Pressemitteilung | Eurojuris Deutschland e.V.

Verurteilungen der Haffa-Brüder wegen Kursmanipulationen bringen dem Anlegerschutz gar nichts

(Aschaffenburg) - Das viel beachtete Urteil des Oberlandesgerichts München gegen die Brüder Haffa hat die Diskussion um einen verbesserten Anlegerschutz in Deutschland erneut angefacht. Von verschiedenen Seiten, so etwa von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz wurden bei den betroffenen Anlegern Hoffnungen geweckt, dass durch die Verurteilung die Aussicht auf Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen für die geschädigten Kleinaktionäre steigen würden. Abgesehen von einer vielleicht moralischen Unterstützung ist diese Ansicht jedoch inhaltlich nicht korrekt.

„Für die Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage ist der Ausgang des Strafverfahrens in der Sache völlig irrelevant“, erklärt Rechtsanwalt Rössner von der Kanzlei Rössner Rechtsanwälte, Spezialist für Kapitalanlagerecht und Anlegerschutz bei Eurojuris Deutschland e.V..

Obwohl – zur allgemeinen Überraschung – das OLG (Oberlandesgericht) München zu einer Verurteilung nach §400 Aktiengesetz kam, der als Schutzgesetz zugunsten des Sekundärmarktes interpretiert wird und damit grundsätzlich Schadensersatzansprüche nach §823, Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetz Buch) begründen kann, hat die Sache für die betroffenen Anleger gleich mehrere Haken: Zum einen wird häufig vernachlässigt, dass die Feststellungen des Strafprozesses wegen der objektiven Grenzen der Rechtskraft für ein Zivilverfahren nicht bindend oder unmittelbar verwendbar sind, zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht in einer einstweiligen Anordnung (BvR 2 742/02) bereits durchblicken lassen, dass es die zur Beweisführung wichtigen Akteneinsichtsrechte nur sehr zurückhaltend eingeräumt wissen will.

Das Hauptproblem aber bleibt allen bisherigen Schadensersatzprozessen, nämlich den konkreten Schaden und dessen ursächlichen Zusammenhang mit der konkreten Falschmeldung zu beweisen. Nach deutschem Prozessrecht muss der Geschädigte nachweisen, dass er die Falschmeldung nicht nur zur Kenntnis genommen hat, sondern aufgrund dieser Meldung die Aktie erst gekauft hat. Selbst wenn ihm das gelingt, bleibt das Problem nachzuweisen, dass die Falschmeldung oder Fehlbilanzierung tatsächlich den Kurs des Wertpapiers in einer konkreten Höhe beeinflusst hat. Dies ist aufgrund des multikausalen Börsengeschehens alles andere als einfach. Selbst im Haffa-Verfahren konnte dieser Nachweis gerade nicht geführt werden, was die Vorsitzende Richterin Knöringer im Interesse eines effektiven Anlegerschutzes ausdrücklich bedauerte.

„Die deutsche Rechtslage wird den europäischen Vorgaben zum Anlegerschutz keineswegs gerecht“, so Rechtsanwalt Rössner weiter, der sich seit über 20 Jahren für die Verbesserung der Gesetzeslage und den Anlegerschutz in Deutschland einsetzt. Die Europäische Kommission verpflichtet in ihrer Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, die die Insider-Rechtlinie aus dem Jahre 1989 ersetzen wird, die Mitgliedstaaten der EU, Maßnahmen zur Verhinderung von Insinder-Handel und Marktmanipulation zu treffen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. Der deutsche Gesetzgeber hat durch das am 01.07.2002 in Kraft getretene 4. Finanzmarktförderungsgesetz viele Vorschläge der Kommission bereits vor Inkrafttreten der genannten Richtlinie umgesetzt und Kursmanipulation als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von höchstens 1,5 Millionen Euro belegt.

Was insoweit wie der Durchbruch für den Kleinanlegerschutz klingt, stellt sich bei näherer Betrachtung als das genaue Gegenteil heraus. Die existierenden Straftatbestände setzen in der Praxis einen kaum zu führenden Kausalitätsbeweis voraus. Daher ist davon auszugehen, dass lediglich der Ordnungswidrigkeitentatbestand forensische Bedeutung erlangen wird.

„Die Festlegung des Gesetzgebers auf die Geldbuße bis zu 1,5 Millionen Euro macht Kapitalmarktkriminalität berechenbar“, führt Rössner aus. Statistische Erhebungen der Universität Augsburg im Bereich der empirischen Kapitalmarktforschung haben ergeben, dass positive ad hoc Meldungen den Kurs eines Wertpapiers um durchschnittlich 2,14 Prozent verändern. Ad hoc Mitteilungen über Auftragseingänge sogar um durchschnittlich 3,4 Prozent. Für einen Kursmanipulator, der eine Falschmeldung über den Eingang eines Großauftrages veröffentlicht, rechnet sich deshalb selbst bei einer Ahndungswahrscheinlichkeit von 100 Prozent die Kursmanipulation bereits bei einem Kapitaleinsatz von etwa 44 Millionen Euro. Handelt er dagegen mit Derivaten, so lässt die Hebelwirkung den nötigen Kapitaleinsatz noch einmal drastisch absinken. Auch die Sanktionswahrscheinlichkeit dürfte weit unterhalb von 100 Prozent anzusetzen sein. „Wenn man etwa bedenkt, dass im ersten Halbjahr 2002 lediglich 15 Untersuchungen wegen Insider-Delikten neu aufgenommen worden sind, von diesen lediglich vier Untersuchungen an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden und sämtliche dieser Verfahren eingestellt wurden“, so Rössner, „mag man an eine wirksame Abschreckung kaum glauben.“

Die Fixierung des deutschen Gesetzgebers bei der Sanktionierung von Insider-Delikten und Kursmanipulationen auf das öffentliche Recht – insbesondere das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht – kann sich hier als Irrweg herausstellen. Die Durchführung von Strafverfahren hat allenfalls eine Genugtuungsfunktion für die betroffenen Anleger, für die Bekämpfung von Kapitalmarktkriminalität sind sie dagegen unzureichend.

Solange sich aus dem Fehlverhalten von Kapitalmarktteilnehmern keine Schadensersatzansprüche für Anleger ergeben, werden die Kapitalmarktdelikte eher zunehmen. Der Gesetzgeber wird sich fragen lassen müssen, ob sich aus der Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung europäischer Vorgaben für den Anlegerschutz gemäß der Francovich-Rechtssprechung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) gemeinschaftsrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Kapitalmarktkriminalität ergeben können.

Rössner ist eines von rund 800 Mitgliedern von Eurojuris Deutschland e.V. – dem größten Rechtsanwaltsnetzwerk in Deutschland.

Der Verband, der nunmehr seit 13 Jahren besteht, sieht besonders auch in der Spezialisierung seiner Mitglieder seine Aufgabe. Durch die weitgehende Konzentration auf Kernkompetenzen auch bei der anwaltlichen Dienstleistung - und die Festlegung von Qualtitäts- und Servicestandards - wird der Mandant spürbar besser beraten.

Quelle und Kontaktadresse:
Eurojuris Deutschland e.V. Dalbergstr. 5, 63739 Aschaffenburg Telefon: 06021/441667, Telefax: 06021/441614

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