabei passieren auch Fehler. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit APS hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Plattform zu schaffen und weiterzuentwickeln, die ein kooperatives Arbeiten für mehr Patientensicherheit zwischen Krankenhaus, niedergelassenen Ärzten, Pflegepersonal, Hebammen und den Krankenkassen möglich macht. Unser Anspruch ist es, öffentlichkeitswirksam Mängel bei der Behandlungssicherheit anzusprechen und Fragen nach Gründen und Abhilfe zu stellen und Tools bereitzustellen, um damit das Prinzip der Schuldigen-Suche zu überwinden."

Martin Litsch - Kommissarischer Vorstand des AOK-Bundesverbandes: "Behandlungsfehler in der Medizin sind bis heute eine heikle Angelegenheit. Die Patienten suchen deshalb im Fall der Fälle die Unterstützung ihrer Krankenkasse. Die AOKs halten seit vielen Jahren systematisierte Betreuungsangebote vor und bieten Zweitmeinungs- verfahren an. Wenn man aber grundsätzlich die Patientensicherheit und Transparenz im Umgang mit Fehlern verbessern will, dann braucht man Fakten zur Häufigkeit von Diagnosen, Ergebnisqualität und Komplikationsraten. Das ist die Voraussetzung für die Kliniken, diese Themen strukturiert anzupacken, und zwar ohne Vorwürfe, sondern mit dem Ziel, keinen Fehler zweimal zu machen. Und es ist das Beste für den Patienten, der ein Recht auf einen vertrauensvollen und ehrlichen Umgang hat. Dank des QSR-Verfahrens wird für Kliniken und Patienten die medizinische Qualität transparent gemacht. Und das führt letztlich zu mehr Sicherheit für Patienten und das ist unser langfristiges Ziel."

Dr. Jens Baas - Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK):"Wichtig sind uns Aktivitäten, um Fehler gar nicht erst entstehen zu lassen. Hier ist das deutsche Gesundheitssystem deutlich weiter als vor zehn oder 20 Jahren. Dass es eine Studie gibt wie diese, wäre vor einer Generation unvorstellbar gewesen. Klinisches Risikomanagement klingt technisch, ist zu einem großen Teil aber auch eine kulturelle Frage, die Bewusstseinsveränderungen voraussetzt. Daher bin ich den beteiligten Kliniken sehr dankbar. Aufgrund der Relevanz der Patientensicherheit, der erforderlichen sektorübergreifenden Zusammenarbeit und der Nachhaltigkeit der so zu erzielenden Ergebnisse setze ich darauf, dass interdisziplinäre Aktivitäten hier künftig vom Innovationsfonds gefördert werden. Eine Fortschreibung der heute vorgestellten Befragung gehört in meinen Augen auch dazu."

Prof. Tanja Manser - Direktorin des Instituts für Patientensicherheit (IfPS) des Universitätsklinikums Bonn: "Unsere Untersuchung von rund 600 Krankenhäusern hat gezeigt, dass diese mittlerweile ein breites Spektrum von Maßnahmen einsetzen, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Dabei ist es eher selten, dass Risiken im Rahmen von Behandlungen in systematischer Form oder gar proaktiv analysiert werden. Ermutigend ist, dass es gerade bei Schulungen zu CIRS-Fehlermeldesystemen, bei der Reaktionszeit gegenüber Fehler-Meldenden und bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Behandlungspannen-Abhilfe gute Fortschritte erzielt werden konnten. Es kann aber auf ein strategisches Vorgehen, das eine Systematisierung und Implementierung der einzelnen Maßnahmen zur Patientensicherheit zum Ziel hat, nicht verzichtet werden. Insgesamt kann man sagen, dass die politischen Forderungen Wirkung zeigen, aber ohne die Förderung von Kompetenz und Ressourcen in den Kliniken wird es nicht gehen."

Quelle und Kontaktadresse:
AOK - Bundesverband Pressestelle Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin Telefon: (030) 34646-0, Fax: (030) 34646-2502

(dw)

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