Pressemitteilung | (tlv) thüringer lehrerverband

tlv: Flüchtlingsdebatte auf dem Rücken der Kinder auszutragen ist beschämend

(Erfurt) - Mit Entsetzen und Unverständnis hat die Landesleitung des tlv thüringer lehrerverband auf Andreas Bauseweins (SPD) Vorschlag reagiert, die Schulpflicht für die Kinder von Asylbewerbern auszusetzen. "Dass ein solcher Gedanke in einem Land wie Deutschland überhaupt laut ausgesprochen wird, ist schlichtweg schockierend", kommentiert der stellvertretende Landesvorsitzende Frank Fritze den Vorstoß des Erfurter Oberbürgermeisters.

"Er gibt Wasser auf die Mühlen der sogenannten 'Asylkritiker' und spricht diesen Kindern eines ihrer grundlegenden Menschenrechte ab - das Recht auf Bildung." Deshalb könne er auch nicht verstehen, warum der Deutsche Lehrerverband eine entsprechende Äußerung unterstütze. "Mir ist nicht klar, für welche Thüringer Pädagogen dieser Verband spricht. Der tlv und auch unser Bundesverband, der Verband Bildung und Erziehung (VBE), stehen selbstverständlich zu 100 Prozent hinter dem UN-konformen Bildungsauftrag, der ausnahmslos für alle Kinder gilt."

Selbstverständlich, so Fritze weiter, wisse er sehr wohl um die Probleme, die mit der Beschulung der Flüchtlingskinder einhergehen. "Die bildungspolitischen Bedingungen hier in Thüringen sind alles andere als optimal. Unsere Lehrer bewegen sich aufgrund der Personalsituation ohnehin ständig am Limit. Jetzt noch Kinder in die Klassen mit aufzunehmen, die teilweise stark traumatisiert sind, die kaum Deutsch verstehen und die aufgrund der Flucht vielleicht schon monatelang in keiner Schule mehr waren, stellt eine enorme Herausforderung dar - eine Herausforderung, die das vom tlv seit Langem geforderte KompetenzNetzwerk Schule mittragen könnte."

Allerdings dürfe die Antwort auf diese Herausforderung nicht sein, dass die Verantwortlichen in eine Vermeidungshaltung fallen. "Aussitzen ist in diesem Falle das Schlimmste, was man den Kindern antun kann", ist Fritze überzeugt. "Denn jeder Tag, an dem ein Kind etwas lernt, ist eine lohnenswerte Investition in seine Zukunft. Zu suggerieren, dies sei eine Ressourcen-Verschwendung, weil die Familie womöglich sowieso bald wieder abgeschoben wird, ist menschenverachtend."

Klar sei jedoch auch, konstatiert Fritze weiter, dass die Thüringer Landespolitik dringend handeln muss. Momentan lasse sie die Schulen - wie mit vielen anderen dringenden Problemen auch - allein. "Natürlich klingt es gut, wenn Kultusministerin Klaubert vor den großen Ferien ankündigt, 1,2 Millionen Euro in das Projekt Deutsch als Zweitsprache zu investieren. Rechnet man diese Zahlen jedoch einmal herunter, wird schnell klar: Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein!"

Denn, so führt Fritze aus, mit den 1,2 Millionen Euro würden 50 Lehrerstellen für Deutsch als Zweitsprache finanziert. Allerdings gäbe es bereits 5000 Kinder ausländischer Herkunft an Thüringens Schulen, sodass ein Lehrer auf 100 Schüler käme. "Oder anders gerechnet: Von den 1,2 Millionen Euro entfallen pro Jahr 240 Euro auf jedes der 5000 Asylbewerberkinder. Das sind 20 Euro pro Monat. Ein qualifizierter Deutschunterricht kann damit wohl kaum finanziert werden." Einen solchen Lehrer zugeteilt bekommen zu haben sei wie einen Lottogewinn, zitiert Fritze eine Grundschulleiterin aus Schmölln. "Nur leider ist sogar dieser Lottogewinn zeitlich befristet!"

Die aktuelle Debatte um die Flüchtlinge sei zweifellos eine schwierige. "Sie jedoch auf dem Rücken der Schwächsten auszutragen - nämlich der Kinder - ist beschämend." Stattdessen müssten schnellstmöglich Bedingungen geschaffen werden, die eine Beschulung der Flüchtlingskinder ermöglichen, ohne dass eine neue Überforderungssituation entsteht.

Quelle und Kontaktadresse:
tlv thüringer lehrerverband Pressestelle Tschaikowskistr. 22, 99096 Erfurt Telefon: (0361) 6021323, Fax: (0361) 6021324

(sy)

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