Pressemitteilung | Kassenärztliche Bundesvereinigung KdÖR (KBV)

„Wie groß ist das Finanzloch wirklich?“

(Berlin) - „Mit reiner Kostendämpfung sind die Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht zu lösen. Deswegen geht die Behauptung Ulla Schmidts, die Selbstverwaltung habe versagt, an der Sache vorbei. Therapeutischer Fortschritt und ein gestiegenes Durchschnittsalter der Bevölkerung lassen sich mit Spardiktaten nicht beherrschen.“ Das hat am 6. Dezember der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Manfred Richter-Reichhelm, in Berlin erklärt. Er reagierte damit auf die „fast unentdeckt gebliebene Bekanntgabe“ der finanziellen Situation der Krankenkassen durch die Ministerin am gestrigen 5. Dezember.

Der KBV-Chef verteidigte die Mehrausgaben für Medikamente: „Wir Ärzte verordnen Präparate, weil die Menschen sie brauchen, nicht weil wir persönlich etwas davon hätten. Dabei haben die Ärzte durchaus einen Sparbeitrag geleistet, denn die Zahl der Verordnungen liegt heute unter der von 1981. Um unsere Patienten trotzdem gut zu versorgen, müssen wir immer wieder Streit mit den Krankenkassen auf uns nehmen.“ In Ostdeutschland seien die Ausgaben deswegen gestiegen, weil angesichts der besonderen Krankheitslast immer noch ein enormer Nachholbedarf bestehe. Dies gelte insbesondere für die Bereiche ärztliche Behandlungen und Heilmittel, wo den Versicherten nach wie vor nur 80 Prozent des Westniveaus zustehe.

„Wir sorgen uns sehr um die Existenz der GKV“, erklärte Richter-Reichhelm. Noch vor einem halben Jahr habe es aus dem Bundesgesundheitsministerium geheißen, die Bilanz der Kassen sei am Jahresende ausgeglichen, dann habe das Ministerium ein Defizit von zwei Milliarden Euro, dann von 2,5 Milliarden eingeräumt. Tatsächlich seien es bereits 3,2 Milliarden Euro – die geplanten Mehrbelastungen der Krankenkassen durch die Arbeitsmarktreformen noch nicht eingerechnet. „Das Versprechen, diesen Betrag 2003 einzusparen, ist nicht zu halten, weil Kostendämpfung unsere Versorgungsprobleme nicht löst“, prognostizierte der KBV-Vorsitzende.

„Die vielen Verschiebebahnhöfe der Vergangenheit sind die wahren Ursachen der Finanzierungsmisere. Außerdem liegen die Einnahmenzuwächse der GKV seit Jahren unterhalb der Inflationsrate“, so Richter-Reichhelm. Die Folge: Die medizinische Versorgung werde kaputtgespart. In dieser Situation sei es bemerkenswert, dass die Verwaltungskosten der Krankenkassen stärker stiegen als die Mittel für die Versorgung der Patienten – nämlich um 4,6 Prozent gegenüber 2,2 Prozent bei den Behandlungskosten.

Richter-Reichhelm betonte: „Bei aller Analyse der Kassenausgaben darf die Politik den Therapiebedarf der Patienten nicht aus den Augen lassen.“ Er wies darauf hin, dass nach Berechnungen der KBV sechs Milliarden Euro zusätzlich in die Arzneimittelversorgung gesteckt werden müssten, wenn ein Dutzend weit verbreiteter Krankheiten wie Bluthochdruck, Krebs und Alzheimer leitliniengerecht therapiert werden sollten. „Schon allein für die Behandlung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen brauchen wir zusätzliche 1,181 Milliarden Euro. Jeder zweite Raucher über 40 Jahren leidet daran und die Krankheit droht von der vierthäufigsten zur dritthäufigsten Todesursache überhaupt zu werden“, erklärte der KBV-Chef.

Quelle und Kontaktadresse:
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Herbert-Lewin-Str. 3 50931 Köln Telefon: 0221/40050 Telefax: 0221/408039

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