Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

"Wir brauchen ein Gentest-Gesetz, das Klarheit schafft!" / Gentests bei Krankenkassen sollen für Versicherungen und Arbeitgeber unter Verschluss bleiben

(Berlin) - Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) setzt sich für die schnelle Verabschiedung eines Gentest-Gesetzes ein. Das Gesetz soll verhindern, dass Versicherungen, Krankenkassen oder Arbeitgeber nach den Ergebnissen von Gentests fragen dürfen. "Gentests müssen freiwillig sein, niemand darf dazu verpflichtet werden," sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. "Das Gentest-Gesetz muss das Recht auf Wissen ohne Nachteile ebenso sichern wie das Recht auf Nichtwissen."

In einer Selbstverpflichtungserklärung hatte sich die Versicherungswirtschaft 2002 verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen nicht nach den Ergebnissen von Gentests zu fragen. Der vzbv hält die Selbstverpflichtung allerdings nicht für ausreichend. "Maßstäbe für den Umgang mit Gentests zu entwickeln ist keine Sache der Versicherungsbranche, sondern ein Auftrag an den Gesetzgeber," sagte vzbv-Chefin Edda Müller. So blieben beispielsweise Fragen wie die Aufklärung des Patienten über den Umgang mit Gentests in einer rechtlichen Grauzone. Besonders deutlich wird dies bei Gentests, die frei im Internet bestellt werden können: Völlig unklar ist, wie hier eine qualifizierte ärztliche und psychologische Beratung und Betreuung stattfinden kann.

"Wir fordern ein Gentest-Gesetz, das Klarheit und eindeutige Verhältnisse schafft", so Edda Müller. Sensible Daten über Erbkrankheiten gehörten weder in die Hand von Versicherungen noch von Arbeitgebern. "Wir wollen keine Situation, in der Menschen ohne Versicherungsschutz dastehen, weil die Gene nicht stimmen." Notwendig sei ein gesetzliches Verbot für Versicherungen, Testergebnisse bei der Antragsprüfung abzufragen.

Der vzbv stellt folgende Forderungen an das Gentest-Gesetz:

- Gentests dürfen nicht zur Voraussetzung für das Abschließen eines Versicherungs- oder Arbeitsvertrages gemacht werden.
- Gentests sollen auf rein freiwilliger Basis stattfinden. Die Nicht-Teilnahme an einem Gentest darf zu keinerlei Benachteiligung führen.
- Gentests sollen nur unter begleitender qualifizierter medizinischer und psychologischer Beratung durchgeführt werden. Gentest-zur Selbstdiagnose sollen nicht mehr frei verkäuflich sein, sondern künftig der Rezeptpflicht unterliegen.
- Über die Testergebnisse dürfen Versicherungen oder Arbeitgeber - auch mit Zustimmung der Getesteten - nicht informiert werden.
- Die Befunde aus Gentests dürfen daten- und aktenmäßig nicht einer Person zuzuordnen sein und müssen vernichtet oder zumindest in entsprechender Weise besonders gesichert verwahrt werden.

Die bestehende Selbstverpflichtung der Versicherungswirtschaft erklärt das Fragen nach Gentests vor Abschluss eines Versicherungsvertrags zwar für unzulässig. Allerdings gilt diese Regel nur, sofern nicht die Versicherungssumme von 250.000 Euro oder eine Jahresrente von 30.000 Euro überschritten wird. Der vzbv fordert ein gesetzliches Verbot derartiger Höchstgrenzen. "Wenn man die Höchstgrenzen zulässt, bleibt das Problem über die Hintertür erhalten", so Edda Müller.

Hintergrundinformationen

Gentests im Internet
Genetische Untersuchungen werden nicht mehr nur über den Hausarzt, Facharzt oder humangenetische Beratungsstellen veranlasst, Gen-Tests sind inzwischen frei über das Internet erhältlich. In den entsprechenden Internetseiten wird der Eindruck erweckt, Gen-Tests seien notwendige und empfohlene Vorsorgemaßnahmen wie andere Vorsorge- oder Früherkennungsuntersuchungen gemäß dem Motto " Nur wer sein Risiko kennt, kann vorbeugen".

Viele Gentests sind in Hinblick auf ihre wissenschaftliche Aussagekraft umstritten. Es werden zwar zunehmend Polymorphismen entdeckt; welche dieser Polymorphismen aber tatsächlich einen Krankheitswert haben, ist vielfach noch nicht klar und muss erst mit klinischen Studien erwiesen werden.

Trügerische Sicherheit
Neben der genetischen Veranlagung spielen bei vielen Erkrankungen Umweltfaktoren eine Rolle, so dass trotz Veranlagung eine Erkrankung möglicherweise nicht ausbricht. Umgekehrt kann eine negative Testung Patienten in trügerischer Sicherheit wiegen, denn es gibt keine Garantie für Patienten, nicht doch an einer ähnlichen Krankheit zu erkranken. Bei sehr vielen Erbkrankheiten ergeben sich zudem keine therapeutischen Konsequenzen, da es keine Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Die zunehmende Verfügbarkeit der Tests kann für Lebens- oder private Krankenversicherer die Versuchung steigern, von ihren Kunden die Durchführung solcher Tests zu verlangen - als Voraussetzung für einen Vertragsabschluss oder für die Aufnahme in einen günstigen Tarif. Dadurch, dass massenhaft Testergebnisse in der Welt wären, könnte wiederum das Interesse zum Beispiel von Arbeitgebern an den Daten geweckt werden.

Das Recht auf Nicht-Wissen
Das Recht des Einzelnen, sich für ein Nicht-Kennen aller Ergebnisse solcher Tests oder für das Unterlassen eines entsprechenden Tests zu entscheiden, könnte zu einer lediglich theoretischen Option verkommen, weil der Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes ohne Durchführung von Gentests faktisch unmöglich werden würde. Darüber hinaus würden Menschen mit "schlechten" Genen aus wichtigen gesellschaftlichen Bereichen herausgedrängt.

Beispiel Chorea Huntington
Prädiktive Gentest werden derzeit vor allem zur Absicherung klinischer Verdachtsdiagnosen verwendet. Eine der Krankheiten, die mit solchen Gentests diagnostiziert werden kann, ist Chorea Huntington. Hierbei handelt es sich um eine tödlich verlaufende Erbkrankheit, die sich in einer Degeneration von Nervenzellen in Nervenbahnen und Hirnrinde äußert. Sie ruft Bewegungsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und schließlich Demenz hervor. Ursache ist ein defektes ("Huntington"-) Gen. Mit 35 bis 45 Jahren treten die ersten Symptome auf. Bis die Krankheit voll ausbricht, können allerdings Jahre, aber auch Jahrzehnte ins Land gehen.

Tests auf Chorea Huntington durchführen zu lassen, ist für Patienten besonders problematisch. Denn wird die Krankheit diagnostiziert, kommt das einem Todesurteil gleich. Neben solchen Krankheitsgenen gibt es aber auch so genannte Langlebigkeitsgene oder Gene, deren Vorhandensein zum Beispiel auf eine Aids-Resistenz schließen lässt.

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: 030/258000, Telefax: 030/25800218

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