Verbändereport AUSGABE 4 / 2012

Duale Verbandsforschung: zukunftsorientierte Kombination aus Wissenschaft und Praxis

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Erst seit Kurzem kann Verbandsmanagement studiert werden. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn bietet diese Spezialisierung in ihrem Studiengang Dienstleistungsmanagement an.

Dual“ steht dabei primär für die abgestimmte Verzahnung von Lernen an der Hochschule und praktischem Arbeiten im Verband. „Dual“ steht aber auch für ein Grundprinzip, das noch viel weiter trägt. Jetzt soll es auch auf die Forschung ausgeweitet werden – im Sinne einer praxisorientierten wissenschaftlichen Forschung nach dem alten, aber nicht oft verwirklichten Motto „aus der Praxis – für die Praxis“.

Duale Lehre und Forschung

Am Campus Heilbronn der Dualen Hochschule ist vor Kurzem der erste Professor für Verbandsmanagement berufen worden; das Berufungsverfahren für eine(n) zweite(n) Professor/-in läuft gerade. Darüber hinaus unterrichten aber auch Praktiker aus dem Verbandsmanagement und verbandsnahen Bereichen, womit schon innerhalb der Hochschullehre das duale Prinzip eingelöst wird.

In dualen Studiengängen wechseln Praxisphasen im Verband mit Unterrichtsphasen an der Hochschule ab. Zusätzlich bearbeiten die Studierenden Projekte der Verbandspraxis mit wissenschaftsbasierten Ansätzen, doppelt begleitet vom Verband und der Hochschule.

Verbandsmanagement-Forschung: ein junges Feld

Das Verbandsmanagement ist überhaupt erst spät von der Forschung entdeckt worden. „Management“ hieß Großunternehmen, hieß Gewinnorientierung. Dass auch Verbände „Profit“ schaffen, nur für ihre Mitglieder oder Klienten und nicht für sich selbst und nicht notwendigerweise nur monetären Gewinn, das wurde kaum gesehen. Die Verbände überließ man der Sozial- und Politikwissenschaft.

Im deutschsprachigen Raum begann die eigentliche Verbandsmanagementforschung an der Universität Freiburg im Üchtland (Fribourg, Schweiz) vor 30 Jahren. Aus Amerika kam der Begriff „Non-Profit Organisation“ oder „Non-Profit Management“. Damit wurden die Verbände mit den Stiftungen und Teilen der Genossenschaften in einen Topf geworfen, in dem es vielen von ihnen erkennbar wenig gefällt. Verbände wurden oft mit der „Zivilgesellschaft“ verbunden.

Praxistauglich?

Von einigen Verbandsmanagern wird beklagt, dass die Verbandsforschung wenig fruchtbare Erkenntnisse bieten würde. Manche sagen sogar, sie bräuchten keine Forschung; es sei wichtiger, sich mit anderen Praktikern über deren aus der Praxis entwickelte Konzepte auszutauschen. Und in der Tat: Der Wissenschaftsbetrieb erfordert es auch, dass man oft eine Theorie oder eine Methode über die Sache und über die praktische Aufgabe stellt. Die Sicht der Praktiker ist meist eine andere: Sie müssen Probleme und Situationen aus möglichst vielen Blickwinkeln analysieren.

Kunst der Kombination aus Grundgedanke, Theorie und Praxis

In der Managementforschung werden häufig stark ausgebaute Konzepte entwickelt und Theorien dargestellt. Nicht alle werden wirklich praktisch. Gleichzeitig erhellen sie oft zu wenig von den Hintergründen, besser gesagt: von den Grundgedanken, die letztlich einfach und klar sind.

In welchem Verhältnis stehen diese Grundgedanken (die man mit philosophischen Begriffen oder manchmal auch mit Sprichwörtern bezeichnen kann), Theorien und die Praxis zueinander? Zwei Schichtungen findet man häufig: (Weg 1) Die Grundgedanken bilden die Basis, auf der Theorien und Konzepte aufgebaut werden, und auf diesem doppelten Fundament ruht die Praxis. Oder (Weg 2) umgekehrt: ganz oben die Grundgedanken oder Philosophien, darunter Theorien und Konzepte und ganz unten, auf dem Boden, die Praxis – ein Bild, bei dem die irdische Praxis und die ideale Philosophie „richtig“ angeordnet sind. Das scheint zunächst einzuleuchten.

Realistischer erscheint, dass viele Theorien auf Grundgedanken und Praxis gleichermaßen beruhen (Weg 3). Es gibt ja Wirtschaftswissenschaftler, die selbstkritisch sagen, die Wissenschaft liefere meistens erst hinterher Theorien für etwas, das die Praxis bereits umgesetzt hat. In jedem Fall brauchen Forschung und Lehre sehr enge Verbindung zur Praxis, werden durch die Verbandsmanagement-Praxis zum großen Teil erst legitimiert. Sie sollte aber auch ihre einfachen Grundgedanken stärker offenlegen und damit Klarheit schaffen.

Duale Forschung

Nachdem die (früheren Fach-)Hochschulen jetzt zunehmend in die anwendungsorientierte Forschung einsteigen können, gibt es einen Weg, den Graben zwischen Wissenschaftssystem und Praxis zu überbrücken. In besonderer Weise tun das in der Lehre schon seit Langem die dualen Hochschulen (als Berufsakademien in Baden-Württemberg schon 1974 gestartet). Praxistauglich ist unseres Erachtens heute ein Ansatz, der die Fragen angeht, die die Praxis hat, und zugleich die Praxis dazu erkundet, Theorien nur insoweit heranzieht, als sie wirklich interessante und fruchtbare neue Sichtweisen und Praktiken für das Verbandsmanagement bringen, und transparent und verständlich ist (siehe Kasten Seite 33).

Wenn dieser Verbandsmanagement-Forschungsansatz dann noch mit der Qualifizierung des Fach- und Führungsnachwuchses verbunden ist, dürfte ein Optimum erreicht sein. Abbildung 2 zeigt dieses durchgängig duale Prinzip und seine Elemente; im Kasten sind daraus verschiedene Prinzipien der dualen Forschung abgeleitet.

Erste Erkenntnisse aus einer Befragung

Studierende Forscher der DHBW am Campus Heilbronn befragten die Geschäftsführer im April und Mai 2012 zum Thema „Zukunft des Verbandsmanagements“. Diese kurzen Interviews dienen als Vorab-Befragung. Durch die offenen Fragen und die Gespräche sollen Themen und Herausforderungen erkannt werden, um eine große Verbände-Befragung zu ermöglichen. Die Detail-Auswertung läuft derzeit noch, doch es liegen jetzt erste Ergebnisse der Vorab-Befragung vor: Im Mittelpunkt der Telefoninterviews standen Fragen nach der derzeitigen Lage und den Herausforderungen für die Verbände, der Rolle und Einbindung des Ehrenamts, der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sowie den aus Sicht der Verbandsmanager notwendigen Kompetenzen für eine professionelle Verbandsarbeit.

Die derzeitige Lage

Klar macht die Kurzauswertung, dass die Lage der beteiligten Verbände sehr unterschiedlich ist, sowohl was die dominierenden Themen als auch was die Entwicklungsrichtung angeht. Erfreulich ist dabei aber, dass nur einer der befragten Geschäftsführer die Lage seines Verbandes als „allgemein angespannt“ beschreibt. Die Mitgliederentwicklung wird als eher „sehr gut oder stabil“ bezeichnet, nur in zwei Fällen sehen die befragten Manager einen Rückgang oder eine kritische Situation. Finanzfragen stehen bei einigen Verbänden auf der Agenda, wobei die Finanzen dennoch – trotz zurückgehender Einnahmen – eher als „positiv“ oder „stabil“ gewertet werden. Allerdings berichten die Forscher, dass immer wieder „bei der Lagebeschreibung von einer Alterung von Mitgliedern, weniger ehrenamtlich Engagierten und weniger Spendern“ zu hören war.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Wichtig ist für die meisten Befragten der Bereich der Mitgliederarbeit: Mitglieder gewinnen, binden und positiv beeinflussen wird von einem Drittel der Befragten als essenziell angesehen, vor allem mit Blick auf kommende Veränderungen. Das betrifft auch eine verbesserte interne Kommunikation und die Einbindung sozialer Medien sowie die Frage, ob sich daraus auch neue Veranstaltungsformen wie beispielsweise Web-Konferenzen entwickeln lassen.

Politik und Interessenvertretung bilden den zweiten Schwerpunkt. In unterschiedlichem Maße, nach Mitgliedern und dem jeweiligen Arbeitsfeld unterschieden, gilt es, die Rahmenbedingungen zu beeinflussen und den betroffenen Verbänden (wieder) mehr Gehör zu verschaffen. Weiter sehen sich die Geschäftsführer vor die Aufgabe gestellt, Strukturen und Entscheidungsvorgänge zu optimieren und Nachwuchs zu engagieren und zu binden.

Wo könnten aber konkrete Lösungsansätze schlummern? Ohne, dass in dieser ersten Kurz-Befragung detaillierte Konzepte angeboten würden, stehen zum Beispiel die jeweiligen Beitragsmodelle auf dem Prüfstand. Gleichzeitig wird über ein weiter verbessertes Fundraising sowie die Senkung der Kosten nachgedacht sowie die intensivierte Kommunikation vor allem nach innen.

Bei dieser ersten Würdigung der Ergebnisse fällt auf, dass die klassischen Dauerbrenner aktuell im Fokus vieler Verbände stehen:

  • Mitgliedergewinnung und -bindung
  • Interessenvertretung
  • personelle Ausstattung und Aufgabenvielfalt
  • Haupt- und Ehrenamt
  • Kommunikation
  • Finanzierung

Neben diesen Schwerpunkten treten aber auch viele klassische Daueraufgaben in einer neuen Form und mit höherer Dynamik auf. Zudem verändern sich die Rahmenbedingungen aus Politik, Rechtsprechung, Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie für viele Verbände nachhaltig und grundlegend. Noch breiter erscheinen die Maßnahmen, die von den befragten Geschäftsführern ins Auge gefasst werden. Von den Potentialen über Strategien bis zu verstärkten persönlichen Besuchen, von der Beeinflussung von Gesellschaft und Politik bis zur Gründung eines Fördervereins reichen die individuellen Herangehensweisen. Ein Geschäftsführer brachte es auf den Punkt: „Differenzieren auf einzelnen Ebenen“.

Duale Verbandsforschung: Chance für Wissenschaft und Management von morgen

Die Vielfalt der Themen, das sehr unterschiedliche Maß der Betroffenheit von Veränderungen sowie die sehr heterogenen Problemlösungsmuster in der praktischen Verbandsarbeit machen es zu einer spannenden Herausforderung für die duale Forschung, diese Differenzierung in einer größeren Verbände-Studie näher zu untersuchen, um praktisch umsetzbare Erkenntnisse für eine erfolgreiche Verbandsarbeit der Zukunft zu gewinnen. Die Verbände und ihre Manager sind herzlich eingeladen, daran mitzuwirken und so das Verbandsmanagement in Deutschland insgesamt weiterentwickeln zu helfen – auch durch eine auf der Forschungsgrundlage optimierte Nachwuchs-Bildung. 

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Autor/in

Hilmar Sturm

ist Mitglied des Vorstands des Deutschen Instituts für Vereine und Verbände (DIVV). Seit 1995 beschäftigt er sich mit Verbänden und anderen NPOs. Außerdem organisiert er Beteiligungsverfahren und lehrt an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn.

https://www.divv.de

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