Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Datenschutz ist Verbraucherschutz / 30 Jahre altes Datenschutzrecht muss dem Zeitalter der Informationstechnologie angepasst werden

(Berlin) - Ein Stopp des Datenhandels zu gewerblichen Zwecken ohne aktive Zustimmung sowie schärfere Kontrollen und Sanktionen haben Verbraucherschützer, Datenschützer und Kriminalpolizei als Konsequenz auf den aktuellen Skandal um den Missbrauch von Kontodaten gefordert. Die Politik müsse erkennen, dass der Datenschutz an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden muss.

Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) Gerd Billen, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar und der stellvertretende Vorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Bernd Carstensen warnten in Berlin vor einem ungezügelten Datenhandel und zunehmendem Missbrauch. Sie forderten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Fraktionen des Deutschen Bundestages auf, die gesetzlichen Grundlagen zu verbessern. Die gerade vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwürfe zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes und zur Telefonwerbung böten die Grundlage hierfür.

Zudem riefen sie dazu auf, die Laissez-Faire-Haltung bei der Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu beenden. Generell sollten Verbraucher auf Geschäfte verzichten, die ein Einverständnis zur Datenweitergabe voraussetzen. Zudem sollte man nur solchen Geschäftspartnern sensible Daten wie etwa die Kontoverbindung nennen, die man selbst aus freien Stücken kontaktiert hat und die vertrauenswürdig sind. Die Devise müsse sein: "Wen ich nicht kenne, der kriegt keine Daten." Datensparsamkeit sei der beste Datenschutz: So wenig Daten wie möglich, nur so viele wie unbedingt nötig. Wer sorglos mit seinen Daten umgehe, müsse sich nicht wundern, Opfer von Werbeanrufen oder unseriösen Geschäften zu werden.

Missbrauch wird erst aufhören, wenn er sich nicht mehr lohnt
"Datenmissbrauch muss endlich wirksam unterbunden werden und Geschäfte, die durch unerlaubte Anrufe angebahnt wurden, unwirksam sein", sagte Gerd Billen. Die Datensammelwut müsse eingeschränkt, der Datenhandel erschwert und Kontrollen und Sanktionen verschärft werden. Ohne schriftliche Bestätigung müssten am Telefon abgeschlossene Verträge unwirksam sein. Eine Ausweitung der Widerrufsmöglichkeiten reiche hier nicht aus. Billen: "Der Missbrauch wird erst dann aufhören, wenn er sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt."

"Datenmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt. Es geht um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung", so Peter Schaar. "Persönliche Daten sind keine Handelsware, über die Dritte beliebig verfügen dürfen." Dies gelte in besonderem Maß für Kontodaten und andere sensible Informationen." Schaar forderte, die Regeln für die Verarbeitung persönlicher Daten zu verschärfen und die Datenschutzaufsicht effektiver zu gestalten, etwa durch Erhöhung des Bußgeldrahmens und eine bessere personelle Ausstattung der Aufsichtsbehörden. Unternehmen müssten außerdem dazu verpflichtet werden, die Betroffenen über den Missbrauch ihrer Daten zu informieren.

"Der Handel mit persönlichen Daten ist ein Milliardengeschäft, in dem es mafiöse Strukturen gibt", sagt Bernd Carstensen. Der BDK fordert den Einsatz von Datenfahndern entsprechend dem Modell der Steuerfahnder. Der Datenmissbrauch in der Wirtschaft sei eine gewaltige, neuartige Herausforderung, auf die der Rechtsstaat nur im großen Maßstab reagieren könne. Carstensen sprach sich dafür aus, den Datenschützern mehr Kontrollmöglichkeiten im privatwirtschaftlichen Umgang mit personenbezogenen Daten zu geben.

"Wenn man erfährt, wie leicht es möglich ist, an sensible Bankdaten zu kommen und mit diesen Geld abzubuchen, wird einem Angst und Bange", resümiert Thomas Hagen, Pressesprecher der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, die Erfahrungen der zurückliegenden Tage. Die Büchse der Pandora sei längst aufgemacht. Die Verbraucherzentralen empfehlen, Bankauszüge regelmäßig zu überprüfen und nicht nachvollziehbaren Kontobelastungen binnen sechs Wochen zu widerrufen und dabei das Konto berichtigen zu lassen. Zudem sollten Betroffene Anzeige erstatten, wenn zu einer Abbuchung keine Einzugsermächtigung gegeben wurde. Dies ist strafbarer Betrug.

Musterbriefe und Umfrage der Verbraucherzentralen
Bei den Verbraucherzentralen (www.verbraucherzentrale.de) sind Musterbriefe für den Widerruf einer Einwilligung in die Datenweitergabe sowie zum Widerspruch gegen eine Abbuchung ohne Einzugermächtigung erhältlich. Zudem rufen die Verbraucherzentralen Betroffene, die Opfer einer Einzugsermächtigung ohne Einwilligungserklärung wurden, auf, dies den Verbraucherzentralen zu melden. Zu diesem Zweck haben die Verbraucherzentralen unter www.vz-bw.de/datenklau eine Umfrage gestartet. Verbrauchertipps zum Umgang mit Daten bieten die Verbraucherzentralen. Die Broschüre "Datenschutz für Verbraucher" ist in den meisten Verbraucherzentralen und im Ratgebershop erhältlich.

Die Situation: zu sorglos, zu ungeschützt
Während Daten immer leichter gesammelt, verarbeitet und weitergegeben werden können, hat das mehr als dreißig Jahre alte Datenschutzrecht mit der Informationstechnologie nicht Schritt gehalten. So dürfen Daten wie Name, Anschrift, Geburtsjahr und Beruf zu Werbezwecken weitergegeben und genutzt werden, sofern der Betroffene nicht ausdrücklich widerspricht. Zahlreiche Angebote im Internet können nur dann wahrgenommen werden, wenn man in die Datenweitergabe zu Werbe- und Marketingzwecken einwilligt. Selbst diese recht großzügigen Regelungen der Datenverarbeitung werden häufig von Unternehmen nicht eingehalten. Bereits jetzt bildet der lukrative Handel mit persönlichen Daten die Grundlage für Datenmissbrauch und Betrug. Leider tragen viele Verbraucher/innen durch ihr persönliches Verhalten dazu bei, indem sie ihre Daten unbedacht preisgeben.

In der vergangenen Woche war der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein eine CD mit 17.000 Datensätzen zugespielt worden, die auch sensible Kontoverbindungen der aufgeführten Personen umfassten. Gleichzeitig häuften sich in den Verbraucherzentralen Beschwerden von Verbrauchern, denen ohne eine Einwilligungserklärung Beträge vom Konto abgebucht wurden. Die Höhe der Beträge lag in der Regel zwischen 30 und 100 Euro. Alleine in den vergangenen Tagen haben sich hunderte Verbraucher bei den Verbraucherzentralen gemeldet. In vielen Fällen war immer wieder von Unternehmen die Rede, die unter dem Namen "LottoTeam" auftraten. Gegen die "Lotto Team Partnership Service GmbH" waren der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mehrfach erfolgreich wegen unaufgeforderter Telefonwerbung vorgegangen. Dabei wurden auch Bankverbindungen zur Überweisung möglicher Gewinne abgefragt.

Datenschutz ist Verbraucherschutz
Der Skandal um die aufgetauchten Bankdaten und die unerlaubten Abbuchungen ist nur ein Problem. Auch RFID-Chips, Scoring-Verfahren, die Spionagefälle bei Lidl und der Telekom oder der Datenklau im Internet schüren die Sorge der Verbraucher vor einem Missbrauch ihrer persönlichen Daten. Laut Eurobarometer vom Februar 2008 haben 86 Prozent der deutschen Verbraucher kein Vertrauen in die Praxis des Datenschutzes. "Zu Recht muss man mit Blick auf den aktuellen Skandal sagen", so Gerd Billen. Durch fehlende rechtliche Schranken und ein Mangel an Kontrollen und Sanktionen werde die Abzocke der Verbraucher forciert. Der Datenschutz dürfe nicht weiter den Gerichten oder der Zivilcourage von Banken-Insidern überlassen werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert daher:
* Ein generelles Verbot des Datenhandels zu gewerblichen Zwecken ohne vorherige aktive Einwilligung der Bürger bzw. Kunden.
* Klare Regeln für Einwilligungserklärungen
- Ein obligatorisches ‚Opt-In' bei Datenweitergabeklauseln. Die Einwilligung der Verbraucher in die Verwendung ihrer persönlichen Daten zu Werbezwecken darf durch eine Voreinstellung (Opt-Out) kein Automatismus sein.
- Die Betroffenen sind vor einer Zustimmung konkret zu informieren, zu welchem Zweck welche Daten an wen weitergegeben werden.

* Die Unwirksamkeit von Verträgen, die durch unerlaubtes Telefonmarketing angebahnt wurden, ohne dass eine ausdrückliche schriftliche Bestätigung erteilt wurde.
* Die Klagebefugnis der Verbraucherverbände zu stärken und auszuweiten, um auch datenschutzrechtliche Verstöße abmahnen zu können.
* Die Einführung eines freiwilligen Datenaudits. Für Branchen, die mit Daten handeln, bedarf es eines obligatorischen Audits.
* Eine Sorgfalts- und Berichtspflicht der Banken: Werden Lastschriften gehäuft und wegen fehlender Einzugsermächtigungen zurückgereicht, müssen die Banken die Staatsanwaltschaft informieren.
* Eine institutionalisierte Vernetzung der Strafverfolgung und der Gewerbeaufsicht. Die Gewerbezulassung muss sicherstellen, dass den immer wieder mit der gleichen "Masche" oder mit ähnlich unlauteren Wettbewerbshandlungen auftretenden Unternehmen eine Gewerbezulassung entzogen wird.
* Ein schärferer Sanktionsrahmen: Bußgelder müssen erhöht und Wiederholungstäter europaweit von der Einreichung von Lastschriften ausgeschlossen werden.
* Die Umsetzung der Charta digitaler Verbraucherrechte

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Pressestelle Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: (030) 258000, Telefax: (030) 25800218

(sh)

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