Pressemitteilung | Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V.

Behinderte Internetsurfer sind empört / NRW-Kommunen drohen mit Boykott

(Marburg) - Mit Befremden hat der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes NRW zum Erlass der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik (BITV-NRW) aufgenommen.

In einer Pressemitteilung vom 28.07.2004 hatte der Städte- und Gemeindebund NRW u. a. erklärt, dass die Vorgaben der Rechtsverordnungen veraltet seien und aus technischen Gründen nicht vollständig erfüllt werden können. Die Umsetzung der Barrierefreiheit erfordere zudem zusätzlichen Programmieraufwand und hohe Kosten. Das würde dazu führen, dass viele Städte und Gemeinden aus Geldmangel ihre Internet-Präsentation notgedrungen reduzieren müssten.

Dem gegenüber stellt Karsten Warnke, Koordinator des Projekts „Barrierefrei Informieren und Kommunizieren“ (BIK) und 2. Vorsitzender des DVBS, klar: „Bund, Länder und Kommunen investieren in den kommenden Jahren Milliarden, um ihre Dienstleistungen ins Internet zu verlagern. Damit soll natürlich Personal eingespart werden. Das wird dann auch nicht mehr zur Beratung und Unterstützung, insbesondere von behinderten Bürgern, zur Verfügung stehen. Die relativ geringen Mehrkosten für die Barrierefreiheit sind eher Peanuts, wenn von Anfang an auf Barrierefreiheit gesetzt wird“. Im Übrigen seien nicht die international anerkannten Anforderungen des W3-Konsortiums (www.w3c.de/Trans/WAI/webinhalt.html) veraltet, die der Rechtsverordnung zugrunde liegen. Vielmehr werden immer noch neue Webseiten mit alten Techniken gestaltet, die behinderten Menschen den Zugang zu Informationen erschweren. „Leider ist zu wenig bekannt, dass Barrierefreiheit die Anwendung moderner Webtechnologien geradezu befördert, was nicht nur die Anwenderfreundlichkeit erhöht, sondern auch die Kosten zur Unterhaltung der Internetangebote merklich senkt.“ Das komme allen Bürgern und Kommunen gleichermaßen zu Gute. Besonders empört zeigt Warnke sich gegenüber den Konsequenzen, die der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebund NRW, Schneider, in Aussicht stellt, wenn der Erlass umgesetzt werden soll. Dazu Warnke: „Hier werden nicht nur Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt, sondern es scheint in diesem Lande Mode geworden zu sein, berechtigten Interessen mit Drohungen, wie Arbeitsplatzverlagerung oder wie in diesem Fall mit der Reduzierung des kommunalen Angebots im Internet, zu begegnen."

Mit dem Gemeinschaftsprojekt von Blinden- und Sehbehindertenverbänden „BIK“, das vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) gefördert wird, unterstützen Experten auch Kommunen, unter Heranziehung kostengünstiger und moderner Webtechnologien, bei der barrierefreien Gestaltung ihrer Webauftritte. BIK bietet Sensibilisierungs- und Entwicklerworkshops sowie Prüfungen von Webseiten an (www.bik-online.info).

Der DVBS verweist im übrigen auf die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte zu den Rechtsverordnungen der Länder (www.dbsv.org/computer). Vorbildlich sind nach Ansicht des DVBS z. B. die Bemühungen um barrierefreie Internetseiten der Polizei NRW. Dafür haben diese im letzten Jahr den 1. Preis beim BIENE-Award erhalten (http://www.polizei.nrw.de). Auch der Bund verfügt inzwischen über vorbildliche Seiten. So hat die Bundeswehr gerade einen Sonderpreis im Rahmen des Deutschen Mutimedia-Awards erhalten (www.bik-online.info). Die Dienststellen des Bundes sind gesetzlich verpflichtet, ihre Internetangebote bis zum 31.12.2005 barrierefrei zu gestalten.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. Frauenbergstr. 8, 35039 Marburg Telefon: 06421/94888-0, Telefax: 06421/94888-10

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