Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Zuwanderung: Als Altersvorsorge nur bedingt tauglich

(Köln) - Die meisten Industrieländer plagt dasselbe demographische Problem: Ihre Bevölkerung schrumpft und vergreist zugleich, denn die Frauen gebären nicht genügend Kinder und die Senioren leben immer länger. Für die Rentensysteme ist diese Entwicklung ein Sprengsatz. Politiker hoffen, dass Zuwanderer die sich lichtenden Reihen der Beitragszahler auffüllen – doch weit gefehlt. Eine Studie der Vereinten Nationen belegt, dass es ohne Reformen nicht gehen wird.

Deutschland zählt derzeit 82 Millionen Einwohner; fast jeder vierte ist über 60 Jahre alt. Würden die Grenzen heute dichtgemacht, gäbe es im Jahr 2050 nur noch 58 Millionen Deutsche. Etwa 40 Prozent von ihnen wären im Seniorenalter. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass die Frauen hierzulande bereits seit den siebziger Jahren nicht mehr genügend Kinder zur Welt bringen, um die Elterngeneration zu ersetzen. Außerdem erreichen immer mehr Bundesbürger ein fast biblisches Alter.

Das hiesige Renten- und Gesundheitssystem hält diesen Entwicklungen nicht mehr stand. Denn die Sozialversicherungen sind umlagefinanziert, und damit für eine stabile Bevölkerung und Altersstruktur ausgelegt. Noch kaschiert Zuwanderung die dramatische Lage.

In den vergangenen 50 Jahren kamen im Schnitt jährlich 253.000 Migranten mehr ins Land, als Auswanderer es verließen – deshalb ist Deutschlands Einwohnerzahl bis dato nicht geschrumpft, sondern gewachsen.

Die meisten Industrieländer drückt der demographische Schuh an der gleichen Stelle. Die Vereinten Nationen untersuchten deshalb, ob es eine Lösung sein könnte, verstärkt Ausländer als Arbeitskräfte und Beitragszahler ins Land zu holen. Zwei Szenarien, jeweils für mehrere Staaten durchgerechnet, machen klar, dass dem nicht so ist:

1. Stabile Einwohnerzahl. Zunächst haben die UN-Statistiker berechnet, wie viele Einwanderer ein Land im Schnitt jährlich bräuchte, um die Bevölkerung bis 2050 auf dem höchsten ohne Zuwanderung erreichten Niveau zu halten. Nach Deutschland müssten für eine gleich bleibende Einwohnerzahl bis 2050 jährlich 344.000 Menschen mehr zuziehen als fortziehen.

Prognosen zufolge wird das Plus aber künftig nur bei etwa 204.000 Einwanderern im Jahr liegen.

Japan würde eine ähnlich hohe Zuwanderung wie Deutschland benötigen, um seine Bevölkerung bei 127 Millionen zu halten. Dies käme jedoch einem Kulturschock gleich, denn bisher gewährte das Land der aufgehenden Sonne so gut wie niemandem mit fremdem Pass Zutritt für mehr als einen Urlaub oder einen Geschäftsaufenthalt.

Anders sieht es in den Vereinigten Staaten aus. Auch ohne Zuwanderung würde das Land wegen der vergleichsweise hohen Geburtenraten noch auf 298 Millionen Einwohner wachsen. Jährlich wären nur rund 128.000 Zuwanderer nötig, um diesen Stand bis 2050 zu stabilisieren. Tatsächlich lockte der American Way of Life zuletzt aber per saldo viel mehr Menschen an, nämlich durchschnittlich 760.000 pro Jahr.

2. Konstantes Verhältnis von Jungen zu Alten. Sollen in einem halben Jahrhundert den Heerscharen von Rentnern genauso viele Erwerbsfähige gegenüberstehen wie im Augenblick, wäre mancherorts Zuwanderung in astronomischen Dimensionen vonnöten. Und das, obwohl die UN-Experten davon ausgehen, dass fast alle Zuzügler zur arbeitsfähigen Bevölkerung zählen. Auch in den USA leben die Menschen – einschließlich der Einwanderer – immer länger. Deshalb müsste der Immigrantenüberschuss dort 11,8 Millionen im Jahr betragen, um das Verhältnis von 15- bis 65-Jährigen zu den darüber liegenden Altersklassen konstant zu halten.

Deutschland bräuchte dazu jedes Jahr netto 3,63 Millionen Zuwanderer. Doch dann läge der Ausländeranteil in 50 Jahren nicht mehr bei 9, sondern bei 80 Prozent.
Südkorea mit seinen 47 Millionen Bürgern setzt dem Szenario die Krone auf: Sage und schreibe 102 Millionen Migranten müsste die am schnellsten alternde Nation der Welt jährlich aufnehmen. Nur so ließe sich die derzeitige Erwerbsfähigen-Rentner-Relation von zwölf zu eins aufrecht erhalten. Daraus ziehen die UN-Fachleute den Schluss:

Zuwanderung kann die umlagefinanzierte Alterssicherung nirgendwo am Leben erhalten. Es würde nicht einmal helfen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. In Deutschland etwa müssten die Menschen grundsätzlich bis ins hohe Alter von 77 Jahren schaffen, damit genauso viele Arbeitsfähige auf einen Senior kommen wie bisher.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln Telefon: 0221/49811, Telefax: 0221/4981592

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