Pressemitteilung | Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)

Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen als Schutz vor Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung reichen nicht

(Köln) - „Das Kindervorsorgeprogramm ist in seiner gegenwärtigen zeitlichen und inhaltlichen Ausrichtung nicht geeignet, als einzige Maßnahme die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder frühzeitig zu erkennen und zu verhindern – wie es zur Zeit in die Öffentlichkeit durch verschiedene Politiker transportiert wird“, sagte heute (26. November 2007) in Köln BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann. „Es ist ein reines, zur Durchführung in der Praxis vorgesehenes Krankheitsfrüherkennungsprogramm aus den 70er Jahren. Mit diesem Instrument kann der Kinder- und Jugendarzt die sozialen und familiären Lebens- und Versorgungsstrukturen der Kinder nicht ausreichend beurteilen,” so Hartmann weiter. “Zur Verhinderung der schweren Formen von Kindesmisshandlung und –vernachlässigung ist eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung daher keine ausreichende Maßnahme.“

Um Gewalt und die meist chronische Vernachlässigung frühzeitig und nachhaltig bekämpfen zu können, bedürfe es unbedingt multiprofessioneller Netze der Akteure (u.a. Frauenärzte, Hebammen, Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, ämterseitige Hilfsangebote, Kinderschutzbund, Kinder- und Jugendärzte) vor Ort, die niedrigschwellige Hilfsangebote machen, die Familien annehmen und sich um das Kindeswohl intensiv kümmern. Dr. Wolfram Hartmann: “Der Gesetzgeber muss hier wesentlich mehr tun, als verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen einzuführen. Im Sinne des Kindeswohls sollten z.B. alle Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern aufsuchend und engmaschig betreut werden. Wir Kinder- und Jugendärzte verstehen uns als Netzakteure, wir sind professionelle Fachleute, die aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung den Entwicklungsstand eines Kindes in den verschiedenen Lebensphasen beurteilen und im Rahmen von Netzstrukturen daher sicher einen bedeutsamen Beitrag zur Früherkennung und -prävention von Kindeswohlgefährdung leisten können. Auf diese Weise macht es auch Sinn, Vorsorgeuntersuchungen verbindlich zu gestalten.“

Ein System von verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen stelle sicher, dass möglichst alle Kinder untersucht werden und ihr Gesundheits- sowie Entwicklungsstand beurteilt wird. Aber es sei auch dringend erforderlich, dass das derzeitige Vorsorgeprogramm inhaltlich und von der Frequenz den Erfordernissen der Zeit angepasst werde. „Dazu hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ein Konzept mit vier zusätzlichen, inhaltlich völlig neu gestalteten Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche entwickelt. Leider haben sich bislang nur wenige Krankenkassen bereiterklärt, ihren Versicherten zumindest einen Teil dieser innovativen Kindervorsorgeuntersuchungen zu bezahlen – obwohl dies im Rahmen von Sonderverträgen gemäß der neuen gesetzlichen Bestimmungen möglich ist. Insbesondere die großen Kassen wie IKK, Bundesknappschaft, DAK, BEK und Techniker-Krankenkasse tun sich hier sehr schwer,“ kritisiert Dr. Wolfram Hartmann. Im Interesse besonders der benachteiligten Kinder und Jugendlichen fordere der BVKJ hier mehr Engagement der gesetzlichen Krankenkassen und politischen Druck auf die Selbstverwaltungsorgane.

Besonders die Situation von benachteiligten Kindern und Jugendlichen im eigentlich reichen Deutschland müsse durch wirksame Maßnahmen nachhaltig verbessert werden. Kinderrechte müssen in unserer Gesellschaft einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Pressesprecherin Mielenforster Str. 2, 51069 Köln Telefon: (0221) 689090, Telefax: (0221) 683204

(el)

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