Pressemitteilung | (VDE) Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.

VDE sieht in der automatischen Spracherkennung wichtiges Anwendungsgebiet der Informationstechnik

(Frankfurt am Main) - Der Philipp-Reis-Preis 1999 geht an Herrn Dr.-Ing. Jiri Navratil für seine herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der automatischen Sprachen-Identifikation. Der gebürtige Tscheche hat im Mai 1999 mit der Arbeit "Untersuchungen zur automatischen Sprachen-Identifikation auf der Basis der Phonotaktik, Akustik und Prosodie" mit dem Ergebnis "summa cum laude" promoviert. Die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (ITG) sieht in dieser Arbeit als einen herausragenden wissenschaftlichen Beitrag nicht nur zur sprachtechnologischen Grundlagenforschung, sondern auch zu einer aktuellen anwendungsorientierten Fragestellung.

Der Philipp-Reis-Preis ist eine Auszeichnung, die der VDE, die Deutsche Telekom und die Städte Friedrichsdorf und Gelnhausen gemeinsam verleihen. Sie wird seit 1986 alle zwei Jahre an junge Wissenschaftler vergeben. Die technisch-wissenschaftliche Begleitung des Bewerbungsverfahren hat die ITG übernommen. Sie ist mit 11.000 Mitgliedern die größte Fachgesellschaft auf ihrem Gebiet in Europa. Der Gelnhauser Bürger Philipp Reis (1834 - 1874) gilt als der Erfinder des Telefons. Im Jahr 1861 eröffnete er das Zeitalter der Telekommunikation, indem er das Telefonieren durch galvanischen Strom demonstrierte. Mit dem denkwürdigen Satz "Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" bewies er, dass sich Töne aller Art durch den Strom in beliebiger Entfernung reproduzieren lassen.

Der diesjährige Preisträger, Dr. Jiri Navratil, wurde 1971 in Hodonin, Tschechien, geboren. In den Jahren 1989 bis 1994 studierte er an der TU Ilmenau und schloss mit dem Ingenieurdiplom ab. Seine Diplomarbeit am Institut für Kommunikations- und Messtechnik war dem Thema "Hidden-Markoff-Modelle" gewidmet. Dr. Navratil hat während seines Studiums mehrere Praktika im Videotext-Labor bei Philips in Hamburg absolviert. Im Januar 1995 erhielt er ein Stipendium der Landesgraduiertenförderung, um bis 1996 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Ilmenau zu wirken. Nach Abschluss seiner Dissertation im Jahr 1998, trat Dr. Navratil als Forschungsmitarbeiter in das IBM T.J. Watson Research Center, Yorktown Heights, NY/USA, ein.

Die ausgezeichnete Arbeit des Wissenschaftlers widmet sich einem Problem, das bis etwa 1990 durch die konzentrierten Forschungsaktivitäten in der Sprach-Erkennung eher in den Hintergrund gerückt war: Die Sprachen-Identifikation. Dabei handelt es sich um die automatische Erkennung einer Sprache aus fließend gesprochener Rede. Diese Verfahren gehören zu den besonders anspruchsvollen Aufgaben der technischen Sprachverarbeitung. Die besondere Problematik ergibt sich aus der mit der Anzahl der zu identifizierenden Sprachen rasch anwachsenden Komplexität und der dennoch meistens einzuhaltenden Echtzeitbedingungen. Weitere Schwierigkeiten bereitet die Forderung nach der Verarbeitung spontan-sprachlicher Äußerungen.

Die automatische Erkennung von Fremd- beziehungsweise Landessprachen (Sprachen-Identifikation) gewinnt in der Praxis immer mehr an Bedeutung: In Anwendungen wie sprachgesteuerten Dialog-Systemen (Auskunfteien), automatischen Übersetzungsmaschinen und Suchmaschinen in multilingualen Spracharchiven stellt die Erkennung der Landessprache einen wichtigen und ersten Verarbeitungsschritt dar. Der VDE sieht hier ein wichtiges Forschungs- und Anwendungsgebiet der Informationstechnik.

Navratil hat mit seiner Arbeit ein effektives System entwickelt, dass die Landessprache anhand vielfältiger Informationsquellen erkennt. Dazu werden unter anderem statistische und neuronale Modelle genutzt. Die Forschungsarbeit des jungen Tschechen gewinnt durch ihre praktische Einsetzbarkeit noch mehr an Bedeutung: Das System ist mit gängigen Rechner- und Datenressourcen realisierbar. Ein eigens gebauter Demonstrator ist bereits auf einem handelsüblichen PC echtzeitfähig einsetzbar. Die im Rahmen der Arbeit entstandenen Systemkomponenten zur Sprachen-Identifikation wurden im Jahr 1998 durch MEDAV GmbH von der TU Ilmenau zur Vermarktung lizenziert. Die erreichten Sprach-Identifikationsraten liegen bei sechs Sprachen bei Testäußerungen von zehn Sekunden Dauer oberhalb von 90 Prozent, bei Testäußerungen von 45 Sekunden Dauer sogar über 99 Prozent, was beim heutigen Stand der Technik ein absolut beeindruckendes Ergebnis ist.

Der VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, Frankfurt/M., ist mit 35.000 Mitgliedern, davon etwa 1.200 Unternehmen, der bedeutendste technisch-wissenschaftliche Verband für die Schlüsseltechnologien in Deutschland und versteht sich als Sprecher dieser Schlüsseltechnologien. Der Philipp-Reis-Preisträger ist Mitglied im VDE

Quelle und Kontaktadresse:
VDE Pressekontakt: VDE, Stresemannallee 15, 60596 Frankfurt am Main, Telefax 069 - 631 29 25

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